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Die IEC 60601 ist die allgemein anerkannte Norm für elektrische und elektronische Medizingeräte. Ihre Einhaltung ist für den Einsatz von Geräte, die in der Medizin ihre Anwendung finden, in vielen Ländern zwingend erforderlich. Zur Vermeidung von Stromschlägen definiert die Norm für Geräten mit einem Anwendungsteil maximale Ableitströme. Der Anwendungsteil bezeichnet den Teil der Anwendung, mit dem der Patient unter normalen Bedingungen in Berührung kommt.

Die Norm beschreibt drei verschiedene Anwendungsteile:

  • Typ B: Ein Anwendungsteil des Typs B (Body, Körperbezug) hat nicht die Aufgabe, einen Strom auf den Patienten zu übertragen. Eine Stromübertragung ist aber prinzipiell denkbar etwa bei automatischen Medikamentenspendern in Schwesternzimmern oder bei Beleuchtungen in Operationssälen.
  • Typ BF: Ein Anwendungsteil vom Typ BF (Body Floating, Körperbezug mit Stromfluss) wird mit dem Körper des Patienten verbunden, um elektrische Energie oder ein elektrophysiologisches Signal zum Körper hin oder vom Körper kommend zu übertragen zum Beispiel EKG-Geräte.
  • Typ CF: Ein Anwendungsteil vom Typ CF (Cardial Floating, Herzbezug mit Stromfluss) wird mit dem Körper des Patienten verbunden, um im Rahmen einer direkten Anwendung auf das Herz elektrische Energie oder ein elektrophysiologisches Signal zum Körper hin oder vom Körper kommend zu übertragen, zum Beispiel externe Herzschrittmacher.

Des Weiteren sind darin vier verschiedene Ableitströme, jeder mit speziellen Grenzwerten beschrieben. Dies sind:

  • Erdableitstrom,
  • Gehäuseableitstrom,
  • Patientenableitstrom,
  • und Patientenhilfsstrom.

Der davon am schwierigsten einzuhaltende Ableitstrom ist der Patientenableitstrom. Dieser Strom ist der durch eine unbeabsichtigt am Patienten anliegende Spannung hervorgerufene, über das Anwendungsteil durch den Patienten gegen Erde abfließende Strom. In der dritten Edition der Norm liegen die Grenzwerte dafür bei 100 µA für B- und BF- sowie 10 µA für CF-Anwendungen.

In Netzteilen ist der Patientenableitstrom als Strom definiert, der vom Ausgang über eine Impedanz von 1 kOhm – der Wert entspricht dem elektrischen Widerstand eines Patienten – gegen Erde fließt. Der Patientenableitstrom ist die direkt proportional verlaufende Kapazität eines Netzteils zwischen Eingang und Ausgang (Koppelkapazität). Er lässt sich durch zwei Faktoren beeinflussen:

Der Wicklungskapazität zwischen Primär- und Sekundärwicklungen und Y-Kondensatoren, die über diese Isolationsstecke eingebaut sind. Es ist erstrebenswert, die Kapazität zwischen Eingang und Ausgang so gering wie möglich zu halten, aber es ist nicht möglich sie total zu eliminieren. Daher ist der daraus resultierende Ableitstrom zur Sicherheit des Patienten in der Norm beschrieben.

Bild 1: Wenn keine Kondensatoren zwischen Eingang und Ausgang eingebaut sind, ist der für den Patientenableitstrom dominierende Pfad über den Übertrager mit der gepunkteten Linie gekennzeichnet.

Bild 1: Wenn keine Kondensatoren zwischen Eingang und Ausgang eingebaut sind, ist der für den Patientenableitstrom dominierende Pfad über den Übertrager mit der gepunkteten Linie gekennzeichnet.XP Power

Kapazität zwischen Eingang und Ausgang

Betrachtung findet nun die Kapazität zwischen Eingang und Ausgang an einem typischen Medizinnetzteil. Bild 1 zeigt die vereinfachte Darstellung eines solchen Gerätes, bei dem der Weg des Ableitstroms der durch die gestrichelte Linie dargestellt ist. Die Kapazität zwischen Primär- und Sekundärseite enthält die Koppelkapazität des Übertragers und die Kapazität über der Isolationsstrecke (C4). Vergrößert sich C4, verringert sich die Impedanz dieses Strompfads, wodurch sich der Strom an Punkt G2 vermehrt. Dieser Strom ist der Patientenableitstrom.

