Holger Wußmann, Geschäftsführer der Kontron Electronics GmbH

Holger Wußmann, Geschäftsführer der Kontron Electronics GmbH (Bild: Kontron Electronics)

Was spricht für den Einsatz von Raspberry-Pi-Produkten und worin liegen die größten Vorteile der Raspberry-Pi-Einplatinencomputer?

Holger Wußmann: Als Raspberry-Pi-Design-Partner schätzt Kontron Electronics vor allem den offenen Ansatz der Plattform, der viel Freiraum für ein zukunftssicheres Wachstum bietet. Den größten Vorteil bietet die starke und innovative Entwickler-Community, die hinter Raspberry Pi steht. Die Software der Raspberry Pi Community kann auch auf unserer industriellen Hardware Pi-Tron und PiXtend verwendet werden. Die Community stellt viele Softwarebeispiele sowie bereits fertig übersetzte Programmpakete kostenlos zum Download bereit. Das bietet eine enorme Zeitersparnis bei der Entwicklung, da bereits eine Basis verfügbar ist, auf der aufgesetzt werden kann. Auch ist eine rasche Migration vom Raspberry-Pi-Prototyp zum Serienprodukt möglich. Automation-Line AL Pi-Tron CM4 sowie PiXtend PRO, stehen jeweils in einem für die Hutschienenmontage geeigneten Gehäuse zur Verfügung und sind zudem für Industrieanwendungen im Schaltschrank prädestiniert. Die Verdrahtung erfolgt direkt im Gerät oder im Schaltschrank.

Was zeichnet die Raspberry-Pi-Produkte von Kontron aus?

Holger Wußmann: Die Produktlinien Pi-Tron und PiXtend bieten Lösungen für anspruchsvolle Industrieprojekte mit Raspberry Pi. Beide vereinen die Vorteile der Raspberry-Pi-Hardware und der Community Software.

Pi-Tron CM4 überzeugt mit dem Compute-Modul der vierten Generation und bietet mit dem Broadcom BCM2711 einen deutlich schnelleren Prozessor als die vorherige Generation der Raspberry Pi Foundation. Je nach Variante verfügt das Board über deutlich mehr Arbeitsspeicher und bietet zusätzlich die Option auf eine vorzertifizierte WLAN/Bluetooth-Verbindung. Individuelle AI-Lösungen für Machine Vision und Machine/Deep Learning können mit dem Google Coral AI Chip oder den sehr leistungsfähigen Hailo-8-AI-Modulen verwirklicht werden. Die FD-fähige CAN-Bus-Schnittstelle gewährleistet eine höhere Datenübertragungsrate und mehr Effizienz. Über ein Adapterboard lässt sich optional ein LVDS-Display anschließen und der Raspberry-Pi-Standard 40-PIN GPIO Header ist für Erweiterungen verfügbar. Zudem ermöglicht eine HDMI-Buchse bei Pi-Tron CM4 die Verwendung von Standard-Anzeigengeräten. Pi-Tron ist für die SoftSPS CODESYS geeignet.

Im industriellen Umfeld zeichnen sich die elektronischen Steuerungen PiXtend mit einem breiten Spektrum an digitalen und analogen Kanälen und Schnittstellen aus. Durch die flache, breite Bauform, die industriellen E/As und die Standard-Printklemmen eignen sich diese Module perfekt für die Automationstechnik und den Gebäudesektor.

Die PiXtend-Steuerungen basieren auf dem leistungsfähigen Single-Board-Computer der Raspberry Pi Foundation. PiXtend V2 ist mit dem RPI 3 B+ Broadcom BCM 2837B0 und PiXtend V2 Pi 4 ist mit dem RPI 4 B Broadcom BCM2711, dem leistungsfähigsten Prozessor der Raspberry Pi Foundation, verfügbar. Die Steuerungen sind in den gängigen Programmsprachen wie C oder Python programmierbar und für die Verwendung der SoftSPS CODESYS geeignet. Steuerelemente, Diagramme und Anzeigen lassen sich mit der integrierten CODESYS-Webvisualisierung darstellen. Die Baugruppen lassen sich ganz einfach durch PiXtend eIO, einem per Modbus anschließbaren I/O-System für digitale und analoge Sensoren und Aktoren, erweitern. Alle Steuerungsbaugruppen und Module sind als Komplettgeräte mit Hutschienengehäuse verfügbar.

Dadurch, dass Pi-Tron sowie auch PiXtend mit der SoftSPS CODESYS, dem Standard in der Industrieautomation, ausgerüstet werden können, sind beide für alle Anwendungen bestens gerüstet, die eine speicherprogrammierbare Steuerung erfordern.

