In absoluten Zahlen haben sich in Deutschland die Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung zwischen 2005 und 2009 von 55,7 auf 67 Milliarden Euro pro Jahr und somit um annähernd 17 % erhöht . Für 2010 ist mit einer weiteren Steigerung auf 69,8 Milliarden Euro zu rechnen. Aktuellere Zahlen liegen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nicht vor. Aber unabhängig von den absoluten Zahlen werden in Deutschland rund zwei Drittel aller Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) von der Wirtschaft finanziert. Bei Betrachtung der Branchen wird dabei deutlich, dass bei Forschungsaktivitäten, die durch die Wirtschaft finanziert werden, insbesondere der Fahrzeugbau das Schwergewicht ist: Knapp 40 % der FuE-Aufwendungen wurden im Jahr 2009 hier investiert. Es folgten die Elektrotechnik (12 %), die pharmazeutische Industrie (10 %) und der Maschinenbau (9 %). Die Forschungsintensität der deutschen Wirtschaft ist auch regional unterschiedlich. Am intensivsten wird im Süden geforscht. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen haben hier eine dominante Stellung. Gründe für die Stärke des Südens sind unter anderem die hohe Konzentration FuE-intensiver Industrien wie dem Automobilbau sowie führende Technologiezentren, die für die innovationspolitische Bedeutung der jeweiligen Region ausschlaggebend sind. 2010 sind rund 65 % der FuE-Ausgaben an das verarbeitende Gewerbe geflossen. Die bedeutendsten Teilgruppen sind dabei Unternehmen des Fahrzeugbaus sowie der Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten und -Einrichtungen, Elektrotechnik und Maschinenbau.
Fraunhofer-Institute geben wichtige Impulse
Die bekanntesten und aktivsten Quellen für anwendernahe Forschung sind die Fraunhofer-Institute. Das gilt nicht nur für konsumernahe Technologien wie dem MP3-Codec, sondern auch für die Automatisierung. Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) in Dresden hat beispielsweise die Scannertechnologie Linscan entwickelt, die bei der Aufnahme von Bildinformationen schnell zwischen Zielpositionen wechseln kann. Dies ermöglicht es, die Geschwindigkeit des Scanvorgangs dynamisch anzupassen. So ausgestattete 3D-Kameras bieten eine höhere Auflösung und könnten Roboter der nächsten Generation dazu verhelfen, ihre Umgebung besser zu verstehen und schärfer zu sehen. „Die Scannerarchitektur ist eine Scantechnologie für 3D-Kameras, die das menschliche Visualisierungssystem imitiert“, erläutert Thilo Sandner, Chefentwickler am Fraunhofer IPMS. „Linscan befähigt den Roboter dazu, sein Umfeld abzusuchen und interessante Objekte mit größerer Genauigkeit aufzulösen.“
Das Linscan-Bauteilkonzept besteht aus zweidimensional beweglichen, monolithischen Mems-Scannerspiegeln. Sie sind mit einem resonanten Antrieb mit definierter Frequenz kombiniert. In der schnellen horizontalen Achse kommt eine variable, quasi-statische Auslenkung auf der vertikalen Achse hinzu. Dies ermöglicht eine Bildaufnahme mit flexibler Abtastgeschwindigkeit und somit ein Scannen mit angepasster Auflösung.
Die Linscan-Technologie baut auf der am Fraunhofer IPMS für resonante Mikroscanner entwickelten Fertigungstechnologie auf. Das Fraunhofer-Insitut stellt die Bauelemente in einem Mikrosystemreinraum in einem volumenmikromechanischen Fertigungsprozess her. Alle mechanischen Komponenten entstehen als zweidimensionale Strukturen in einer Schicht aus einkristallinem Silizium. In einem Waferbondprozess mit einem zweiten strukturierten Silizium-Wafer werden die vertikalen Kamm-Elektroden durch Vorauslenkung aus dem Substrat und anschließende Fixierung durch den Waferbond hergestellt. Die vertikalen Elektroden werden hierbei durch mechanische Festkörpermechanismen geführt, von Fertigungstoleranzen ausreichend mechanisch entkoppelt und so exakt zueinander ausgerichtet.