Bild 2: Der Patientenableitstrom verhält sich proportional zu dem von C4.

Bild 2: Der Patientenableitstrom verhält sich proportional zu dem von C4.XP Power

Die Kondensatoren C1, C2 und C3 erzeugen ebenfalls einen Ableitstrom, allerdings ist dies der Erdableitstrom. Bild 2 zeigt das Kondensator-Ersatzschaltbild der Schaltung (Bild 1). Der Patientenableitstrom Ileakage errechnet sich aus 2π x f x C4 x Vmains.

Dies zeigt, dass der Patientenableitstrom gegenüber dem Wert des Kondensators über die Isolationsstrecke direkt proportional ist. Populäre Maßnahmen zur Reduktion des Patientenableitstroms zielen daher auf die Reduktion der Kapazität zwischen Eingang und Ausgang ab. Die Addition eines zusätzlichen DC/DC-Wandlers zwischen dem Netzteil und dem Anwendungsteil ist wahrscheinlich die häufigste Methode dies zu erreichen. Damit lässt sich eine zusätzliche Isolationsstrecke (Bild 3) einbringen und damit die Kapazität zwischen dem Eingang und dem Anwendungsteil reduzieren.

Bild 3: Ein möglicher Weg die Koppelkapazität und damit den Patientenableitstrom zu reduzieren, besteht darin einen DC/DC-Wandler hinzuzufügen.

Bild 3: Ein möglicher Weg die Koppelkapazität und damit den Patientenableitstrom zu reduzieren, besteht darin einen DC/DC-Wandler hinzuzufügen.XP Power

Der dominierende Pfad für den Strom in dem entwickelten System läuft nun durch C4 und C5, also die Koppelkapazitäten der beiden Übertrager. Der Patientenableitstrom lässt sich berechnen:  Ileakage = 2π x f x C4 plus C5 in Reihe x Vmains wie im Kondensator-Ersatzschaltbild der Schaltung (Bild 4); der Strom ist deutlich reduziert.

XP Power hat in einem Kundensystem durch das Integrieren eines zusätzlichen DC/DC-Wandlers den Patientenableitstrom von 11 µA auf 6 µA reduziert. Obwohl dies eine einfache Lösung zur Kapazitätsreduktion ist, hat es aber auch Nachteile.

Bild 4: Das Kondensatormodell mit hinzugefügtem DC/DC-Wandler zeigt die auf einen akzeptablen Level reduzierte Koppelkapazität.

Bild 4: Das Kondensatormodell mit hinzugefügtem DC/DC-Wandler zeigt die auf einen akzeptablen Level reduzierte Koppelkapazität.XP Power

Der zusätzliche DC/DC Wandler macht das Gesamtsystem teurer und erhöht sowohl die Komplexität als auch die Baugröße des Systems.

Alternative Methoden und Varianten

Um den Einsatz eines zusätzlichen DC/DC-Wandlers zu vermeiden sucht XP Power einen engen Kontakt mit dem Anwender von Beginn des Projektes an. Es bestehen zwei alternative Möglichkeiten: ein komplett kundenspezifisches Netzteil oder die Modifikation eines Standardmedizingerätes, bei dem der Patientenableitstrom verringert ist.