Die Steuerungen aus der PiXtend-Linie finden ihre hauptsächliche Anwendung im Maschinen- und Gerätebau.
Die Steuerungen aus der PiXtend-Linie finden ihre hauptsächliche Anwendung im Maschinen- und Gerätebau. (Bild: Kontron Electronics)

Wo bzw. in welchen Anwendungsbereichen werden die Raspberry-Pi-Produkte von Kontron hauptsächlich eingesetzt?

Holger Wußmann: Wir haben zwei Pi-basierte Produktlinien - Pi-Tron- und PiXtend. Die Pi-Tron-Produkte sind aufgrund ihrer vielfältigen Kommunikationsschnittstellen und der schmalen Bauform besonders für Kommunikations- und Gateway-Anwendungen geeignet. Dazu gehören beispielsweise die Zutrittskontrolle für öffentliche Gebäude und den Einzelhandel, wie Kameras oder Türöffner. Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind Maschinen-Gateways in IoT-Anwendung zur Auswertung von Maschinendaten in einem Leitsystem.

Die Steuerungen aus der PiXtend-Linie finden ihre hauptsächliche Anwendung im Maschinen- und Gerätebau. Beispiele sind unter anderem die Steuerung von Chemielaborgeräten und Ladestationen für Batterien im Bahntechnikumfeld (für Funkgeräte auf Rangierbahnhöfen). Aufgrund der Onboard-Printklemmen ist die Verdrahtung von Sensorik und Aktorik schnell und kostengünstig zu realisieren. Ergänzt werden die Baugruppen durch PiXtend eIO, einem per Modbus anschließbaren I/O-Erweiterungssystem für digitale und analoge Sensoren und Aktoren.

Sind die Raspberry-Pi-Produkte auch für KI-Projekte vorgesehen?

Holger Wußmann: In der Standardkonfiguration sind unsere Pi-Produkte nicht für KI-Anwendungen ausgestattet. Dennoch sind sie eine gute Ausgangsbasis für diese Anwendungen. Mit dem M.2-Interface ist der Pi-Tron CM4 beliebig erweiterungsfähig, beispielsweise auch mit KI-Modulen. Kontron bietet hierfür den Google-Coral-Chip an. Für sehr anspruchsvolle Applikationen arbeitet Kontron mit dem israelischen KI-Spezialisten Hailo zusammen. Somit können wir lauffähige KI-Applikationen aufbauen und bieten auf Anfrage kundenspezifische Entwicklungen an.

Wie hat der Raspberry Pi den Sprung in die Industrie geschafft? Welcher Maßnahmen bedarf es z. B. hinsichtlich Gehäuse- und Kühlkonzept für den industriellen Einsatz und welcher Temperaturbereich lässt sich realisieren?

Holger Wußmann: Die Nachfrage nach Raspberry Pi ging in erster Linie von den Entwicklern der Kunden aus. Vielfach realisieren sie Funktionsmuster oder Prototypen auf Basis des Standard-Raspberry-Pi und investieren dabei bereits spürbare Zeitkontingente in die Softwareentwicklung. Beim Übergang in die Serie stellt sich die Frage, wie die Investitionen in die Software mitgenommen werden kann. Über Maßnahmen im Temperaturmanagement, bei der Gestaltung von Gehäusen und industriegerechter Peripherie ermöglichen wir, Raspberry-Pi-Hardware auch in industriellen Serienprodukten einzusetzen. Unsere Produkte sind so gestaltet, dass ein Maximum der verwendeten Bauteile von der Community Software bereits unterstützt wird.

Der Temperaturbereich der Produkte BL Pi-Tron CM4 und Pi-Tron CM3+ erstreckt sich von 0 bis 55 °C. Die Automation Line AL Pi-Tron CM4 im Gehäuse eignet sich für den universellen Einsatz und ist für Industrieanwendungen prädestiniert.

Die Produkte aus der Linie PiXtend V2 Pi 4 im Hutschienengehäuse aus Aluminium mit passiver Kühlung sind ausgelegt für eine max. Umgebungstemperatur von 0 bis 50 °C. Sie sind geeignet für den industriellen Einsatz.

Mit dem M.2-Interface ist der Pi-Tron CM4 beliebig erweiterungsfähig, beispielsweise auch mit KI-Modulen.
Mit dem M.2-Interface ist der Pi-Tron CM4 beliebig erweiterungsfähig, beispielsweise auch mit KI-Modulen. (Bild: Kontron Electronics)

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Welche zukünftigen Aktivitäten sind im Bereich Raspberry Pi bei Kontron geplant?

Holger Wußmann: Unsere Solution Toolbox sieht für andere Prozessorplattformen immer die Kombination aus Prozessormodul (SoM), Single-Board-Computer, Hutschienenmodul und Touchdisplay vor. Somit ist die nächste logische Ergänzung im Bereich Raspberry Pi ein industrietaugliches Display. Wir beginnen hier mit der 7-Zoll-Variante. Weitere Ideen haben wir bereits, aber diese sind noch nicht ganz ausgereift.

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