MLCCs auf Bariumtitanatbasis kombinieren geringe Verluste mit hoher Kapazität und kleiner Bauform.

Ferroelektrische MehrschichtkeramikkondensatorenCCs besitzen eine spannungsabhängige Kapazität. auf Bariumtitanatbasis kombinieren geringe Verluste mit hoher Kapazität und kleiner Bauform. (Bild: Würth Elektronik)

Kondensatoren machen circa zwei Drittel aller passiven elektronischen Bauteile aus, und es gibt eine enorme Vielfalt an Technologien. Alle Kondensatoren speichern elektrische Energie in einem elektrischen Feld, das in einem dielektrischen Material erzeugt wird, und sie werden für sehr unterschiedliche Anwendungen wie Spannungsstabilität und Filterung eingesetzt. Die Art und Weise, wie das funktioniert, unterscheidet sich zwischen winzigen ferroelektrischen keramischen Mehrschichtkondensatoren (MLCCs) und riesigen Elektrolytzellen, von pF-Werten bis hin zu Hunderten von Farad bei Superkondensatoren.

MLCCs können dank ihrer ferroelektrischen Eigenschaften eine stabile elektrische Polarisation auch ohne ein äußeres elektrisches Feld aufrechterhalten. Sie besitzen also eine spannungsabhängige Kapazität. Würth Elektronik hat dieses Spannungskapazitätsverhalten in LTspice-Dateien implementiert.

Bild 1: Aufbau eines ferroelektrischen Mehrschichtkeramikkondensators.
Bild 1: Aufbau eines ferroelektrischen Mehrschichtkeramikkondensators. (Bild: Würth Elektronik)

Aufbau von MLCCs

Die Keramik eines ferroelektrischen Mehrschichtkeramikkondensators (MLCC – Multilayer Ceramic Chip Capacitor) wird aus Granulat von paraelektrischen oder ferroelektrischen Grundstoffen gesintert. Sie bildet das Dielektrikum des Kondensators. Die Elek-troden des Kondensators werden in einem Siebdruckverfahren aufgedruckt. So entsteht eine Schicht aus Keramik und Elektrode. Bei Keramik-Vielschichtkondensatoren sind mehrere dieser Schichten versetzt übereinander angeordnet. Die Anschlussflächen sind elektrisch leitend mit den Elektroden verbunden. (Bild 1).

Verhalten von MLCCs

MLCCs weisen ein spannungs- und frequenzabhängiges Verhalten auf, wie es in der Messdatenbank der Online-Design-Plattform REDEXPERT dargestellt wird. Würth Elektronik hat für die Beschreibung dieses Verhaltens ein Modell weiterentwickelt und in Spice öffentlich und frei verfügbar gemacht. Der Elektronik-Entwickler kann Dateien für keramische Vielschichtkondensatoren (MLCCs) in die Software laden, um so den Einfluss des Spannungs- und Frequenzverhaltens der MLCCs auf seine Schaltung zu simulieren. Das zugrunde liegende mathematische Modell, welches an anderer Stelle ausführlich beschrieben wird, ist besonders für die Implementierung in Simulationssoftware und für die Anpassung an ein großes Portfolio geeignet.

Welche physikalischen Vorgänge aber zu der spannungsabhängigen Kapazität führen, soll dieser Beitrag genauer beschreiben. Hierbei werden auch Fachbegriffe, die vielleicht nicht für jeden geläufig sind, wie Sättigungspolarisation oder Koerzitivfeld an Messungen erläutert.

Ferroelektrisches Verhalten

Eine wichtige dielektrische Eigenschaft, die Keramik aufweisen kann, ist die Ferroelektrizität. Dabei beschreibt die Ferroelektrizität die Eigenschaft eines Materials, ohne Anlegen eines elektrischen Feldes elektrische Dipole zu bilden. Ferroelektrizität tritt nur in Kristallen auf, die eine Elementarzelle ohne Symmetriezentrum, das heißt, eine nicht-zentrosymmetrische Form aufweisen.

In einem ferroelektrischen Material bilden alle direkten und indirekten Nachbarzellen die bereits erwähnten Dipole. Diese Dipole zeigen in dieselbe Richtung. Die Ausrichtung benachbarter Dipole entsteht durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen und ist ein Ergebnis der Energiereduktion: Das Ferroelektrikum ist bestrebt, eine Domänenkonfiguration zu erreichen, die die Gesamtenergie minimiert, während es sowohl elektrostatische als auch mechanische Randbedingungen erfüllt. In einem idealisierten System würden alle Dipole innerhalb eines kristallinen Materials in eine gemeinsame Richtung zeigen. Reale Materialien weisen jedoch immer kleine Fehler auf, wodurch die gemeinsame Orientierung der Dipole auf Bereiche beschränkt wird, die als Domänen bezeichnet werden. Die Größe der Domänen, die Kristallkonfigurationen an den Domänengrenzen und die Ausrichtung der Dipole innerhalb der Domänen beeinflussen die Polarisierbarkeit und damit die Permittivität des Materials, also seine Durchlässigkeit für elektrische Felder. Dies ist der Grund, warum MLCCs, die aus verschiedenen Rohstoffen hergestellt werden, ein unterschiedliches ferroelektrisches Verhalten aufweisen.

