In der Theorie ist die Verkabelung einfach: Stecker in die passende Buchse oder auf die freistehenden Kontaktstifte – und fertig. In der Praxis sieht es leider sehr viel anders aus, denn immer wieder passieren Fehler. Da werden Kabel vertauscht, was unter Umständen zu Beschädigungen von Schaltungen und Bauteilen führen kann, wenn dadurch eine falsche Spannung angelegt wird. Im schlimmsten Fall können sogar Leib und Leben durch falsch verkabelte Geräte gefährdet werden. Es kommt auch vor, dass Stecker verdreht oder in eine falsche, ungeeignete Buchse gesteckt werden. Eine aufwendige Fehlersuche oder gar mechanische Beschädigungen von Stecker und Buchse können teure Folgekosten nach sich ziehen. Gelegentlich gibt es aber auch spezielle bauliche Anforderungen, die eine Anpassung nötig machen.
Aus diesem Grund bieten Hersteller von Stecker- und Verbindungslösungen neben ihrem Standardsortiment auch häufig die Produktion anwendungsspezifischer Varianten an. Das beginnt bei der individuellen Beschriftung von Kabeln und reicht über Farbcodierungen und einfache physische Kodierungen bis hin zu kundenspezifischen Formgebungen. Diese werden auch „Poka-Yoke“-Lösungen genannt, nach dem japanischen Begriff für „unglückliche Fehler vermeiden“.
Unterschiedliche Änderungspotenziale
Viele Geräte und elektronische Komponenten werden vom Hersteller „anschlussfertig“ ausgeliefert. Das heißt, die Verkabelung ist bereits integriert, der Abnehmer muss nur noch die Verbindung am anderen Ende vornehmen. Das kann bei komplexen Installationen auch eine größere Zahl von Steckern und Kabeln umfassen, sodass es Sinn machen kann, die einzelnen Kabelstränge zu beschriften, um die Zuordnung zu erleichtern; auch Klemmen können beschriftet werden.
Eine weitere Möglichkeit, die gerne genutzt wird, ist die Farbkodierung. Sie kann sowohl bei den Kabelummantelungen als auch bei den Steckergehäusen ansetzen. Wenn klar ist, dass der Stecker jeweils in die gleichfarbige Buchse gehört, oder dass konsequent bestimmte Kabelfarben bestimmten Themenbereiche zugeordnet sind – Sensoren blau, Alarmsystem rot etc. – dann wird die Verwechslungsgefahr ebenfalls reduziert. Allerdings müssen die gewünschten Farben bereits bei den VDE-, UL- oder CSA-Zulassungen mit beantragt worden sein. Dann sind auch die Sonderlösungen weltweit einsetzbar.
Ebenfalls nicht unüblich sind geringfügige Abweichungen in der Form, sogenannte physische Kodierungen. Dabei handelt es sich meist um kleine Kodierkeile oder -nasen, die dafür sorgen, dass der Stecker nur in der gewünschten Ausrichtung in die richtige Buchse passt – normalerweise. Doch auch hier sieht man Fälle, dass mit entsprechendem Kraftaufwand falsche Verbindungen hergestellt werden. Dann bleibt nur noch die Möglichkeit, mit einer besonderen Formgebung die Fehlkonfiguration zu verhindern.
Dieser letzte Fall bietet sich aber auch dann an, wenn die baulichen Gegebenheiten den Einsatz eines Standardsteckers nicht oder nur mit großem Aufwand zulassen würden. Besonders geringer Platzbedarf, eine außergewöhnliche Ausrichtung bis hin zu schrägem Einbau, längere oder gewinkelte Kontakte sind nur einige der Anforderungen, die über ein angepasstes Produktdesign abgedeckt werden können.
Weitere Qualitätsmerkmale können vergoldete Kontakte sein, die etwa für Testinstallationen mit häufigen Steckvorgängen benötigt werden. Nicht zuletzt sind darüber hinaus komplette Neudesigns möglich, die sich den individuellen Anforderungen und Ideen des Anwenders anpassen. Kombinationen aus unterschiedlichen Rastergrößen, selbst definierte Wandstärken und Wandlängen oder außergewöhnliche Materialeigenschaften und ähnliches sind einige der gängigsten Gründe für die Entwicklung kundenspezifischer Verbindungslösungen.
Kostengünstige Designvarianten
Dass Unternehmen beim Wunsch nach individuellen Lösungen trotz der genannten Vorteile oft zurückhaltend sind, liegt möglicherweise an den Erfahrungen im Markt, die sich auch herumsprechen. Wenn etwa spezielle Farben gewünscht werden, verlangen manche europäische Verkabelungsanbieter Losgrößen von einer Million Einheiten, im asiatischen Raum bis zu zehn Millionen Einheiten. Doch es gibt bereits Anbieter im Markt, die auch Lösungen bereits ab 5000 Stück, abhängig von Farb- und Materialzusammensetzung, bereitstellen.