Um das Prinzip der Foveation, also das grobe Absuchen nach im Sichtfeld auftauchenden Objekten, das Erkennen der gesuchten Objekte sowie die Aufnahme dieser Objekte mit größerer Auflösung in einem Kamerasystem für Sicherheitsanwendungen und Robotik umzusetzen, hatte sich das Fraunhofer IPMS im Rahmen des Europäischen Verbundforschungsprojektes ‚Taco‘ mit vier weiteren Forschungseinrichtungen und zwei Industrieunternehmen zusammengetan: die Technikon Forschungs- und Planungsgesellschaft, die Shadow Robot Company Limited, Oxford Technologies, die Technische Universität Wien, Stiftelsen Sintef und das Unternehmen CTR Carinthian Tech Research. Gemeinsam arbeiten die Partner daran, die Scannertechnik mit einer dreidimensionalen Objektvermessung, basierend auf einer Laufzeitmessung (Time-of-Flight – TOF) sowie Software in einem Kamerasystem zu kombinieren, um Objekte schneller zu erfassen und das Umweltverständnis zu verbessern.
Unternehmen fördern Kooperationen
Aber nicht nur die Fraunhofer-Institute sind für ihren Forscherdrang berühmt. Auch die Unternehmen des Maschinenbaus und der Elektronikindustrie investieren in Forschung und Entwicklung, der Maschinenbau zusammengenommen rund 3 % seines Umsatzes, die Elektronikindustrie sogar 10 %. Die Unternehmen forschen aber schon lange nicht mehr versteckt im hauseigenen Unternehmenskeller, sondern gehen vermehrt Kooperationen ein und öffnen sich nach außen, um ihre Forschung voranzutreiben. Ein Beispiel ist der Messtechnikhersteller Krohne. Er eröffnete Mitte diesen Jahres einen Entwicklungsstandort auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum. Die neuen Räume im Technologiezentrum Ruhr (TZR) bezog das neu gegründete Unternehmen Krohne Innovation, eine 100%ige Tochtergesellschaft. Die Tochtergesellschaft wird Teile der Produktentwicklung übernehmen und neue Lösungen für die Prozessmesstechnik erarbeiten. In diesem Rahmen soll sie auch die Kooperation mit den Lehrstühlen der Ruhr-Universität stärken. Außerdem verspricht sich das Unternehmen einen Vorteil bei der Nachwuchssicherung, indem interessierte Studierende frühzeitig angesprochen werden.
Die Ruhr-Universität Bochum hat sich, beginnend mit ersten Kooperationen mit Krohne in den 1970er Jahren, inzwischen zum wichtigsten Forschungs- und Entwicklungspartner des Messtechnikherstellers mit Sitz in Duisburg entwickelt. Das Unternehmen unterhält enge Beziehungen zu mehreren technischen Lehrstühlen der Ruhr-Universität. Zahlreiche Projekte, zum Beispiel im Bereich der elektronischen Schaltungstechnik und der Hochfrequenztechnik, zeigen, wie sich die universitäre Forschung anwendungsnah gestalten lässt. „Hier gewinnen beide Seiten: Für die Studenten ergeben sich spannende wissenschaftliche Aufgaben mit echter Praxisrelevanz. Wir erzielen durch Kooperationen mit den Lehrstühlen einen Gewinn an Know-How, der in zukünftige Produktentwicklungen einfließen kann“, kommentiert Ingo Wald, einer der beiden Geschäftsführer der Krohne Innovation. Bis Ende 2012 werden rund 30 Mitarbeiter die neuen Büros und Labore im TZR beziehen und dort die Arbeiten an neuen Produkten im direkten Austausch mit der Universität intensivieren.
(mf)