Oberhalb der Curie-Temperatur, die für jedes ferroelektrische Material spezifisch ist, wird diese gemeinsame Ausrichtung zerstört. In dieser Phase sind die Dipole zufällig ausgerichtet und weisen keine Domänenstruktur mehr auf. Unter diesen Bedingungen zeigt das Material paraelektrische Eigenschaften, es gibt also keine parallel ausgerichteten permanenten elektrischen Dipolmomente. Ferroelektrische Materialien zeigen auch immer bis zu einem gewissen Grad paraelektrisches Verhalten. Paraelektrizität kann auch durch chemische Zusätze hervorgerufen werden, die Defekte in die Kristallstruktur einführen und somit die Bildung von Domänen verhindern.

Bariumtitanat für MLCCs

Eine Verbindung, die zur Herstellung von MLCCs verwendet wird und eine nicht-zentrosymmetrische Struktur aufweist, ist Bariumtitanat. Bild 2 zeigt die Elementarzelle von Bariumtitanat, in der das positiv geladene Titanion bezüglich des Zentrums (in dieser Darstellung) leicht nach oben verschoben ist.

Bild 2: Konfiguration der Elementarzelle von Bariumtitanat unterhalb der Curie-Temperatur
Bild 2: Konfiguration der Elementarzelle von Bariumtitanat unterhalb der Curie-Temperatur. Das Titanion ist aus dem Zentrum der Elementarzelle verschoben. (Bild: Würth Elektronik)

Somit ist die Elementarzelle auf der "Oberseite" etwas positiver und auf der "Unterseite" etwas negativer geladen. Da der permanente elektrische Dipol mit angelegten Feldern in Wechselwirkung steht, ist die Polarisierbarkeit und damit die Permittivität solcher Materialien spannungsabhängig.

MLCCs sind in verschiedene Klassen unterteilt. Klasse-1-Keramikkondensatoren bestehen aus paraelektrischen Materialien mit feldstärkeunabhängiger und kleinerer Permittivität. In dieser Klasse gibt es kleinere Kapazitätswerte, die geringe Abhängigkeiten und kleinere Toleranzen aufweisen. Diese Typen werden für alle Anwendungen verwendet, die einen festen und stabilen Kapazitätswert erfordern (z. B. Echtzeituhr RTC).

MLCCs aus ferroelektrischen Materialien wie Bariumtitanat gehören zur Klasse 2. Merkmale dieser Klasse sind größere Kapazitätswerte, die stark von der Umgebung und der Anwendung abhängen. Dies ist auf die ferroelektrische Eigenschaft von Barumtitanat zurückzuführen und spiegelt sich in der Kapazitätsabhängigkeit wider: Im Vergleich zu anderen Materialien weisen Ferroelektrika wie Bariumtitanat eine hohe Polarisierbarkeit auf und damit eine hohe relative Permittivität. MLCCs auf Bariumtitanatbasis haben den Vorteil, dass sie geringe Verluste mit hoher Kapazität und kleiner Bauform kombinieren. Diese Eigenschaft macht MLCCs zu einem der wichtigsten passiven Bauelemente für Schaltwandler- und Filterschaltungen.

Der Nachteil der großen Kapazität in ferroelektrischen Klasse-2-MLCCs ist die oben erwähnte Spannungsabhängigkeit, die zu einer nachteiligen Abnahme der Kapazität bei steigender Gleichspannung führt. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden erstens die Polarisationsprozesse erklärt und zweitens ein Modell entwickelt, welches die spannungsabhängige Kapazität beschreiben soll.

Bild 3: Spannungszyklus eins MLCCs.
Bild 3: Spannungszyklus eins MLCCs. (Bild: Würth Elektronik)

Interpretation von Kapazitätsspannungsmessungen

Das Polarisationsverhalten ferroelektrischer Materialien hängt vom aktuellen Polarisationszustand ab, wie anhand der in Bild 4 gezeigten Kapazitätsspannungs-

Bild 4: Gemessene Kapazitätsspannungscharakteristik eines 10-µF-MLCC für einen Spannungszyklus, dargestellt in der eingefügten Kurve.
Bild 4: Gemessene Kapazitätsspannungscharakteristik eines 10-µF-MLCC für einen Spannungszyklus, dargestellt in der eingefügten Kurve. (Bild: Würth Elektronik)

und der in Bild 5 gereigten Polarisationsspannungsdiagramme eines 10-µF-MLCC (Klasse 2) erläutert werden soll.

