Eigentlich besitzt Infineon Technologies seit langem ARM-Lizenzen. Zum Einsatz kamen entsprechende Cores aber vor allem in den Wireless-Prozessoren und diesen Geschäftsbereich verkauften die Münchner kürzlich an Intel. Mikrocontroller für Industrie- und Automotive-Anwendungen entwickelt Infineon bisher auf Basis der hauseigenen Architekturen Tricore (32 Bit) und XE166 (16 Bit) oder am unteren Ende der Leisungsskala mit 8051-kompatiblen Achtbittern. Zwischen Tricore und XE166 fand Infineon eine deutliche Leistungslücke, in die genau der ARM Cortex-M4 passen soll. Auf die Frage, warum man nicht den leistungsfähigeren Tricore etwas abgespeckt hat, entgegnet Dr. Stephan Zizala, Senior Director Industrial und Multimarket Mikrocontroller: „Der M4 hat genau im Leistungsbereich um 200 MIPS seinen Sweet Spot. Außerdem profitieren wir so vom ARM-Ökosystem“.

Eine Plattform, viele Märkte

Dr. Stephan Zizala ist Senior Director, Industrial  und Multimarket MCU bei Infineon in Neubiberg.

Dr. Stephan Zizala ist Senior Director, Industrial und Multimarket MCU bei Infineon in Neubiberg.Infineon

Peter Bauer, Vorstandsvorsitzender der Infineon, sieht, dass die XMC4000-Familie drei wesentliche Trends industrieller Anwendungen unterstützt: Sie erhöht die Energieeffizienz der Systeme, unterstützt eine Vielzahl von Kommunikationsstandards und senkt die Software-Komplexität bei der Entwicklung. Letzteres gilt vor allem dank der großen Menge an Software, die im ARM-Umfeld vorhanden ist. Entwickler können deutlich mehr Code wiederverwenden, wenn sie den Mikrocontroller tauschen. Das Argument zieht aber auch anders herum: Dr. Stephan Zizala betont, dass die XMC4000-Reihe keinesfalls die proprietären Architekturen ablösen soll. Mit Tricore hat Infineon einen erheblichen Anteil am Automotive-Markt – den wird man natürlich nicht aufgeben.

Peter Bauer, Vorstandsvorsitzender der Infineon in Neubiberg.

Peter Bauer, Vorstandsvorsitzender der Infineon in Neubiberg.Infineon

XMC steht für Cross-Market Microcontrollers. Infineon meint damit, dass sich die XMC4000-Familie für vielfältige Industrieanwendungen eignet. Der Hersteller hat den Chip sogar bis 125 °C freigegeben, um den Einsatz in widrigen Umgebungen zu erleichtern. Zum XMC4000-Portfolio gehören fünf Serien: XMC4100, XMC4200, XMC4400, XMC4500 und XMC-4700. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Core-Frequenz (80…180 MHz), Speicherkapazität, Peripheriefunktionen und Anzahl der I/Os. Die CPU hat Infineon in Vollausstattung konfiguriert, also inklusive DSP-Funktionalität und Floating-Point-Unit. Für Motorsteuerungen, Inverter oder andere rechenintensive Anwendungen ist das auch sehr sinnvoll. Der interne Flashspeicher passt bei einer rasanten Lesezeit von nur 22 ns gut ins Bild.

Auf einen Blick

Der XMC4000 ist nicht der erste ARM Cortex-M4-Mikrocontroller. Infineon hat den Chip aber klar auf das Industrial-Segment ausgerichtet und mit vielen nützlichen Peripheriefunktionen für dieses Umfeld ausgestattet. Sogar der Temperaturbereich (bis 125 °C) sticht aus dem Üblichen hervor. Auch an die Software-Entwickler ist gedacht: Die IDE Dave 3 bringt einen grafischen Code-Generator mit, der ihn dabei unterstützt, die vielen Funktionen leichter und schneller einzusetzen.

Zur Peripherie gehören neue Timer-Module, bis zu vier parallele 12-Bit-AD-Wandler mit einer Abtastzeit von 70 ns und einer Wandlungszeit von 500 ns, außerdem bis zu zwei 12-Bit-DA-Wandler und bis zu vier hochauflösende PWM-Kanäle (150 ps) sowie integrierte Delta-Sigma-Demodulator-Module und Touch-Button-Module. Diese Komponenten hat Infineon neu entwickelt. Für die Kommunikation sorgen bewährte IP-Blöcke für IEEE-1588-kompatibles Ethernet sowie USB-2.0-, CAN- und SD/MMC-Schnittstellen. Die bis zu sechs seriellen Kommunikationskanäle lassen sich individuell per Software als UART, SPI, Quad-SPI, I²C, I²S oder LIN konfigurieren.

Runderneuerte Tools

Bei der Entwicklungsumgebung setzt Infineon auf Eclipse und die GNU-Toolchain und kann damit eine komplette IDE anbieten (Dave 3). Leidgeplagte Embedded-Entwickler werden sich vor allem über die automatische Code-Generierung freuen: Sie können die Komponenten der MCU grafisch konfigurieren und miteinander verbinden – den Konfigurationscode dazu erzeugt Dave 3 automatisch. Das ist besonders nützlich, da der Chip die Ein- und Ausgänge seiner Peripherie direkt verschalten kann, so dass Events ohne Mithilfe der CPU behandelt werden. Sogar einfache Rechenoperationen sind direkt in Hardware möglich – diese Feature grafisch zu verschalten, ist deutlich anwenderfreundlicher als reiner C-Code. Dritthersteller und Anwender dürfen das grafische Konfigurationstool sogar erweitern: Zusätzliche Dave-Apps ergänzen beinahe beliebige Funktionen.

Als erster Teil der XMC4000-Familie kommt die XMC4500-Serie auf dem Markt mit 120-MHz-CPU, bis zu 1 MByte Embedded-Flashspeicher, 160 KByte RAM sowie umfangreichen Peripherie- und Schnittstellenfunktionen. Dazu zählen vier parallele 12-Bit-AD-Wandler, zwei 12-Bit DA-Wandler, vier Delta-Sigma-Demodulatoren und sechs Capture/Compare-Einheiten (CCU4 und CCU8) sowie zwei Positionierungs-Interface-Module und ein Modul für acht Touch-Buttons. Für die Kommunikation unterstützen die XMC4500-Mikrocontroller Ethernet, USB sowie SD/MMC und bieten drei CAN-Knoten und sechs serielle Kommunikationskanäle sowie eine externe Busschnittstelle. Die Gehäuse-Optionen der XMC4500-Serie sind LQFP-144, LQFP-100 und LFBGA-144.

Muster der XMC4500-Serie und die Entwicklungsumgebung Dave 3 sind ab März 2012 verfügbar. Die Serienproduktion der XMC4500-Produkte beginnt im Mai 2012. Im vierten Quartal 2012 sollen Muster für die Serien XMC4400, XMC4200 und XMC4100 zur Verfügung stehen. Je nach XMC4000-Serie und Gehäuse liegt der Stückpreis für einen XMC-Mikrocontroller bei 10.000er Stückzahlen zwischen einem und 7 Euro.

Achim Leitner

: Chefredakteur all-electronics und elektronikJOURNAL.

(lei)

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