Auf einen Blick
Es ist ratsam, den IGBT-Treiber und seinen Gleichspannungswandler möglichst nah am IGBT zu platzieren, um das Einstreuen von Störungen und Spannungsabfällen zu minimieren. Hierdurch geraten die Bauelemente allerdings in eine Umgebung mit potenziell hohen Temperaturen, die der Zuverlässigkeit und der Lebensdauer abträglich sind. Die Gleichspannungswandler sollten deshalb die erforderlichen Eckdaten besitzen und keine Bauelemente enthalten, die durch hohe Temperaturen nennenswert beeinträchtigt werden (zum Beispiel Elektrolytkondensatoren oder Optokoppler). Die MTTF-Werte im Datenblatt beziehen sich meist auf eine Temperatur von 25 oder 40 °C und müssen deshalb für die tatsächlichen Temperaturen extrapoliert werden.
Wechselrichter und Stromrichter hoher Leistung werden üblicherweise als Brückenschaltungen konzipiert. Sie erzeugen eine Netzwechselspannung oder bidirektionale PWM-Ansteuersignale für Motoren, Transformatoren oder andere Verbraucher. Diese Brückenschaltungen enthalten IGBTs, deren Emitter mit hoher Spannung und hoher Frequenz geschaltet werden. Das zur Gate-Ansteuerung verwendete PWM-Signal und die zugehörigen Treiberversorgungsspannungen, die den Emitter als Bezugspotenzial nutzen, müssen sich hinsichtlich der Systemmasse auf gleitendem Potenzial befinden und werden als „High-side-Treiber“ bezeichnet. Die Treiberschaltung sollte außerdem immun gegen die steilen Spannungsflanken (das heißt die hohen dV/dt-Werte) am Schaltknoten sein und eine sehr geringe Koppelkapazität aufweisen. Um eine optimale Spannung für die potenzialfreien Treiberschaltungen der IGBTs zu erreichen, werden oftmals Gleichspannungswandler eingesetzt.
Zunächst werden die Gate-Spannungen im Ein- und Aus-Zustand festgelegt. Ein gängiger IGBT ist beispielsweise der FZ400R12KE4 von Infineon. Seine typische Einschaltschwellenspannung bei 25 °C beträgt 5,2 V. In der Praxis müssen jedoch mindestens 10 V angelegt werden, um die volle Sättigung und den Kollektornennstrom von 400 A zu erreichen. Da die maximale Gate-Spannung des Bausteins ±20 V beträgt, ist +15 V ein geeigneter Wert, der noch einen gewissen Spielraum lässt. Höhere Spannungen würden unnötige Verluste in der Gate-Treiberschaltung hervorrufen. Für den Aus-Zustand kann eine Spannung von 0 V am Gate ausreichen. Allerdings sorgt eine negative, üblicherweise zwischen -5 und -10 V liegende Spannung für ein schnelles Schalten, kontrolliert durch einen Gate-Widerstand. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass jegliche Emitter-Induktivität zwischen dem IGBT und dem Bezugspotenzial des Treibers (Punkt x in Bild 1) eine Gate-Emitter-Spannung von entgegengesetzter Polarität erzeugt, wenn der IGBT abschaltet. Diese Induktivität ist zwar gering, doch bei einer durchaus nicht unüblichen Strom-Anstiegsgeschwindigkeit (di/dt) von 1000 A/µs wird eine Spannung von 5 V erzeugt, bei einer Induktivität lediglich 5 nH. Eine Induktivität von 5 nH entspricht einer wenige Millimeter langen Leitung (allein die Streuinduktivität des FZ400R12KE4 beträgt 16 nH). Somit bietet eine angemessene negative Treiberspannung die Gewähr, dass die Gate-Emitter-Abschaltspannung stets 0 V oder weniger beträgt.
Negative Gate-Treiberspannung
Eine negative Gate-Treiberspannung hilft ebenfalls, dem Effekt der Miller-Kapazität zwischen Kollektor und Gate entgegenzuwirken, die beim Abschalten des Bausteins einen Strom in die Gate-Treiberschaltung injiziert. Wird ein IGBT vom Treiber abgeschaltet, nimmt die Kollektor-Gate-Spannung zu, und durch die Miller-Kapazität fließt ein Strom mit dem Wert Cm × dVce/dt in die Gate-Emitter-Kapazität Cge sowie durch den Gate-Widerstand in die Treiberschaltung (siehe Bild 2). Die daraus resultierende Spannung Vge am Gate kann so hoch sein, dass der IGBT wieder einschaltet, was zu einem Shoot-through-Strom führen und den Baustein zerstören kann. Das Ansteuern des Gates mit einer negativen Spannung wirkt diesem Effekt entgegen.
