Die PICMG, ein Konsortium mit mehr als 200 Technologieunternehmen, pflegt unter anderem die COM-Express-Spezifikation. Die große Mitgliederzahl sorgt für hohe Stabilität – nach sechs Jahren wurde die Spezifikation jetzt erstmals verändert. Grund dafür sind neue Technologien, die bei der ursprünglichen Veröffentlichung noch nicht verfügbar waren. Die neue Version soll diese neuen Technologien zukunftssicher auf ein Modulkonzept bringen, ohne die Rückwärtskompatibilität aufzugeben.
Neben den bisherigen Pinout-Typen 1 bis 5 spezifiziert COM Express 2.0 die beiden neuen mit den Nummern 6 und 10. Sie basieren auf den Typen 1 und 2, sind aber absichtlich neu definiert, um die Kompatibilität mit alten Designs zu wahren. Der Typ 10 ergänzt Typ 1 mit einem DDI (Digital Display Interface) für HDMI/Displayport. Dafür mussten im Vergleich zum Typ 1 der halbe LVDS-Port (nur noch einmal 24 Bit) und der VGA-Ausgang entfallen. Außerdem stehen nur noch vier PCI-Express-Lanes und zwei SATA-Ports zur Verfügung. Typ-10-Module können nicht auf einem Typ-1-Carrier-Board verwendet werden.
Viele neue Interfaces
Der neue Typ 6 baut auf dem erfolgreichen Typ 2 auf und wird diesen auf lange Sicht ersetzen. An der AB-Steckerreihe hat es kaum Veränderungen gegeben, es sind lediglich ein paar bisher reservierte Pins mit neuen Signalen für UART, FAN, Lid, Sleep und TPM belegt worden. An den Signalbelegungen des CD-Steckers wurden zahlreiche grundlegende Änderungen vorgenommen. So wurden die alten, parallelen Interfaces wie PCI-Bus und IDE ersetzt durch zahlreiche neue Schnittstellen:
- Vier USB-3.0-Interfaces.
- Drei DDI (Digital Display Interface).
- Zwei zusätzliche PCIe-2.0-Lanes.
Mit den DDIs stehen Videosignale als serielle, differenzielle Signale bereit. Der neue Typ 6 unterstützt bis zu drei DDIs: Der erste kann wahlweise als SDVO, Displayport oder TMDS dienen, die beiden weiteren lassen sich nur als TMDS oder Displayport konfigurieren. Damit ist es zum ersten Mal möglich, drei identische Display-Interfaces von einem COM-Express-Modul zu speisen. Je nach verwendetem Stecker wird der TMDS zu einem HDMI- oder einem DVI-Port. Damit ist der bisherige TV-Out-Anschluss hinfällig und wird in Spezifikation 2.0 auch nicht mehr unterstützt.
Schon beim Typ 2 konnten die DDIs genutzt werden, ohne die COM-Express-Spezifikation 1.0 zu verletzen. Wenn der PEG-Port (PCIe Graphics) im Grafik-Modus für SDVO-Ausgabe geschaltet ist, werden an den in diesem Modus freien Pins automatisch durch den Chipsatz bedingt DDI-Signale ausgegeben. Typ-6-Module, wie das Conga-TS67, haben dedizierte Pins für die DDIs und können damit parallel auch den PEG-Port nutzen.
Baugrößen und Stecker
Die Revision 1.0 definiert zwei unterschiedliche Größen für Module: Basic (125 x 95 mm) und Extended (155 x 110 mm). Die sehr selten angebotenen Extended-Module eignen sich für sehr stromhungrige Module, zum Beispiel mit Server-Chipsätzen. Die weit verbreitete Basic-Variante wird hingegen für stromsparende Embedded-Prozessoren verwendet. Kurz nach der Veröffentlichung der Revision 1.0 haben zahlreiche Hersteller, darunter auch Congatec, eine mechanisch kleinere Version entwickelt, den so genannten Compact mit nur 95 x 95 mm. Dieser außerhalb des PICMG entstandene Formfaktor wurde jetzt offiziell in die Spezifikation 2.0 aufgenommen. Der Compact vereinfacht die Integration stromsparender Module bei klein bauenden Systemen.