Auch bei der Formgebung sind diese sehr flexibel, und das bei begrenztem Kostenaufwand. Dies liegt an der besonderen Produktionsweise der Steckverbinder. Die Formen sind nicht aus einem Block gefertigt, sondern setzen sich nach dem Baukastenprinzip aus kleinen Einsätzen aus gehärtetem Stahl zusammen. Auf diese Weise lassen sich abweichende Varianten, etwa Stecker mit einer zusätzlichen „Haifischflosse“ zum verdrehsicheren Einbau, mit nur wenig Umrüstungsaufwand herstellen. Aus einer einzigen Spritzgussform lassen sich allein durch eine Rekombination der Einsätze bis zu 120 verschiedene Varianten erstellen.
Auf diese Weise können auch kleinere Losgrößen problemlos abgewickelt werden, und das in der Regel ohne großen Zeitaufwand. Zudem fällt der Aufpreis geringer aus, als wenn eine komplett neue Form entwickelt werden müsste. Teils sind die angebotenen physischen Kodierungen sogar kostenneutral erhältlich.
Auf dem Weg zur individuellen Lösung
Der genaue zeitliche und finanzielle Aufwand hängt allerdings stets von den individuellen Anforderungen ab. Daher muss im ersten Schritt eines solchen Projekts zunächst ein Lastenheft erstellt werden, in dem alle relevanten Informationen gesammelt werden. Dazu zählen neben den Maßen beispielsweise Belastungen wie Spannung, Stromstärke oder mechanische Beanspruchung sowie die sich daraus ergebende Erwärmung, mögliche Umwelteinflüsse, wie Temperatur, Einwirken von Gasen oder Flüssigkeiten und vieles mehr.
Teil der Aufgabenstellung ist darüber hinaus die „Verpackung“ der Steckverbinder. Dabei geht es zunächst um die Frage, wie diese weiterverarbeitet werden. Ein manuelles Stecken bedarf keiner weiteren Vorbereitung. Anders sieht es aus, wenn eine Pick&Place-Maschine damit bestückt werden soll, sodass ein zum vorhandenen Feeder passender Gurt benötigt wird. In beiden Fällen ist sicherzustellen, dass die Produkte heil und unbeschädigt beim Anwender ankommen. Es wäre beispielsweise fatal, wenn es durch den Gurt zum Abrieb von galvanisierten Oberflächen beim Transport kommen würde.
Dann geht es an die Entwicklung. Ziel ist es, dem Anwender nach spätestens vier Wochen einen ersten Entwurf aus dem 3D-Drucker vorstellen zu können. Sobald die äußere Form abgesegnet ist, beginnen die Arbeiten mit dem endgültigen Material und dem inneren Aufbau. Prototypen werden über Aluminium-Formen erstellt, parallel dazu werden die Flussdiagramme für die endgültige Produktion erarbeitet, um zuverlässige Prozesse mit der gewählten Form und dem finalen Material sicherzustellen.
Sechs Monate oder weniger ist üblicherweise die Frist von der Aufnahme des Pflichtenhefts bis zum Anlaufen der regulären Produktion.
Ressourcenschonende Produktion
Das Baukastenprinzip der Spritzgussformen ermöglicht eine große Steckverbindervielfalt, ohne dass unzählige Formen mit hohem Materialaufwand hergestellt und vorgehalten werden müssten. Darüber hinaus zeigt sich das Verfahren auch in den täglichen Abläufen von Vorteil. Denn die einzelnen Metallteile überstehen sehr viel mehr Produktionszyklen als monolithische Formen. Statt den gesamten Block auszutauschen, wenn das Ende des Lebenszyklus erreicht wird, kann jeder kleine Baustein für sich ausgetauscht werden, wenn es nötig sein sollte – ein wichtiger Beitrag zum schonenden Umgang mit wertvollen Ressourcen, die einen hohen Energie-Einsatz erfordern. Darüber hinaus trägt es zur Resilienz in der Produktion bei. Sollte ein Fehler in der Form auftreten, kann das entsprechende Metallteil einfach ausgetauscht und die Produktion zügig fortgesetzt werden.
Nachhaltigkeit im Fokus der Elektronikhersteller
Aber auch an anderer Stelle verfolgen die Hersteller ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele. So werden beispielsweise Anspritz- und Abspritzreste sortenrein gesammelt und als Granulat an den Hersteller zurückgeführt. Dieser bereitet das Material neu auf und stellt es dem Elektronikhersteller als Recyclingstoff zur Verfügung, das zu einem bestimmten – zertifizierten – Anteil wieder in die Produktion einfließt. Das sind nur zwei Beispiele, die zu einem geringeren CO2-Fußabdruck der Produkte führen. Die Kunden profitieren gleich doppelt von dieser Strategie. Zum einen durch Kostenvorteile, zum anderen bei ihren eigenen Nachhaltigkeitszielen. Denn immer mehr Unternehmen, beispielsweise Elektro- oder Fahrzeughersteller, verpflichten sich zur CO2-Reduktion – und dazu brauchen sie Vorlieferanten, die ihrerseits den Ausstoß von klimaschädlichen Stoffen verringern. (neu)
Autor
Detlef Fritsch, Geschäftsführer von Weco