Retronix Firmengebäude

Der schottischen Partner von Factronix, das Unternehmen Retronix, bietet mit automatisierten Harvesting-Prozessen eine zusätzliche Möglichkeit zur Bauteilbeschaffung an. (Bild: Factronix)

Elektronische Produkte haben unser tägliches Leben revolutioniert und die Anzahl an elektronischen Baugruppen steigt kontinuierlich weiter an. Speziell Hersteller von Unterhaltungselektronik bringen ihre Produkte in immer kürzeren Produktlebenszyklen auf den Markt. Auf Basis der geänderten Klimaschutzgesetze werden die gesetzlichen Zielvorgaben für weniger CO2-Emissionen drastisch angehoben. Deutschland soll bis zum Ende des Jahrzehnts seinen Emissionsausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern. Diese Vorgaben sind unter anderem nicht ohne einen Umstieg auf mehr elektronische Lösungen in unserem Alltag zu bewältigen.

Hand in Hand mit der Nachfrage nach Elektronik ergibt sich auch ein beständiger Anstieg an elektronischen Altbeständen. Laut „Global E-Waste-Monitor“ der Vereinten Nationen wurde 2019 Elektroschrott in Rekordhöhe produziert. Weltweit waren es 53,6 Mio. Tonnen, Tendenz steigend. Setzt sich der aktuelle Trend fort, könnte die Marke in 2030 bereits bei 74 Mio. Tonnen liegen und im Jahr 2050 könnten es voraussichtlich 120 Mio. Tonnen sein.

Recycling von Altbeständen

Leider werden aktuell nur 20 Prozent der Altbestände recycelt. Alle Produzenten werden mittlerweile weltweit dazu aufgefordert, sich neu mit der Thematik zu befassen. So ist ein vernünftig aufgebautes Management für das Recycling von elektronischen Altbeständen für alle westlichen Industriebetriebe unerlässlich. Durch die Einführung von neuen Recyclingprozessen lassen sich die Auswirkungen der Elektronikindustrie auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt deutlich reduzieren. Hier kommt das kundenspezifische Harvesting von Factronix ins Spiel. Es reduziert Treibhausgasemissionen, hilft wertvolle Ressourcen zu sparen und unterstützt Elektronikfertiger bei der Beschaffung von Bauteilen und den damit verbundenen reduzierten Lieferzeiten im Vergleich zu einem neuen elektronischen Bauteil.

Retronix-Produktionshalle
In den ersten zwei Quartalen des Jahres 2022 konnten bereits 6 Mio. Komponenten zurückgewonnen werden. Diesen stark wachsenden Bedarf setzt Retronix mit vollautomatisierten Prozessen um. (Bild: Factronix)

Wie wird dies in der Praxis umgesetzt?

In der Unterhaltungselektronik ist es die Norm, Produkte für den schnellen Austausch und nicht für die Langlebigkeit zu entwickeln. In der Industrie wiederum wird genau das Gegenteil getan: Man hält an bestehenden funktionierenden Entwicklungen und Designs fest und behält diese über viele Jahre hinweg bei. Dies führt wiederum zu Problemen der Obsoleszenz, welche aktuell in stetig steigenden Lieferzeiten im Bauteilbereich sichtbar werden.

Lange Lieferzeiten aufgrund mangelhafter Lieferketten

Viele Kunden im Bereich Automotive, Luft- und Raumfahrt sowie der Elektromedizin stellt die Beschaffung von speziellen elektronischen Bauelementen vor sehr große Herausforderungen. Die weltweite Halbleiterknappheit sorgt immer noch für Schlagzeilen und betrifft alle Branchen. Engpässe bei Komponenten gab es schon früher, aber noch nie in einem Ausmaß, der nach wie vor täglich in jeder Elektronikfertigung bemerkbar ist.

Aktuell ist kein anderer Industriezweig so stark vom Halbleitermangel betroffen wie die Automotive-Industrie. Alle Fahrzeughersteller sind auf immer mehr Prozessoren angewiesen, die nahezu alles steuern, angefangen beim Infotainmentsystem über die Motorensteuerung oder Lösungen zum autonomen Fahren.

Nach Angaben des US-amerikanischen Beratungsunternehmen AlixPartners hat allein die weltweite Automobilindustrie durch den Mangel an Halbleitern im Jahr 2021 insgesamt 210 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verloren. Sowohl die Automobilhersteller als auch die Zulieferer rechnen nicht damit, dass sich die Situation in absehbarer Zeit entspannen wird und die Lieferzeiten für neue Pkw steigen sukzessive weiter an.

Wie funktioniert die Rückgewinnung?

Factronix bietet über seinen schottischen Partner Retronix mit automatisierten Harvesting-Prozessen eine zusätzliche Möglichkeit zur Bauteilbeschaffung an. Der schottische Reparatur-Dienstleister ist eigentlich spezialisiert auf die Reparatur von Bauteilen, BGA-Reballing, insbesondere das Laser-Reballing ohne Temperaturstress und die Reparatur von Leiterplatten. Allein im Jahr 2021 wurden insgesamt 4 Mio. Komponenten von 3,5 Mio. elektronischen Boards wiederaufbereitet. Dieser Trend setzt sich auch im Jahr 2022 fort. In den ersten zwei Quartalen des Jahres 2022 konnten bereits 6 Mio. Komponenten zurückgewonnen werden. Diesen stark wachsenden Bedarf setzt Retronix mit vollautomatisierten Prozessen um.