Ein Gleichspannungswandler mit Ausgangsspannungen von +15 und -9 V stellt die passenden Spannungen für den Gate-Treiber zur Verfügung.
Das Gate eines IGBT muss in jedem Schaltzyklus über Rg ge- und entladen werden. Wenn im Datenblatt des IGBT eine Gate-Ladungskennlinie angegeben ist, lautet die Beziehung:
P = Qg × F × Vs
Qg ist die aus dem Datenblatt entnommene Ladung für einen bestimmten Ausschlag Vs der Gatespannung von positiv nach negativ.
Enthält das Datenblatt keine Ladungskennlinie, sondern lediglich einen Qg-Wert für bestimmte Gatespannungen, lässt sich der Qg-Wert für andere Gate-Spannungsausschläge näherungsweise ermitteln, indem man die angegebene Gate-Ladung mit dem Verhältnis zwischen dem angegebenen und dem gesuchten Spannungsausschlag multipliziert. Zum Beispiel ist für den FZ400R12KE4 ein Qg-Wert von 3,7 µC für einen Gate-Spannungsausschlag von ±15 V (insgesamt 30 V) angegeben. Für einen Spannungsausschlag von +15/-9 V (insgesamt 24 V) erhält man auf diesem Weg die folgende genäherte Gate-Ladung:
Qg = 3,7 × 10-6 × 24/30 ≈ 3 µC
Bei 10 kHz ist somit folgende Gate-Treiberleistung erforderlich:
Pg = 3 × 10-6 × 103 × 24 ≈ 0,72 W
Mit entsprechendem Derating sowie unter Berücksichtigung weiterer etwaiger Verluste dürfte ein Gleichspannungswandler mit 2 W Leistung geeignet sein.
In unserem Beispiel mit einem Gesamtausschlag der Gate-Spannung von 24 V muss die ge- und entladene Energie in jedem Zyklus gleich sein. Folglich müssen auch die durchschnittlichen Lade- und Entladeströme identisch sein. Sie betragen 30 mA (Pg/Vs). Der zum Laden und Entladen des Gates erforderliche Maximalstrom Ipk ist eine Funktion von Vs, des Gate-Widerstands, des internen Widerstands Rint des IGBT und des externen Widerstands Rg.
Ipk = Vs / (Rint + Rg)
Da der FZ400R12KE4 einen Rint von 1,9 Ω aufweist, errechnet sich mit einem typischen externen Widerstand von 2 Ω und einem Spannungshub von 24 V ein Spitzenstrom von 6 A. Dieser Strom muss durch Bulk-Kondensatoren an den Versorgungsspannungsleitungen bereitgestellt werden. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass die Ausgangskondensatoren des Gleichspannungswandlers ausreichend Kapazität haben, um diesen Strom ohne nennenswerte Spannungseinbrüche liefern zu können. Selbstverständlich muss der Gatetreiber selbst ebenso für diese Spitzenströme dimensioniert sein wie die Gate-Widerstände.
In unserem Beispiel lässt sich die Gesamttreiberenergie E pro Zyklus mit folgender Gleichung berechnen:
E = Qg × Vs = 72 µJ
Die Bulk-Kondensatoren an der +15-V- und der -9-V-Leitung stellen diese Energie in Relation zu ihren Spannungen bereit. Von der +15-V-Leitung kommen somit 45 µJ. Unter der Prämisse, dass die Spannung am Bulk-Kondensator der +15-V-Leitung in jedem Zyklus um nicht mehr als 0,5 V einbrechen soll, lässt sich die Mindestkapazität dieses Kondensators berechnen. Hierzu setzt man die bereitgestellte Energie mit der Differenz der im Kondensator gespeicherten Energien bei der Start- und der Endspannung gleich:
45 µJ = ½ C (Vinit2 – Vfinal2)
Löst man nach C auf, erhält man:
C = (45 × 10-6 × 2)/(152 – 14.52) ≈ 6,1 µF
Obwohl die -9-V-Leitung nur etwa ein Drittel der Energie beisteuert, erfordert sie einen gleich großen Kondensator zur Einhaltung des Spannungseinbruchs von 0,5 V, da dieser einem größeren Prozentsatz des Anfangswerts entspricht.