Mit der neuen Revision werden zwei weitere COM-Express-Lanes unterstützt. Alle acht PCI-Lanes sowie die 16 Lanes des PEG-Ports können jetzt auch als PCI Express 2.0 verwendet werden. Die Bandbreite pro Lane hat sich damit auf 500 MByte/s verdoppelt. Zusätzliche Signale sind nicht notwendig, aber beim Design des Carrier-Boards ist durch die Verdoppelung der Signalfrequenz möglicherweise eine Anpassung notwendig. Die Firmware (BIOS oder UEFI) kann optional auch vom Carrier-Board geladen werden. Bisher war das nur per LPC-Bus möglich – neu ist die Einführung des SPI-Busses (Serial Peripheral Interface). SPI-Flash-Bausteine sind preisgünstiger und in höheren Kapazitäten erhältlich.
Auf einen Blick
Heute braucht kaum jemand einen S-Video-Ausgang, dafür sind DVI, HDMI und Displayport gefragt sowie Multi-Display-Fähigkeit. Im Kommen ist außerdem USB 3.0 und viele Anwendungen brauchen zusätzliche PCI-Lanes. All das rüstet COM-Express 2.0 in neuen Typen nach und bietet zudem einen Standard für Software-Schnittstellen.
Obwohl USB 3.0 schon 2008 definiert wurde, beginnt die breite Umsetzung erst jetzt. USB 3.0 braucht zusätzliche Signale, um eine Erhöhung der Bandbreite auf 5 GBit/s zu erreichen. Pro Port werden zwei zusätzliche differenzielle Paare benötigt: Superspeed-TX und -RX. Statt bisher maximal 500 mA dürfen externe Geräte bei USB 3.0 bis zu 800 mA Strom ziehen. Beim Typ 6 können bis zu vier der acht USB-Ports als USB 3.0 ausgeführt werden. Zusätzliche Ports können auf dem Carrier-Board mit zusätzlichen Controllern realisiert werden.
EAPI: Embedded Application Programming Interface
Neben der reinen Hardware beschreibt die neue COM-Express-Spezifikation auch ein Softwareinterface für spezielle industrielle Interfaces. Bei Verwendung des EAPI (Embedded Application Programming Interface) wird die Austauschbarkeit zwischen Modulen unterschiedlicher Hersteller weiter verbessert, da die Anwendungssoftware nicht auf unterschiedliche Software-Interfaces angepasst werden muss. Folgende Funktionen umfasst das EAPI:
- Systeminformation
- Watchdog-Timer
- I2C-Bus
- Flatpanel-Helligkeit
- User Storage im Firmware-Flash
- GPIO
Das EAPI kann neben COM-Express auch für zahlreiche andere Formfaktoren verwendet werden, zum Beispiel Qseven, ETX und XTX. Neben der Spezifikation wurde innerhalb der PICMG auch ein Design Guide entwickelt. Dieses 160 Seiten starke Dokument beschreibt alle COM-Express-Interfaces und zeigt zahlreiche erprobte Schaltungsbeispiele. Damit können kundenspezifische Carrier-Boards in deutlich kürzerer Zeit entwickelt werden. Der Design Guide ist kostenlos auf der Website der PICMG erhältich.
Was bringt die Zukunft?
Computertechnologien entwickeln sich rasend schnell und die COM-Express-Spezifikation passt sich an, ohne ihre Stabilität einzubüßen. Noch im ersten Halbjahr 2012 wird ein weiteres Update der Spezifikation auf Revision 2.1. erwartet. Dabei handelt es sich nur um kleinere Änderungen und Korrekturen. Dieses Release wird auf das sich abzeichnende Ende der VGA- und LVDS-Schnittstellen reagieren und noch kleinere Module ermöglichen.
Die neuen Typen 6 und 10 bieten modernen Display-Support. Typ 6 punktet darüber hinaus mit bis zu vier USB-3.0-Ports, PEG-Port und PCIe x8 in der schnellen 5-GHz-Version. Die Typen 1 bis 5 wurden nur minimal angepasst und sind auch weiterhin rückwärtskompatibel. Die offizielle Aufnahme des Compact-Formfaktors in die Spezifikation ist eine logische Konsequenz der Marktgegebenheiten und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
(lei)