Retronix-Produktion Bauteilrückgewinnung
Nachdem die Baugruppe getempert wurde, erfolgt ein schonendes Ablöten des Bauteils von der Leiterplatte. (Bild: Factronix)

Nachdem die Baugruppe getempert wurde, erfolgt ein schonendes Ablöten des Bauteils von der Leiterplatte. Mittels einer Produktionsmaschine zur Herstellung von BGAs werden die BGA-Kugeln einzeln mit Hilfe eines Lasers aufgebracht. Der BGA sitzt während des Reballings auf einem X/Y-Verfahrtisch und fährt programmgesteuert die einzelnen Positionen der Pads an. Ein kurzer Laserimpuls erwärmt Pad und Ball für wenige Millisekunden und setzt eine einzelne vorgefertigte BGA-Kugel von exakter Größe (Preform) auf. Das Bauteil selbst bleibt während des gesamten Prozesses auf Raumtemperatur. Der Prozess erfolgt unter Stickstoff-Atmosphäre.

Nach dem BGA-Reballing wird der BGA optisch vermessen, um die exakte Koplanarität sicherzustellen. Anschließend werden die Teile getempert und vakuumverpackt. Mit diesem Verfahren lässt sich auch kundenspezifisches BGA-Reballing durchführen:

  • gemischte Kugelgrößen, um eine zu starke Verwölbung des BGA zu kompensieren
  • Aufbringen von Kugeln in hochschmelzenden Legierungen, um ein Absinken des BGA beim Reflow zu verhindern
  • Umlegieren von bleihaltig auf bleifrei zur Erfüllung der RoHS-Konformität
  • Umlegieren von bleifrei auf bleihaltig um z.B. MIL-Specs zu erfüllen, wenn die Verfügbarkeit bleihaltiger Bauteile nicht gegeben ist
  • Fertigung kundenspezifischer Interposer
  • Solder-Stacking von hochschmelzenden Kugeln. Die Distanz von BGA zur Platine wird hierdurch stark vergrößert, um Spannungen durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten bei Temperaturschwankungen besser abzufangen. Dies wird insbesondere bei hochzuverlässigen Schaltungen in rauer Umgebung angewendet.

 

Stefan Theil bei Retronix
Factronix-Vertriebsleiter Stefan Theil zu Besuch bei Retronix. Joe Maguire und Gary Watson zeigen ihm die Produktion. (Bild: Factronix)

Das BGA-Reballing mittels Laser ist das schonendste Verfahren für den BGA und übertrifft die Vorgaben der IPC deutlich, da der BGA beim Reballing keinerlei Wärmestress ausgesetzt ist. Das Laser-Reballing ist das einzige Verfahren beim Rework von BGAs, welches die Herstellervorgaben von maximal 3 Reflow-Zyklen, denen ein Bauteil maximal ausgesetzt werden darf, erfüllt. Retronix arbeitet hier nach dem IPC-9592 STD-Standard.

Alte überlagerte Bauteile weisen oftmals einen Oxidationsschaden oder organische Verunreinigungen auf, die eine schlechte Lötbarkeit zur Folge haben. Ein automatisierter Prozess zur Neuverzinnung aller gängigen Bauteilgrößen (0402, 0603, SOT, QFN, QFP, LGA, TSOP, SOIC) ermöglicht eine schnelle und flexible Lösung für Lieferengpässe. Eine erneute Verwendung von elektronischen Komponenten ist somit auch kurzfristig umsetzbar. Bei älteren Bauteilen, die bereits aus dem Jahr 2005 stammen, also sechs Jahre vor der RoHS-Richtlinie, kann eine Umstellung von bleihaltig auf bleifrei erforderlich sein. Ein vollautomatisches Legierungsumwandlungssystem ermöglicht, dass die Bauteile weder übermäßiger Hitze noch Abrieb ausgesetzt werden und die strengen GEIA-STD-0006-Normen für höchste Zuverlässigkeit erfüllt sind.

Alle Prozesse erfüllen die Spezifikationen der Komponentenherstellers hinsichtlich der maximal zulässigen Reflow-Zyklen für eine elektronische Komponente, die sowohl von OEMs als auch von CEMs weitgehend eingehalten werden müssen.

Retronix-Team in Schottland
Das Retronix-Team in Schottland gemeinsam mit Stefan Theil (rechts) von Factronix (Bild: Factronix)

Tipps für nachhaltiges Recyclingmanagement

Präzisions-Recycling:

Re-integrieren Sie hochwertige Komponenten in Ihre Lieferkette, indem Sie Komponenten von Ausschussplatinen zurückgewinnen.

Obsoleszenz:

Rückgewinnung Ihrer Komponenten aus Altbeständen, sowie Neuverzinnung für die Wiederverwendung, elektrischer Komponententest, validieren und überprüfen für die Integration in Ihre Liefer- und Produktionsprozesse. Aufgrund der stetig steigenden Anforderungen an Bauteilgrößen und Packungsdichten der Boards haben sich unsere Aufbereitungsdienstleistung für elektronische Bauelemente zu einer fortschrittlichen und spezialisierten Lösung für unsere Kunden entwickelt. Die gezielte Rückgewinnung von Bauteilen ist für viele unserer Kunden eine effektive Lösung, um der bestehenden Bauteileknappheit zu begegnen und sich mit der Thematik Obsoleszenz neu auseinander zu setzen.

Stefan Theil

Vertriebsleiter, Factronix, Wörthsee

Andrea Nagel

Produktmanagement Retronix, Factronix, Wörthsee

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Unternehmen

Factronix GmbH

Am Anger 5
82237 Wörthsee
Germany