
Bild 8: Ein 52 GBaud PAM4-Signal, erzeugt von einem BERT M8040A, erfasst mit einem Oszilloskop DSAZ634A. (Bild: Keysight)

Bild 1: Ein hochgenaues PAM4-Signal, geliefert von einem Bitfehlerratentester M8040A und analysiert mit einem Infiniium-Oszilloskop DSAZ634A. Keysight
Ein grundsätzliches Problem bei der Charakterisierung von Signalen mit mehrpegeliger Modulation hängt damit zusammen, dass das Amplitudenrauschen einen stärkeren Einfluss auf das BER-Limit haben kann als herkömmliches Phasenrauschen (Jitter). Das erkennt man deutlich an dem in Bild 2 gezeigten PAM4-Signal, das eine relativ geringe Kanaldämpfung von lediglich 15 dB erfahren hat. Die Augenöffnung ähnelt einer flachen Scheibe. Das bedeutet, dass in diesem Fall das vertikale Rauschen (hier als Sigma-e bezeichnet) die Bitfehlerrate stärker beeinflusst als der Jitter. Diese vertikale Augenverengung lässt sich weitgehend kompensieren. Aktuelle Datenkommunikationsstandards schreiben üblicherweise eine adaptive Referenzentzerrung vor, die den negativen Einfluss der Kanaldämpfung auf die Signalqualität verringert.
Die mit Charakterisierung und Test des Physical Layers befassten Fachleute haben im Laufe von Jahrzehnten die Methoden zur Zerlegung von Jitter in seine Bestandteile (zufällig, deterministisch, periodisch und begrenzt-unkorreliert) immer weiter perfektioniert. Entwickler haben heute Messgeräte zur Hand, die die genaue Zusammensetzung des Jitters anzeigen und es ihnen ermöglichen, anhand dieser Daten informierte Design-Entscheidungen zu treffen. Diese Tools ermöglichen es, den Ursachen von Problemen auf den Grund zu gehen, und beschleunigen das Physical-Layer-Debugging und PHY-Konformitätstests signifikant.

Bild 2: Augendiagramm eines PAM4-Signals nach Durchlaufen eines Kanals mit einer Dämpfung von 15 dB (maximal zulässige Dämpfung laut 802.3cd-Interim-Spezifikation: 33 dB). Keysight
Aktuelle Tools zur Charakterisierung von Rauschen und Interferenzen (Bild 3) bieten zuverlässige Methoden zur Dekompostion der Rauschkomponenten und ermöglichen es Entwicklern, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, wenn das Zufallsrauschen (RN), periodische Interferenzen (PN) oder deterministische Interferenzen (DI) die zulässigen Grenzwerte überschreitet.
Weil Interferenz-/Rauschanalysen im Hinblick auf die BER-Grenzwerte in den aktuellen Standards für Hochleistungs-Kommunikationssysteme eine wichtige Rolle spielen, muss man sorgfältig prüfen, ob die bisher zur Analyse der Signalkonformität verwendeten Messgeräte den neuen Anforderungen genügen. Angesichts der engen Rauschgrenzwerte aufkommender Standards sind insbesondere das Eigenrauschen, die Erfassungsbandbreite und der Dynamikbereich der verwendeten Messgeräte wichtige Aspekte bei der Charakterisierung des Physical Layers.
100G-Standards und IEEE-Spezifikationen
Die im IEEE-802.3cd-Standard festgelegten elektrischen Spezifikationen für 50, 100 und 200 GAUI (Gbit/s Attachment Unit Interface), geben einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden messtechnischen Anforderungen. Wie man Bild 4 entnehmen kann, hat das IEEE zahlreiche Signalqualitätsparameter zu sieben grundlegenden Signalisierungseigenschaften zusammengefügt. Dieser Artikel konzentriert sich hauptsächlich auf das SNDR (Signal-to-Noise-und-Distortion Ratio), weil bei solchen Messungen das Eigenrauschen der verwendeten Messgeräte besonders stark zum Tragen kommt.
Thema auf der nachsten Seite: SNDR-Spezifikationen.
