Mit der Elektromobilität erlebt auch der Markt für Li-Ionen-Akkus ein explosionsartiges Wachstum. Die Zellen müssen dabei immer höhere Kapazität und bessere Leistung aufweisen. Entscheidendes Qualitätsmerkmal für die Auswahl von Zellen ist dabei eine geringe Selbstentladung. Bisher benötigte die Prüfung der Selbstentladung eine enorme Zeit und ging dadurch mit erheblichen Kosten einher. Mit einem neuen Messansatz geht diese Messung nun deutlich schneller.
Selbstentladung als zentraler Faktor
Li-Ionen-Zellen verlieren mit der Zeit ihre Ladung, und zwar auch ohne angeschlossene Last. Bild 1 zeigt ein Ersatzschaltbild für die Selbstentladung einer Zelle: Durch den physikalisch bedingten Zelleninnenwiderstand RSD fließt ein zellinterner Selbstentladestrom ISD. Wenngleich dieser Strom recht klein ist (µA-Bereich), entlädt er die Zelle im Verlauf von Wochen und Monaten, wodurch die Zellenspannung VCELL allmählich sinkt.
Ein gewisses Maß an Selbstentladung aufgrund der chemischen Reaktionen in der Zelle ist normal. Allerdings führt der Verlust gespeicherter Energie zu einer geringeren Kapazität der Zelle als erwünscht. Werden Zellen zu einer Batterie zusammengeschaltet, führt die unterschiedliche Selbstentladung zu einem unerwünschten Ungleichgewicht im Zellenverbund.
Eine weitere Ursache von Selbstentladung können Leckströme in der Zelle sein, die durch Verunreinigungen oder die Bildung von Dendriten entstehen. Solch ein Zustand ist nicht normal, weshalb Zellen mit erhöhter Selbstentladung besonders anfällig für einen vorzeitigen Ausfall sind.
Daher ist es wichtig, sowohl bei der Entwicklung, als auch in der Produktion die Selbstentladung von Li-Ionen-Zellen zu messen und zu bewerten. Während es in der Entwicklung oberstes Ziel ist, mögliche Ursachen einer Selbstentladung zu vermeiden, muss die Produktion Zellen mit erhöhter Selbstentladung möglichst früh vom Fertigungsprozess aussondern.
Geringere Verluste verlängern die Messdauer
Die einfachste Art zur Bestimmung der Selbstentladung einer Zelle ist die Beobachtung der Klemmenspannung ohne angeschlossene Last über die Zeit (OCV, open circuit voltage). Nachteil dieser Messmethode beispielsweise per Digitalmultimeter ist die dazu erforderliche Zeit, denn es braucht eine halbe Ewigkeit, die Selbstentladung einer Zelle aus der Änderung ihrer Klemmenleerlaufspannung ableiten zu können.
Verglichen mit chemisch anders konstruierten Zellen haben Li-Ionen-Akkus eine eher geringe Selbstentladung. Typischerweise verlieren sie etwa 0,5 bis ein Prozent ihrer Ladung pro Monat. Weil ISD so klein ist (typischerweise wenige hundert Mikroampere, je nach Zellgröße), fällt die unbelastete Zellenspannung nur sehr langsam ab. Es dauert daher Wochen und Monate, bis eine nennenswerte Verringerung des Ladungszustandes erkennbar ist, sadass sich gute Zellen mit niedriger Selbstentladung von schlechten Zellen mit hoher Selbstentladung deutlich unterscheiden lassen.
Herkömmliche Messmethode mit Schwächen
Es ist eine Herausforderung für Entwicklungsingenieure, Hersteller und Anwender, die Selbstentladung ihrer Zellen mittels Messung der Klemmenspannung zu messen. Insbesondere nehmen mehrere solcher Messungen verteilt über Wochen und Monate einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklungszeit. Während dieser Zeit müssen die Ingenieure die Zellen unter temperaturkontrollierten Bedingungen lagern, denn die Zellenspannung ändert sich auch mit der Temperatur. Dieses Verfahren verzögert nicht nur den Entwicklungszyklus, sondern auch die Zeit bis zum Markteintritt. Braucht man mehrere Entwicklungszyklen, vervielfacht sich die Testzeit entsprechend. So kann eine zu lange Zeit bis zur ersten Auslieferung eines neuen Designs zum Verpassen des Marktfensters führen und möglicherweise ein Verlust von Marktanteilen an Mitbewerber bedeuten.
In der Produktion verlängert die Charakterisierung der Selbstentladung den Herstellungsprozess, denn viele Zellen sind gleichzeitig über eine längere Zeit zu lagern. Mit Zellen größerer Kapazität ist dieser Effekt noch schlimmer. Sie sind nicht nur teurer als kleinere Zellen, es dauert auch länger, ihre Selbstentladung zu messen. Erhebliches Kapital ist für längere Zeit gebunden.