Bild 5: Polarisationsspannungskennlinien mit entsprechender schematischer Darstellung der Dipolausrichtung.
Bild 5: Polarisationsspannungskennlinien mit entsprechender schematischer Darstellung der Dipolausrichtung. (Bild: Würth Elektronik)

Während der Messung wird ein sinusförmiges Abtastsignal mit der Frequenz f angelegt, um die Kapazität des Kondensators zu messen. Das Wechselstromsignal hat während der gesamten Messung eine feste Amplitude und bewirkt eine periodische Änderung der Spannung dV. Dem Sinussignal wird eine Gleichspannung überlagert, welche die Neuausrichtung der Domänenpolarisation ermöglicht.

Polarisationszunahme (Zweig 1)

Der Kondensator mit zufällig ausgerichteter Domänenpolarisation wird dem Prüfsignal ausgesetzt. Mit zunehmender Gleichspannung richten sich die Dipole schließlich aus, was zu einer Zunahme der Polarisation führt (Bild 2). Die Sättigungspolarisation ist erreicht, wenn alle Dipole vollständig ausgerichtet sind. Wenn die Spannung erhöht wird, richten sich die Dipole aus und die Dipolbewegung wird stärker eingeschränkt, was zu einer geringeren Ladungsänderung dq führt. Folglich nimmt die Kapazität C = dq / dV mit zunehmender Gleichspannung ab.

Wenn das angelegte externe Feld E, welches proportional zur angelegten Spannung ist, die Mehrheit der Domänen ausgerichtet hat, bleiben die Dipole auch ohne das externe Feld in dieser Position. Die kollektive Ausrichtung erzeugt ein stabilisierendes internes Koerzitivfeld, Ec. Wenn das angelegte elektrische Feld weiter erhöht wird, nimmt die Gesamtpolarisation aufgrund anderer Polarisationseffekte wie elektronischer, ionischer und dipolarer Art zu.

Die Polarisation bei maximaler Spannung wird als Sättigungspolarisation Psat bezeichnet. Im Prinzip ist die spontane Polarisation Ps gleich der Sättigungspolarisation der auf das Nullfeld extrapolierten elektrischen Verschiebung.

Allgemeine Polarisationsrichtung (Zweig 2)

Wenn die Spannung und damit das externe Feld von positiv auf negativ umgeschaltet wird, entspannen sich die Dipole leicht, bleiben aber aufgrund des internen Koerzitivfeldes Ec in ihrer allgemeinen Polarisationsrichtung. Der Polarisationszustand bei null Volt wird als remanente Polarisation Pr bezeichnet.

Um alle Domänen in die entgegengesetzte Richtung umzuorientieren, muss Ec durch ein umgekehrtes äußeres elektrisches Feld überschritten werden. An der Stelle von Ec ist die Belastung der Dipole am geringsten, so dass die Permittivität (Suszeptibilität) des Materials am größten ist und die Kapazität ein lokales Maximum aufweist. Mit zunehmender Polarisierung in die entgegengesetzte Richtung sinkt die Kapazität auf den gleichen Wert wie bei positiven Spannungen.

Kapazitätsspitze (Zweig 3)

Wird die Spannung von negativ zu positiv gewechselt, orientieren sich die Dipole wieder neu, sobald das von außen angelegte Feld das Koerzitivfeld übersteigt. Dies führt wiederum zu einer Kapazitätsspitze bei positiven Spannungen. Der Vorgang ist ähnlich wie der zuvor beschriebene. Zweig 3 ist ähnlich zu Zweig 2, nur dass er entlang der x-Achse zu positiven Spannungen hin verschoben ist. Ein weiterer Spannungs-Sweep würde wieder zu Zweig 2 führen.

Die oben beschriebene Hysterese erfordert eigentlich die Unterscheidung zwischen den Polarisationen bei Spannungsdurchläufen von positiv nach negativ und umgekehrt. Grundsätzlich gilt aber, dass jede Erhöhung der Gleichspannung zu einer Ausrichtung der Dipole und zur Verringerung der Kapazität führt.

Angebot an MLCCs

Würth Elektronik bietet ein großes Portfolio an MLCC-Größen bis zu 2220 (entspricht 5,7 mm × 5,0 mm).

Bild 6: Die MLCCs gibt es in verschiedenen Größe und Ausführungen.
Bild 6: Die MLCCs gibt es in verschiedenen Größe und Ausführungen. (Bild: Würth Elektronik)

Während Downsizing für einige Anwendungen die richtige Wahl sein kann, sind für andere Anwendungen größere MLCCs erforderlich, um die nötige elektrische Leistung, die Volumenkapazität und das DC-Bias-Verhalten zu erhalten. Langfristige Verfügbarkeit ab Lager und kostenlose Muster in hoher Qualität machen Würth Elektronik zum geeigneten Langzeitpartner für den individuellen MLCC-Bedarf. Zu den MLCCs sind ausgereifte Simulationen in der Online-Plattform REDEXPERT verfügbar (bs).

Dr. René Kalbitz, Produktmanager bei Würth Elektronik
(Bild: Würth Elektronik)

Dr. René Kalbitz

Produktmanager bei Würth Elektronik

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