Bild 1: Single Pair Ethernet – der Steckverbinder-Standard für die Netzwerk-Infrastruktur der digitalen Transformation.

Bild 1: Single Pair Ethernet – der Steckverbinder-Standard für die Netzwerk-Infrastruktur der digitalen Transformation. (Bild: Phoenix Contact)

Fragen, die zur Zeit viel diskutiert werden, drehen sich dabei meist um Komponenten, Kabel oder Steckverbinder: Welche PHYs (Physical-Layer) sind verfügbar? Welche Kabel können eingesetzt werden? Wie hoch ist die Reichweite und welche Daten werden übertragen? Und last but not least: Gibt es bei den Steckverbindern denn schon einen Standard? Hinter diesen Fragen geht es um einen grundlegenden Paradigmenwechsel industrieller Kommunikation – für die gesamte Infrastruktur mit Geräten und Sensoren für zahlreiche Anwendungs­szenarien.

Eckdaten SPE

Phoenix Contact engagiert sich in allen Standardisierungs­gremien, die für die Zukunft der industriellen Kommunikation wichtig sind. Das Ziel ist ein neuer, herstellerüber­greifender Kommunikationsstandard für die digitale Transformation. Zusammen mit anderen Kommunikationstechnologien wie 5G und TSN dient SPE auch als Basis für die intelligente Vernetzung in der All Electric Society.

Was ist bei SPE schon verfügbar?

Die BroadR-Reach-Technologie – ein Ethernet-Physical-Layer-Standard für Connectivity-Anwendungen im Automobilbereich – kann als Ausgangspunkt für die Entwicklung von SPE betrachtet werden. Moderne Mittelklasse-Fahrzeuge besitzen über 100 Sensoren – Tendenz steigend. Die Zahl der Steuergeräte, Sensoren, Aktoren und Kommunikationseinrichtungen wächst von jeder Fahrzeuggeneration zur nächsten – damit wächst auch der Umfang der Verkabelung. Gefordert ist eine innovative Sensorik mit einem einheitlichen Kommunikationsstandard im Bereich des Automobils.

Daher war es die Automobilindustrie, die auf der Suche nach einem Nachfolger für den CAN-Bus das TCP/IP-basierte Übertragungsverfahren identifi­ziert hatte und die ersten SPE-Standards vorantrieb. Über die IEEE 802.3-Arbeitsgruppe wurden die ersten SPE-Standards als 100BASE-T1 und 1000BASE-T1 in den zuständigen Arbeitskreisen veröffentlicht. Das Unternehmen Rosenberger Hochfrequenz­technik stellt heute schon die Steckverbinder für diese Anwendungen in Serie her.

Mit dem in 2019 zuletzt verabschiedeten cg-Standard aus der IEEE 802.3 wurde nun erstmals ein Standard für höhere Reichweiten definiert, der für viele industrielle Applikationen von Interesse ist. Damit war der Weg frei für den Einzug von SPE in neue Applikationsfelder wie Fabrik- und Gebäude-Automation. Um dafür die ersten Gerätegenerationen aufzubauen, werden entsprechende Einzelkomponenten wie Chips, Kabel und Steckverbinder benötigt (Bild 2).

Standardisierung noch nicht abgeschlossen

Bild 2 Relevante Normen und Standards für SPE- Anschlusstechnik: Diese Tabelle bietet einen Überblick über alle relevanten SPE-Standards und deren Relevanz in den unterschiedlichen Applikationsbereichen. Phoenix Contact

Bild 2: Relevante Normen und Standards für die SPE- Anschlusstechnik: Diese Tabelle bietet einen Überblick über alle relevanten SPE-Standards und deren Relevanz in den unterschiedlichen Applikationsbereichen. Phoenix Contact

Erste PHYs für den cg-Standard sind bereits am Markt erhältlich. Dabei unterscheidet dieser Standard zwei Varianten: der T1L-Standard für lange Distanzen bis zu 1000 m und einer Datenübertragung bis zu 10 Mbit/s sowie der T1S-Standard für kürzere Distanzen bis zu 25 m. Dieser Standard ermöglicht auch das Multidrop-Verfahren. Bei einer Buslänge von 25 m können damit mindestens acht Knoten mit 10 cm langen Stichleitungen verbunden werden. Alle Knoten teilen sich die Bandbreite von 10 Mbit/s.