Das potentiostatische Messverfahren
Genauer und weniger zeitraubend als die Leerlaufspannungsmessung ist ein direktes Messen des Selbstentladestrom ISD. Das potentiostatische Messverfahren (Bild 2) bewertet die Selbstentladung von Akkuzellen unter statischer Belastung.
Strom (Ampere) ist gleich Ladung (Coulomb) pro Zeit (Sekunde). Hier bedeutet dies Ladungsverlust über einen bestimmten Zeitraum. Diese Art der Selbstentladestrommessung dauert nur wenige Stunden. Zellen mit einer inakzeptabel hohen Selbstentladung sind sogar typischerweise nach weniger als einer Stunde erkennbar.
Bei der potentiostatischen Methode wird der zu testenden Zelle eine hochstabile, rauscharme Gleichspannungsquelle parallel geschaltet, welche genau auf die Klemmenspannung eingestellt ist. Das zwischengeschaltete Mikroamperemessgerät erfasst nun den Nachladestrom, der aus der Gleichspannungsquelle in den Akku hineinfließt, wenn dieser durch Selbstentladung Ladung verliert. So behält die Zelle ihren Ladungszustand und damit ihre Klemmenspannung. Ist die Messanordnung im stationären Zustand, bleibt der von der Gleichspannungsquelle gelieferte Strom konstant und entspricht exakt dem Selbstentladestrom des Akkus.
Zeitsparende präzise Messtechnik für Entwickler
Keysight hat in Zusammenarbeit mit Entwicklern und Herstellern von Akkuzellen zwei neue Lösungen für die Messung der Selbstentladung entwickelt: das Selbstentladungsmesssystem BT2191A und den Selbstentladungsanalysator BT2152A. Beide Lösungen arbeiten nach dem potentiostatischen Messverfahren. Sie stellen stabile Ausgangsspannungen aufs Mikrovolt genau zur Verfügung und bieten dazu einige Funktionen für schnelle und genaue Messungen von Selbstentladeströmen.
Der BT2191A richtet sich primär an Entwicklungsingenieure und ermöglicht eine drastische Verringerung der Messzeit für die Messung des Selbstentladestroms einer Akkuzelle. Er misst den Selbstentladestrom direkt in einer erstaunlich geringen Zeit von ein bis zwei Stunden. Im Vergleich dazu dauert eine herkömmliche Messung der Akkuspannung an den Anschlussklemmen Wochen oder Monate. Damit verkürzt sich die Zeit für einen Entwicklungszyklus dramatisch, der Ingenieur kann das Verhalten und die Leistung einer Akkuzelle bezüglich der Selbstentladung optimieren und sein Produkt entscheidend schneller auf den Markt bringen.
Mehrkanal-Analysesystem mit hohem Durchsatz
Der Analysator BT2152A ist ein System für Hersteller von Li-Ionen-Zellen. Dieses Gerät kann gleichzeitig die Selbstentladung von bis zu 32 Zellen messen. Die Parallelmessung erhöht den Durchsatz ganz erheblich, vom Zeitgewinn durch das neue Messverfahren ganz zu schweigen. Noch wichtiger ist, dass das Gerät anhand des gemessenen Selbstentladestroms typischerweise in weniger als 30 Minuten zwischen guten und schlechten Zellen unterscheiden kann. All das bringt für einen Hersteller von Akkuzellen eine dramatische Verringerung des Materialbestands in der Produktion, des gebundenen Kapitals und der Kosten der Fabrikationsstätte. Bild 3 zeigt die Selbstentladeströme von acht gleichzeitig gemessenen Rundzellen des Typs 18650. Der Ausreißer mit hohen Selbstentladestrom ist nach wenigen Minuten identifizierbar (oberste grüne Kurve 1 in Bild 3).
Es ist wichtig, die Selbstentladung von Li-Ionen-Akkus zu prüfen. Zellen mit hoher Selbstentladung bergen die Gefahr eines vorzeitigen Ausfalls in sich und müssen umgehend von guten Zellen getrennt werden. Weiterhin ist die Ursache für entsprechend schlechte Zellen zu identifizieren und zu beseitigen, entweder im Design der Zelle oder im Herstellungsprozess. Die potentiostatischen Lösungen von Keysight geben Entwicklungsingenieuren und Herstellern ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie die Herausforderungen der Selbstentladungsmessung effizient angehen können. Diese Lösungen sparen dramatisch Zeit und Kosten und beschleunigen dadurch die Markteinführung erheblich.
(jwa)
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