Der Airbag im Auto rettet bei jeder Jahreszeit Menschenleben, der Bordcomputer und die Sensorik im Flugzeug ermitteln auch in 10.000 m Flughöhe zuverlässige Messwerte zur Flugführung und eine simple Ampelschaltung regelt bei Wind und Wetter den Verkehr. Hinter jeder dieser Funktionen stehen hochkomplexe elektronische Baugruppen und Verbindungen. Um die Zuverlässigkeit dieser sensiblen elektronischen Baugruppen auch bei erschwerten Umweltbedingungen sicherzustellen, wird eine Lackschicht auf eine bereits bestückte und gelötete Baugruppe aufgetragen oder bestimmte Komponenten vergossen. Die getrockneten und ausgehärteten Lackschichten schützen die Elektronik vor frühzeitigen Ausfällen aufgrund von Korrosion oder anderen Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit, Staub, Vibrations- und Temperaturbelastungen.
Unverzichtbar ist da der Trockner: Der Überbegriff Trockner wird meist für thermische Systeme verwendet, mit denen nicht gelötet, gesintert oder diffusionsgelötet wird, also keine stoffschlüssige Verbindung hergestellt wird. Hierbei kann es sich um reale Trocknungsprozesse handeln (etwa das Trocknen von Pasten), das Aushärten (zum Beispiel von polymeren Beschichtungen), den Burn-In-Prozess (Einbrenntest für Bauelemente, um Frühausfälle zu lokalisieren) oder das Tempern (um spezielle Eigenschaften von Verbindungsmaterialien zu erzeugen). Die technische Ausstattung von Trocknern wird von den zu produzierenden Applikationen respektive Produkten sowie von dem zu erwartenden Durchsatz in der Fertigung bestimmt.
In der Photovoltaik ist zum Beispiel ein Durchsatz von 2 s/Wafer selbstverständlich, was natürlich besondere Anforderungen an das Transportsystem stellt. Demgegenüber sind lange Verweilzeiten der Produkte beim Tempern durchaus nicht ungewöhnlich. Um diese mit möglichst geringem Platzbedarf für den Trockner zu realisieren, nutzt man mit Vertikal-Trocknern die dritte Dimension (die Raumhöhe) aus oder fährt in Schlaufen (mäandert) bei niedriger Geschwindigkeit horizontal durch das thermische System. Wenn Applikationen auf flexiblen Substraten Rolle-zu-Rolle gefertigt werden, wie es in der LED-Beleuchtungstechnik durchaus üblich ist, muss das thermische System an den sequentiellen Prozess des Pastendrucks und des Bauelemente-Bestückens angepasst werden. Hierbei ergeben sich zusätzliche Herausforderungen für die Adaption eines notwendigerweise kontinuierlichen thermischen Prozesses an einen Stop-and-Go-Prozess.
Diese kleine Einführung zeigt, wie verschieden die Lösungen sein müssen, um die jeweils individuellen Produkte zu fertigen. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im thermischen Anlagenbau kann Rehm Thermische Systeme eine große Palette an Trocknern anbieten beziehungsweise mit dem jeweiligen Anwender eine spezifisch neue Lösung entwickeln (Tabelle 1).
Typ | Bauweise/ Transport-System | Wärmequelle | Temperatur | Atmosphäre | Produkte |
RVDS | Vertikaltrockner | Konvektion | 80 – 120 °C | Luft | Baugruppen Endgeräte |
RDS
| Horizontaltrockner | IR-Strahlung Konvektion | 40 – 300 °C | Luft | Baugruppen |
Horizontaltrockner mit UV | Hg-Strahler UV-Strahler LED-Strahler | Abhängig von der Strahlungs-stärke | Luft | Baugruppen | |
Magazintrockner | Konvektion | 80 – 300 °C | Luft Stickstoff | Module / montierte BG | |
Horizontaler Mäandertransport | Konvektion | 80 – 130 °C | Luft | Endgeräte / montierte BG | |
R2R | Reel-to-Reel Trockner | Strahlung | 80 – 350 °C | Luft Stickstoff | Bänder Polymer-Folien |
Tabelle 1: Gegenüberstellung der verschiedenen Trocknersysteme von Rehm: Viele physikalische Grundprinzipien der Wärmeübertragung werden genutzt, sowie die verschiedensten technischen Konstruktionen umgesetzt, um die Trocknungs-Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten.
Vertikal-Trockner –- gestapelte Prozesstürme
Zu besseren Handhabung und Verarbeitung werden den Lacken und Vergussmassen Lösungsmittel und Additive beigemischt. Nach dem Lackieren oder Vergießen müssen diese Lösemittel ausgetrieben werden, um ein Austrocknen der Schutzschichten zu ermöglichen. Die flüchtigen Bestandteile der Lösemittel entweichen bereits bei Raumtemperatur aus den Lacken und Vergussmassen. Eine seit langem bekannte Möglichkeit diesen Prozess zu beschleunigen, bietet die Beaufschlagung der Baugruppen mit Wärme. Die höheren Temperaturen führen gemäß dem Arrhenius-Gesetz zum schnelleren Ablauf von Härtungsreaktionen. Dabei kann das Aufheizen der beschichteten Baugruppen durch Konvektion und/oder IR-Strahlung erfolgen.