Die Kabel für Single Pair Ethernet werden in der IEC 61156-11/-12/-13 und -14 beschrieben. Diese vier neuen Standards für SPE-Leitungen definieren sowohl die feste als auch die flexible Verlegung. Einziger bis heute verabschiedeter Standard ist die 61156-11 für die feste Verlegung mit Übertragungseigenschaften bis 600 MHz bei einer Übertragungslänge bis 40 m – geeignet für den Standard IEEE 802.3 bp. Die weiteren Normen – auch die für den cg-Standard – sind derzeit noch nicht veröffentlicht.

Bild3

Bild 3: Universell einsetzbar: Die SPE-Steckverbinder basieren auf den Standards der IEC 63171-2 (für IP20) und der IEC 63171-5 (für IP65/67). Phoenix Contact

Auch bei den Steckverbindern ist die Standardi­sierung noch nicht abgeschlossen. Steckverbinder für SPE werden in der IEC 63171 definiert. Gemeinsam mit den Partnern Reichle & DeMassari und Weidmüller hat Phoenix Contact mit der IEC 63171-2 zunächst das kompakteste Steckgesicht dieser Normenreihe entwickelt. Damit werden zwei Anforderungen an die Steckverbinder erfüllt: zum einen Miniaturisierung und Kosteneinsparungen bei der Einführung der neuen Technologie, und zum anderen die industrietaugliche Verrastung sowie die automatisierte Montage von Gerätesteck­verbindern.

Das Steckgesicht der IEC 63171-2 ist auch in der IEC 63171-5 beschrieben – dort jedoch in der industrietauglichen IP-geschützen Verpackung in M8- und M12-Bauweise. Wegen seiner Kompaktheit passt dieses Steckgesicht auch in einen Standard-M8-Steckverbinder und kann damit auch in Standard-Induktivsensoren zum Einsatz kommen. Fliegende Verbindungen für die Kabel-Kabel-Verbindung im Feld oder zwischen Feld-Switchen sind ebenfalls möglich. Auf der Geräteseite erweisen sich unterschiedliche Abgangsrichtungen als vorteilhaft: horizontal und vertikal zur Leiterplatte, Auslegung für THR- und SMD-Lötprozesse sowie volle Flexibilität bei der Montagerichtung mit Vorder- und Hinterwandmontage (Bild 3).

Die SPE System Alliance – Gemeinsam für das Netzwerk des IIoT

Bild KastentextDie anfängliche Technologiepartnerschaft der Unternehmen Phoenix Contact, Weidmüller, Telegärtner, Reichle & De Massari (R&M) und Fluke Networks für SPE hat sich zu einem breiten Bündnis entwickelt: die SPE System Alliance. Führende Technologieunternehmen aus verschiedenen Branchen und Anwendungsbereichen haben sich darin zusammengeschlossen, um ihr SPE-Know-how zu bündeln und zielorientiert auszutauschen. Alle Partner der Allianz verfolgen gemeinsam das Ziel, SPE für das Industrial Internet of Things (IIoT) weiter voran zu treiben.

Das Netzwerk dient der Zusammenarbeit an technologischen Herausforderungen bei der Umsetzung von SPE in IIoT-Anwendungen. Die Unternehmen haben das Ziel, den eigenen Know-how-Aufbau für die SPE-Technologie zu beschleunigen und darüber eine schnellere und zuverlässigere Implementierung in ihre Produkte zu ermöglichen.

Durch die Ausrichtung zu einer branchen- und applikationsübergreifenden Austauschplattform kommen Unternehmen aus allen zukünftigen SPE-Ecosystemen zusammen. Dabei ist der Blick keineswegs auf Einzelaspekte – wie etwa Anschlusstechnik – fokussiert. Es geht viel umfassender um Fragenstellungen und Herausforderungen, denen viele Marktteilnehmer bei SPE gegenüber stehen. Regelaustauschformate und gemeinsame Projektaktivitäten bieten dabei Raum für enge Kooperationen.

Wie geht es mit SPE weiter?

In der Normenreihe der IEC 63171 gibt es insge­samt sechs unterschiedliche Standards für Steckverbinder. Welcher davon der Standard für welche Applikation sein wird, werden die Nutzer­organisationen maßgeblich mitentscheiden, die sich derzeit intensiv mit dem Thema SPE beschäf­tigen. Dabei werden für die unterschied­lichen Anwendungsfelder Use cases aufgezeigt, die nicht nur die Einzelkomponenten betrachten, sondern das gesamte Ecosystem. Hier zeigt es sich, wie und wann der populäre Slogan „Vom Sensor bis zur Cloud“ auch wirklich greift (Bild 4). Um die SPE-Technologie großflächig verfügbar zu machen, ist die Kompatibilität von Geräten, Kabeln und Steckverbindern von entscheidender Bedeutung.