SNDR-Spezifikationen

Bild 3: PAM4-Jitter- und Rauschen-Klassifizierung mit Keysight Advanced Jitter und Amplitude Analysis. Keysight
Das SNDR wird am Senderausgang gemessen, wobei die Sender in sämtlichen Lanes aktiv sind. Die Einstellungen aller Sender-Equalizer sind identisch und die nicht getesteten Lanes übertragen Aggressor-Muster.
Zur Berechnung des SNDR werden drei Parameter benötigt, die aus dem PAM4-Messsignal (QPRBS13) extrahiert werden: Pmax, Sigma-e (σe) und Sigma-n (σn). Die IEEE-Spezifikation verwendet zur Beschreibung der Methoden und der Bandbreiten einiger Messungen ein spezielles Vokabular. Dennoch lassen einige Messspezifikationen Raum für Interpretation. Je nachdem, wie man diese Mehrdeutigkeiten in der IEEE-Spezifikation interpretiert, erhält man mehr oder weniger gute Messergebnisse.
Pmax ist das extrahierte Maximum der Pulsantwort (Bild 5). Die Messgerätespezifikationen für diese Messung gehen sehr ins Detail und schreiben eine Bandbreite von 33 GHz mit Bessel-Thomson-Charakteristik vierter Ordnung (4BT) vor. Nicht spezifiziert ist, wie weit man dem Abfall der Bessel-Thomson-Kurve jenseits der Grenzfrequenz folgen soll, hier sind best practices gefragt. Es wird jedoch empfohlen, mindestens bis zum -6-dB-Punkt zu folgen, um Messgeräte-induziertes Überschwingen zu minimieren, das entsteht, wenn das Signal Frequenzkomponenten jenseits der Grenzfrequenz des Erfassungssystems enthält. Deshalb benötigt man typischerweise ein Messgerät mit einer Erfassungsbandbreite von über 50 GHz.
Wie aus Bild 5 ersichtlich ist, kann die Erfassungsbandbreite (BW) das gemessene Maximum der Pulsantwort beeinflussen. Das nach IEEE-Spezifikation (33 GHz 4BT) gemessene Maximum beträgt in diesem Fall 473 mV; bei einer Erfassungsbandbreite von 19,5 GHz beträgt es nur 465 mV. Die Bandbreite von 19,5 GHz dient in diesem Beispiel nur dazu, die Abhängigkeit des Messergebnisses von der Erfassungsbandbreite zu demonstrieren. Umgekehrt hätte eine größere Bandbreite als 33 GHz eine steilere Pulsantwort und ein höheres Maximum zur Folge. Man beachte, dass die OIF-CEI-Spezifikationen eine Erfassungsbandbreite von 40 GHz 4BT vorschreiben und in diesem Punkt von den IEEE-Spezifikationen (33 GHz 4BT) abweichen.
Sigma-e (σe) ist die Standardabweichung des linearen Anpassungsfehlers der erfassten Pulsantwort. Für Sigma-e sind keine Messgeräte-Spezifikationen vorgegeben; auch hier sind best practices anzuwenden. Viele Fachleute interpretieren die Gleichung dahingehend, dass Sigma-e mit der gleichen Erfassungsbandbreite zu messen ist wie Pmax – obwohl die aktuellen 802.3bs-Spezifikationen das nicht vorschreiben. Mit Blick auf das Ziel, das SNDR zu maximieren, sollte Sigma-e so weit minimiert werden, wie die Spezifikationen es erlauben.
Betrachtet man die Empfängerseite (Rx) der Verbindung und insbesondere das in den Channel-Operating-Margin-(COM)-Spezifikationen beschriebene RX-Modell, stellt man fest, dass die Bandbreite der RX-Modelle durch ein Butterworth-Filter auf 3/4 der Symbolrate, nämlich 19,5 GHz, begrenzt ist. Deshalb wurde auch für die Vergleichsmessung (Bild 5) diese Frequenz gewählt.
Aus der Definition des Empfänger-Rauschfilters ergibt sich für die Sigma-e-Erfassungsbandbreite eine untere Grenze von 19,5 GHz und eine obere Grenze von 33 GHz. Natürlich ist es vorteilhaft, hochfrequentes Rauschen oder Verzerrungen bei der Berechnung des linearen Anpassungsfehlers weitestgehend zu minimieren. Es ist einfacher, eine lineare Anpassung auf ein Signal anzuwenden, das nur relativ niedrige Frequenzkomponenten enthält, als auf eines, das Harmonische höherer Ordnung enthält. Um bei dem Beispiel von Bild 5 zu bleiben: Bei einer reduzierten Bandbreite von 19,5 GHz 4BT ist der lineare Anpassungsfehler um 4,8 Prozent kleiner als bei 33 GHz 4BT (8,084 mV versus 8,5 mV).