Überlegungen zum Gleichspannungswandler
Die absoluten Werte der Gate-Treiberspannungen sind unkritisch, solange sie größer als der Mindestwert sind und ausreichend weit unter der Durchbruchspannung liegen und solange die Verlustleistung akzeptabel ist. Aus diesem Grund können die zum Bereitstellen der Treiberleistung verwendeten Gleichspannungswandler ungeregelt sein, sofern ihre Eingangsspannung nominell konstant ist. Anders als bei den meisten Anwendungen für DC/DC-Wandler ist die Last einigermaßen konstant, während der IGBT schaltet (gleich mit welchem Tastverhältnis). Schaltet der IGBT dagegen nicht, ist die Last nahezu null. Einfache DC/DC-Wandler benötigen jedoch häufig eine gewisse Mindestlast, da ihre Ausgangsspannungen sonst dramatisch ansteigen können (unter Umständen bis auf das Niveau der Durchbruchspannung). Diese hohe Spannung würde vom plusseitigen Bulk-Kondensator gespeichert. Begänne dann der IGBT zu schalten, könnte an seinem Gate eine zu hohe Spannung anliegen, die erst im normalen Betrieb auf den normalen Wert absinkt. Aus diesem Grund sollte immer ein Gleichspannungswandler gewählt werden, dessen Ausgangsspannungen begrenzt sind oder der keine Mindestlast erfordert.
IGBTs sollten nicht mit PWM-Signalen aktiv angesteuert werden, solange die Spannungen der Treiberschaltungen nicht ihren korrekten Wert erreicht haben. Beim Ein- oder Ausschalten der zur Gate-Ansteuerung verwendeten Gleichspannungswandler können jedoch Übergangszustände entstehen, in denen die IGBTs auch bei inaktivem PWM-Signal in den Ein-Zustand getrieben werden. Dies kann Shoot-through-Ströme hervorrufen und zur Zerstörung der Bauelemente führen. Der Gleichspannungswandler sollte deshalb ein geordnetes Verhalten zeigen und kurze, monotone Anstiegs- und Abfallzeiten aufweisen. Eine primärbezogene Ein-/Aus-Steuerung kann zum Sequencing des Einschaltens der Gleichspannungswandler in einer Brückenschaltung dienen und hierdurch das Risiko von Shoot-through-Strömen verringern.
Gleichspannungswandler für die high-seitigen IGBT-Treiber werden über ihre Barriere hinweg mit der geschalteten Gleichspannungs-Zwischenkreisspannung konfrontiert. Diese Spannung kann im Kilovolt-Bereich liegen und sehr steile Flanken von 10 kV/µs und mehr aufweisen. Neueste GaN-Bausteine sind in der Lage, mit 100 kV/µs und mehr zu schalten. Diese steilen Spannungsflanken bewirken, dass in der Kapazität der Isolationsbarriere des Gleichspannungswandlers ein Verschiebungsstrom folgender Höhe fließt:
I = C × dV/dt
Selbst wenn die Kapazität nur 20 pF beträgt, verursacht eine Spannungsflanke von 10 kV/µs einen Verschiebungsstrom von 200 mA. Dieser Strom fließt über einen nicht vorherbestimmbaren Weg durch die Controllerschaltung zurück zur Brücke. Er ruft dabei Spannungsabfälle an den Verbindungswiderständen und -induktivitäten hervor, die den Betrieb des Controllers und des Gleichspannungswandlers möglicherweise stören. Ideal sind deshalb möglichst geringe Koppelkapazitäten von weniger als 15 pF.
Wird der IGBT-Treiber durch einen isolierten Gleichspannungswandler angesteuert, muss die Isolationsbarriere im Wandler die vom IGBT geschaltete Spannung verkraften können. Diese kann einige kV betragen (bei einer Schaltfrequenz im zweistelligen Kilohertz-Bereich). Da die Spannung geschaltet wird, altert die Barriere schneller als unter dem Einfluss einer statischen Spannung (Ursache hierfür sind elektrochemische Phänomene und Teilentladungseffekte im Isolationsmaterial). Aus diesem Grund muss der Gleichspannungswandler eine robuste Isolation sowie ausreichend große Luft- und Kriechstrecken aufweisen. Sollte die Isolationsbarriere des DC-DC-Wandlers auch Bestandteil eines Schutzisolationssystems sein, richtet sich das erforderliche Maß an Isolation (Basisisolation beziehungsweise ergänzte oder verstärkte Isolation) nach den einschlägigen behördlichen Vorschriften sowie Betriebsspannung, Verschmutzungsgrad, Überspannungs-Kategorie und Höhe.
(ah)
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