Beim Transfer vom Automotive-Ethernet hin zu industriellen SPE-Anwendungen gibt es derzeit für die Gerätehersteller noch einige Herausforde­rungen, da die EMV-Einflüsse je nach Anwendung nicht wie im Automobil vorhersehbar und zudem oftmals viel komplexer sind. Das heutige Industrial Ethernet hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt. RJ45-Steckverbinder wurden hinsichtlich Schirmungskonzepten, erweiterter Temperaturbereiche, Robustheit und integrierten Übertragern (Magnetics) nach und nach optimiert und an die Bedürfnisse industri­eller Umgebungsbedingungen angepasst. Die SPE-Steckverbinder von Phoenix Contact bringen viele dieser Eigenschaften bereits mit. Die genauen Anforderungen der gesamten SPE-Infrastruktur werden sich jedoch erst noch entwickeln.

SPE als Bestandteil zahlreicher neuer Technologien

Es bleibt also auch weiterhin spannend. In den kommenden Jahren werden weitere IEEE-Standards für SPE erwartet, die den Bereich der größeren Distanzen über 100 m bei gleichzeitiger Daten­übertragung von bis zu 100 MBit/s abdecken. Auch bei den Steckverbindern wird es über die nächsten Jahre noch Portfolio-Erweiterungen geben. Sobald die ersten Innovationstreiber Geräte entwickeln und auf den Markt bringen, werden auch feldkon­fektionierbare Steckverbinder für unterschied­liche Kabel sowie weitere Zubehör-Artikel für die Schaltschrank- und Feldverkabelung benötigt.

Zurzeit entsteht gerade das Grundgerüst für die Zukunft der industriellen Kommunikationstechnik. SPE ist davon nur ein Teil, neue Kommunikations­standards wie die Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA), Time-Sensitive Networking (TSN) oder 5G sind die Basis für die durchgängige Vernetzung vom Sensor über die Maschine und übergeordnete Systeme bis hinein in die Cloud.

Phoenix Contact engagiert sich in allen wichtigen Standardisierungs­gremien. Das Ziel: ein neuer, herstellerüber­greifender Kommunikationsstandard für die digitale Transformation. Zusammen mit anderen Kommunikationstechnologien wie 5G und TSN dient SPE auch als Basis für die intelligente Vernetzung in der All Electric Society.(für die Zukunft der industriellen Kommunikation / maßgeblich)

Steckverbinder und Leitungen Nervensystem der All Electric Society

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Bild 4: Vom Sensor bis zur Cloud: Single Pair Ethernet bildet den Baustein, um Ethernet durchgängig bis in die Feldebene zu bekommen. Phoenix Contact

Der Klimawandel erfordert eine globale Energie­wende, die nur durch die Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche möglich ist. In der All Electric Society wird der Energiebedarf daher lediglich aus erneuerbaren Energien gedeckt und elektrischer Strom zum zentralen Energie­träger. Dazu bedarf es auch einer umfassenden Kopplung der Sektoren Energie, Mobilität, Infra­struktur, Gebäude und Industrie. Bislang sind die einzelnen Sektoren durch unterschiedliche technische Standards gekennzeichnet, was ihre Kopplung erschwert. Allerdings gibt es bereits Basistechnologien, um eine nahtlose Kommuni­kations-Infrastruktur zwischen den unzähligen installierten Geräten aufzubauen.

Dazu muss die weltweite Infrastruktur physika­lisch und datentechnisch vernetzt werden. Elektromechanische Komponenten – wie Steckver­binder oder Reihenklemmen – dienen als Basis für die Elektrifizierung von Maschinen und Anlagen. Mithilfe digitaler Artikelbeschreibungen ermöglichen sie eine effiziente Integration in Planungs- und Engineering-Tools und dienen damit als Grundvoraussetzung zur Digitalisierung.

So ist die All Electric Society in der Lage, zwei Themen unserer heutigen Weltgesellschaft zu versöhnen: den Kampf gegen den Klimawandel und das Streben von Milliarden von Menschen nach Wohlstand und Entwicklung. Als Lösung bietet die All Electric Society nicht weniger als eine nachhaltige Energierevolution. Die Umsetzung dieser Vision birgt in den nächsten zwei bis drei Dekaden gewaltige Investitionen und Wachstumschancen. Phoenix Contact engagiert sich aktiv in vielen Nutzerorganisationen, Gremien und Verbänden, damit die (Weiter-) Entwicklung dieser Standards anforderungsgerecht vorangetrieben und die All Electric Society Wirklichkeit wird.

Verena Neuhaus

Product Marketing Data Connectors, Business Unit Field Device Connectors, Phoenix Contact, Blomberg

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