Sigma-n (σn): Mit dem gleichen Transmitter-Equalization-Setup wie für σe wird in Abständen von jeweils 8 UI die mittlere Spannung an einem festen Punkt in dem Testmuster gemessen. Die effektive Abweichung wird für jeden der PAM4-Pegel gemessen, und der Mittelwert der vier Messwerte σn. Bezüglich der Erfassungsspezifikationen sind auch hier wieder best practices angesagt. Intuitiv ist klar, dass man von einer Reduktion der Erfassungsbandbreite (und entsprechend geringerem Eigenrauschen) profitieren würde. Auch hier bietet sich wieder die Mindest-Bandbreite für das Rx-Modell an, nämlich 19,5 GHz 4BT.

Bild 6: Automatisches PAM4-SNDR-Konformitätstestsystem, bestehend aus Keysight 86100D DCA-X plus N1085A PAM4-Analysis. Keysight
σn und σe Zusammenfassung: Das von der IEEE-Spezifikation vorgeschriebene Mindest-SNDR von 33 dB ist sehr hoch. Das bedeutet, dass nur noch eine winzige Marge für messgeräteinduzierte Fehler- und Rauschbeiträge übrigbleibt. Um die Spezifikation zu erfüllen, muss der Wert von Pmax in der SNDR-Gleichung maximiert werden, und die messgeräteinduzierten Beiträge zu den Werten von Sigma-e und Sigma-n müssen minimiert werden. Mit fortschreitender Empfängertechnologie (größerer Dynamikbereich) und verbesserter Handhabung verrauschter Signale sind auch größere SNDR-Werte zu erwarten. Wenn man sich die teils beabsichtigten Interpretationsspielräume und unvollständig beschriebenen Messbedingungen in den Spezifikationen genau anschaut und sie versteht, kann man sich für diejenigen best practices entscheiden, mit denen man die besten SNDR-Ergebnisse erhält.
Auf der nächsten Seite stehen SNDR-Messungen im Mittelpunkt.
SNDR-Messungen
Die Ausgestaltung der Senderspezifikationen und der entsprechenden Rauschmessungen legt nahe, für diese Messungen ein Oszilloskop zu verwenden, da Messhistogramme in hohem Maße vom Symbolmuster abhängig sind und kaum auf andere Weise ermittelt werden können.
Für die meisten Kommunikations-Testanwendungen sind Äquivalentzeit-Messgeräte (Sampling-Oszilloskope wie das 86100D DCA-X) seit jeher das Tool der Wahl, weil sie kostengünstig, breitbandig und – vor allem – außergewöhnlich rauscharm sind. Bei Verwendung solcher Messgeräte ist gewährleistet, dass Sigma-n-Messungen nur minimal durch Eigenrauschen des Messgeräts verfälscht werden. Das Eigenrauschen solcher Messgeräte liegt in der Größenordnung von 700 µV und ist damit bis zu 5x geringer als das vergleichbarer Echtzeit-Oszilloskope.
Es ist ein breites Angebot an vollautomatischen, technologiespezifischen Analyse- und Konformitätstest-Tools (Bild 6) verfügbar, die diese komplexen Messungen einschließlich Rauschdekomposition stark vereinfachen und konsistente Ergebnisse gewährleisten. Diese Tools ersparen es, sich allzu tief in die Spezifikationen einarbeiten zu müssen.
Echtzeit-Oszilloskope wie das DSAZ634A, die Äquivalentzeit-Oszilloskopen in diesen Anwendungen Paroli bieten können, sind relativ neu. Einige der neuesten Echtzeit-Oszilloskope bieten vergleichbare Erfassungsbandbreiten wie Sampling-Oszilloskope plus einzigartige Vorteile wie zum Beispiel Software-basierte Taktrückgewinnung, unterbrechungsfreie Signalanalyse und größeren Bedienungskomfort.