Das Wesentliche
- Minimaler Platzbedarf
- Maximale Temperatur: 120 °C
- Bearbeitung eines Baugruppen-Mix
- Zykluszeit: >35 Sekunden
Diese auf den ersten Blick einfachen und seit langem bekannten physikalischen Grundlagen stellen aber in Kombination mit solchen Anforderungen, wie hoher Durchsatz, Energieeffizienz, homogene Temperaturverteilung und Flexibilität, neue Herausforderungen an die Anlagentechnik. Zusätzlich sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, welche mit der Prozesstechnik nicht direkt in Verbindung stehen, wie etwa dem Platzmangel in Fertigungsstätten. In solchen Fällen bleibt nur „die Flucht nach oben“ übrig. Für solche Fälle hat Rehm das vertikale Trocknungssystem RVDS entwickelt (Bild 1).
Bei der Realisierung dieser Anlage wurde neben den besten Temperatur-Profilierungsmöglichkeiten und dem niedrigen Energieverbrauch auch die Anforderung an den minimalen Platzbedarf erfolgreich umgesetzt. Durch den vertikalen Transport ersetzt das RVDS bei einer Anlagenlänge von nur knapp 4 m einen vergleichbaren 40 m langen Horizontal-Trockner. Mit der innovativen Systemkonzeption lässt sich wertvoller Platz sowohl in den bestehenden als auch in neuen Produktionsstätten sehr effizient nutzen. Bild 2 zeigt die zwei nach dem vertikalen Stapelprinzip angeordneten Prozesstürme. Für noch längere Trocknungszeiten ist es möglich, den Trockner bei minimalem zusätzlichem Platzbedarf auch mit drei Türmen auszustatten. Um die Verschmutzung der Mechanik und unerwünschte Kontamination der Baugruppen etwa mit Lacktropfen zu vermeiden, ist die Anlage mit entsprechenden Tropfschutzmechanismen ausgestattet.
Ein Trocknungs- oder Aushärtungsprozesses muss insbesondere folgende wichtige Anforderungen erfüllen: maximale Temperatur, Prozessdauer bei dieser Temperatur, Temperaturabweichung von der maximalen Temperatur und Temperaturhomogenität etwa über die Fläche des Warenträgers. Auf Bild 3 ist beispielhaft ein Temperaturprofil zum Trocknen von vergossenen Baugruppen zu sehen. Für diese Anwendung wurde bei 80 °C eine Prozessdauer von 40 min erreicht. Darüber hinaus weist das Profil eine geringe Temperaturtoleranz-Schwankung auf.
Grundlage für diese optimale Temperaturprofilierung bietet das Heizsystem nach dem Konvektionsprinzip unter Luft. Um flexibel auf die Temperaturschwankungen zu reagieren, ist es möglich, die Temperatur und der Volumenstrom in allen Heizzonen separat einzustellen. Zusätzlich garantiert eine eigens entwickelte Luftführung ein gleichmäßiges Durchwärmen aller Baugruppen. Auch das Abluftvolumen wird pro Zone separat geregelt. Somit lässt sich die Anlage optimal auf die Lackmenge und den Lösemitteldurchsatz abstimmen. Überdies stehen für den Vertikaltrockner zwei Transportvarianten mit fester oder flexibler Transportbreite zur Verfügung. Bei der festen Transportbreite ist das Transportsystem auf eine bestimmte Produktbreite eingestellt. Bei der flexiblen Transportbreite stellt sich der Umlaufwarenträgertransport automatisch auf die jeweilige Leiterplattengröße ein. Dadurch können von mehreren Lackierlinien unterschiedliche Produkte mit verschiedenen Breiten im Mix dem Trocknungssystem zugeführt werden.
Mäanderanlage: kompakt auf horizontaler Ebene
Das Wesentliche
- Horizontaler Mäandertransport
- Maximale Temperatur: 130 °C
- 18 konvektive Heizzonen unter Luft
- Taktzeit: 17 s
Vertikaltrockner sparen in der Fläche Platz, benötigen jedoch in der Höhe genügend Freiraum in den Fertigungsstätten. Ein weiterer Nachteil ist durch die natürliche Thermik in einer vertikalen Prozesskammer gegeben: die Wärme steigt nach oben. Werden sehr geringe Toleranzanforderungen an die Reproduzierbarkeit des Temperatur-Zeit-Profils gestellt, kann es technisch sinnvoller sein, die Produkte in einer horizontalen Prozesskammer thermisch zu bearbeiten.
Mit der Mäanderanlage RDS 45000 hat Rehm eine spezielle Lösung erarbeitet, die ebenso lange Verweilzeiten der Produkte bei einer Produktivität von 3,5 Stück/min in einer horizontalen Ebene ermöglicht. Die Produkte mäandern in 13 Spuren durch die Prozesskammer, die mit 18 Heizzonen ausgestattet ist (Bild 4). Auf Bild 5 ist der Warenträgertransport zu sehen, der sich entweder manuell oder automatisch bestücken lässt.
Zuverlässige Trocknungsprozesse
Der Inhalt dieses Beitrags zeigt sehr anschaulich, wie vielfältig und anspruchsvoll die Welt des „einfachen“ Trocknens ist. Es wurde erläutert, dass der Überbegriff des Trocknens auch für Technologien des Aushärtens, des Temperns und für den Burn-In-Prozess steht. Rehm stellt sich täglich der neuen Herausforderung, innovative Technologien in serienreife Systeme umzusetzen und ist gern dabei, in der Konzeptionsphase gemeinsam mit dem Kunden die optimalen Technologie-Parameter zu evaluieren.
Dr. Hans Bell
Paul Wild
(mrc)