Die Schwierigkeit bei der Reduktion des Patientenableitstroms in einem Netzteil besteht darin, dass dies nur durch die Verringerung der Kapazität zwischen Eingang und Ausgang umzusetzen ist. Dies kann wiederum erhebliche Auswirkungen auf die EMV-Performance des Gerätes haben, wodurch diese unter Umständen die relativ strengen Anforderungen an Medizingeräte nicht mehr erfüllen kann. Beim Design eines kundenspezifischen Netzteils besteht die Herausforderung darin, sowohl die Ableitströme als auch die EMV im Blick zu haben. Dies lässt sich beispielsweise durch Maßnahmen wie die Optimierung der Schirmung im Übertrager realisieren.

Individuell sicher versorgt

Medizinische Netzteile müssen strenge Vorgaben zum Patientenschutz erfüllen, wobei der Patientenableitstrom der oftmals am schwierigsten zu erfüllende Teil der Norm ist. Der Ableitstrom ist direkt proportional zur Koppelkapazität der Stromversorgung, wobei die Reduktion dieser Kapazität nicht immer möglich ist, da sie Einfluss auf die EMV hat. Die Addition eines DC/DC-Wandlers als zusätzliche Isolationsstrecke ist eine Möglichkeit, aber sie ist teuer. Ein kundenspezifisches Stromversorgungsdesign ist eine Möglichkeit, aber die Option ist nicht sehr beliebt. XP-Power modifiziert medizinische Stromversorgungen nach Kundenanforderungen, um einerseits die strengen Patientenableitstromanforderungen erfüllen und andererseits eine kostengünstige Lösung bereitstellen zu können.

Populärer als die Erstellung eines kundenspezifischen Netzteils ist die Modifikation eines Standardmedizinnetzteils, um diese Anforderungen zu erfüllen. In der Zusammenarbeit mit Kunden hat XP Power bereits für deren Applikationen Standardnetzteile dahingehend modifiziert, dass diese die BF-/CF-Patientenableitstromanforderungen einhalten. Es sind weniger als 100 µA für BF-Anwendungen und weniger als 10 µA für CF-Anwendungen. Um die Konformität des Gesamtsystems festzustellen, müssen die Ableitströme auf Systemebene Betrachtung finden. Solche Projekte lassen sich mit den XP-Power-Serien GCS oder ECM60 realisieren, da diese die Isolationsanforderungen der IEC60601-1 erfüllen.

Modifizierte Versionen der GCS, welche mit der LLC-Topologie realisiert sind, können in einer Größe von 3 x 5 Zoll die CF-Anforderungen einhalten, während die modifizierten ECM60 2 x 4 Zoll messen und über einen Eingangsspannungsbereich von 90 bis 264 VAC verfügen. Sie erfüllen die Anforderungen der EMV-Grenzkurve B. Modifizierte Geräte der beiden vorgenannten Serien verfügen über demonstrierte Patientenableitströme von über 10 µA bei 264 VAC / 60 Hz.

Eine typische Vorgehensweise die Kapazität zwischen Ein- und Ausgang zu reduzieren, ist die Verringerung des Werts der Y- Kondensatoren zwischen Ein- und Ausgang. Allerdings ist es nicht so einfach wie es sich darstellt. Abgesehen von der zuvor angesprochenen EMV-Problematik ist selbst das komplette Entfernen des Kondensators zwischen Eingang und Ausgang manchmal nicht ausreichend, um den Patientenableitstrom unter die geforderten 10 µA zu reduzieren.

Da die Koppelkapazität eine natürliche Eigenschaft eines Übertragers ist, ist es nicht möglich, sie zu eliminieren. Falls diese im bestehenden Aufbau nicht ausreichend gering ist, lässt sich keine Modifikation vornehmen, da die Koppelkapazität nicht einfach reduziert werden kann, um die Anforderungen zu erfüllen. Andere  nicht veränderbare Bauteile wie Optokoppler, die ebenfalls zwischen der Primär- und Sekundärseite angeordnet sind, können auch zur Erhöhung der Kapazität beitragen. Exzellent entwickelte Geräte wie die von XP genannten Serien weisen eine geringe Koppelkapazität als Standard auf.

Dante De Guzman

ist als Engineering Manager bei XP Power in Sunnyvale, Kalifornien, USA tätig.

(rao)

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