Bild 7: Automatisches PAM4 SNDR-Konformitätstestsystem, bestehend aus Keysight DSAZ634A plus PAM4-Analysis. Keysight
Bei dem 63 GHz Echtzeit-Oszilloskop DSAZ634A (Bild 7) wurde durch gezielte Maßnahmen eine sehr hohe Genauigkeit bei SNDR-Messungen erreicht. Das Gerät kann es in dieser Hinsicht mit vergleichbaren Äquivalentzeit-Oszilloskopen aufnehmen.
Es liefert nahezu die gleichen SDNR-Werte wie das Sampling-Oszilloskop 86100D DCA-X (Bild 6). Zwar unterscheiden sich die Eigenrauschpegel der beiden Geräte, doch wurden bei der Entwicklung interne Rausch- und Fehlermechanismen genau charakterisiert und deren Komponenten zerlegt, um eine maximale Übereinstimmung der Messergebnisse mit denen eines Äquivalentzeit-Oszilloskops zu erzielen.
Ein Echtzeit-Oszilloskop bietet einzigartige Vorteile. Es ermöglicht beispielsweise, ein Signal mit vollständig geschlossenen Augen zu erfassen, es mit einem Referenz-Equalizer oder einer Kombination aus CTLE-, FFE- oder DFE-Modellen zu entzerren, den Takt algorithmisch (per Software) aus dem Signal zurückgewinnen und danach die gewünschten Messungen durchzuführen. Ein Entwickler, der wissen möchte, wie das gleiche Signal auf unterschiedliche Equalizer- oder Messbandbreiten-Einstellungen reagiert, braucht das Signal nur ein einziges Mal zu erfassen und kann dann iterativ Messungen durchführen. Bei SNDR-Messungen kann man selektiv die Erfassungsbandbreiten für Sigma-e und Sigma-n auf minimales Rauschen und minimalen Anpassungsfehler optimieren und Pmax bei einer anderen (größeren) Bandbreite berechnen lassen. Aufgrund dieser enormen Flexibilität werden Echtzeit-Oszilloskope immer häufiger für Datenkommunikationsmessungen verwendet. Der Anwender kann entscheiden, welche der beiden Oszilloskop-Architekturen seine derzeitigen und künftigen Anforderungen an Signalintegritätsmessungen am besten erfüllt.

Bild 8: Ein 52 GBaud PAM4-Signal, erzeugt von einem BERT M8040A, erfasst mit einem Oszilloskop DSAZ634A. Keysight
Es besteht Handlungsbedarf
Seit jeher ist es schwierig, Datenkommunikationsspezifikationen zu strukturieren und mit genauen und schnellen Messverfahren zu verbinden. Der Standardisierungsprozess muss mehrere Testlösungsarchitekturen einbeziehen und darauf abzielen, Mehrdeutigkeiten im Messprozess zu eliminieren. Letzteres gilt insbesondere in Bezug auf die Charakterisierung des Eigenrauschens der verwendeten Messgeräte.
Die Einbeziehung mehrere Testarchitekturen macht verbesserte De-Embedding- und Devolutionsmethoden erforderlich, um die Verfälschung der Messergebnisse durch das Eigenrauschen der unterschiedlichen Messgeräte minimieren zu können. Das ist besonders wichtig unter dem Aspekt, dass die aktuellen Roadmaps für Datenkommunikationstechnologien mit höheren SNDR-Werten planen, als sie heute üblich sind.
ECK-DATEN
Modulationsverfahren höherer Ordnung – also solche, die mit mehr als zwei diskreten Spannungspegeln arbeiten – wie zum Beispiel PAM4 bringen neue Herausforderungen bei der Signalanalyse und beim Debugging mit sich. Während man bisher lediglich das Phasenrauschen (Jitter) in seine deterministischen, zufälligen und begrenzt-unkorrelierten Komponenten zerlegen musste, muss man das gleiche jetzt auch noch mit dem Amplitudenrauschen tun. Standards für 100G/400G-Datenkommunikation fordern eine genaue Jitter- und Interferenz/Rauschen-Klassifizierung; nur so lassen sich komplexe Konformitätsprobleme lösen, für die Systeme mit hochentwickelten Halbleiterbauelementen und starker Kanaldämpfung anfällig sind.
Rick Eads
(jj)
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