Bastian Rheingans und Jolanta Janczak-Rusch arbeiten an einer Glovebox

Bastian Rheingans und Jolanta Janczak-Rusch arbeiten an einer Glovebox, die im Unterdruck betrieben wird. Damit können bei der Herstellung der Nanopasten auch im Fall eines Lecks keine Partikel in die Umgebung gelangen. (Bild: Empa)

Gordon Moore hatte Recht. Im April 1965 prophezeite der US-Ingenieur und spätere Mitgründer von Intel, dass sich die Zahl der Transistoren auf einem Chip etwa alle zwei Jahre verdoppeln wird. Bis heute hält diese Entwicklung fast ungebremst an – auch weil Chiphersteller weltweit das Mooresche Gesetz als Basis für ihre strategische Planung verwenden.

Doch die Verdoppelung der Anzahl Schaltkreise alle zwei bis drei Jahre kratzt bisweilen an den Grenzen des technisch Möglichen. Dies gilt auch für die Fügetechnologie, die mit den gesteigerten Anforderungen mithalten muss. Denn die immer kleineren und leistungsfähigeren elektronischen Komponenten müssen nach wie vor in größere Systeme integriert werden, ohne dass die Fügeverbindungen zu Kühlkörpern oder Platinen bei Temperaturwechseln oder Erschütterungen auseinanderfallen oder im Betrieb überhitzen. Ein Team aus der Empa-Abteilung „Fügetechnologie und Korrosion“ widmet sich dieser Aufgabe.

Nanoeffekte nutzen

„Wir ersetzen hier einen klassischen Lötprozess durch einen Sinterprozess“, erläutert Empa-Forscher Rheingans. Das heißt, die Partikel in der Fügezone werden nicht aufgeschmolzen, sondern wachsen durch Diffusion zu größeren Partikeln und Körnern zusammen, um dadurch ihre Oberflächenenergie zu verringern. Die Diffusion, das heißt die Bewegung der einzelnen Atome, läuft an Oberflächen und Grenzflächen besonders schnell ab. Da die Nanopartikel im Verhältnis zu ihrem Volumen eine sehr große Oberfläche aufweisen, ist das Sintern auf der Nanoskala besonders ausgeprägt und kann schon bei vergleichsweise tiefen Temperaturen ausgenutzt werden. Bei sehr kleinen Nanopartikeln oder dünnen Nanoschichten wird der Anteil der leicht beweglichen, „flüssigen“ Oberflächenatome sogar so groß, dass der Schmelzpunkt um einige hundert Grad unter den Schmelzpunkt des massiven Materials sinkt. Die Forscher nennen diesen Effekt MPD (Melting Point Depression) und nutzen ihn, um damit effiziente Fügeprozesse zu entwickeln.

Die Pastenentwicklung geht weiter

„Wir arbeiten an Nanopasten mit mehreren Komponenten, um die Eigenschaften der Fügeverbindung zu optimieren und um neue Anwendungsgebiete zu erschließen“, so Rheingans. „Wir untersuchen etwa Kombinationen mit Kupfer und Nickel. Diese Metalle sind preisgünstiger als Silber und zeigen interessante elektrische und thermische Eigenschaften – doch weil es unedlere Metalle sind, oxidieren sie wesentlich leichter. Das gilt es im Fügeprozess zu verhindern. Wir stecken also die Nanopartikel in eine Paste aus organischen Hilfsstoffen, die beim Fügeprozess verdampfen und das Oxid an der Partikeloberfläche reduzieren. Oder wir überziehen die Partikel mit einem schützenden Coating“, erläutert der Forscher. Mit speziellen Analysemethoden wie Röntgenbeugung (XRD) oder Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) lässt sich dann überprüfen, ob die postulierte Methode zum Schutz der Nanopartikel wie gewünscht funktioniert.

Aber auch mit der altbekannten Silber-Nanopaste ist Innovation möglich: „In einem Forschungsprojekt zur Entwicklung von Oxidmembranen für Mikroelektronik konnten wir die Kolleginnen und Kollegen mit unserem Know-how wirkungsvoll unterstützten, um die hauchdünnen Membranen unbeschädigt und stabil auf ein Trägersubstrat zu fügen“, sagt Rheingans. Diese Methode ließe sich auch bei anderen 2D-Materialien anwenden.

Mikroskopie-Aufnahme einer Fügezone
Jolanta Janczak-Rusch und Bastian Rheingans diskutieren die Mikroskopie-Aufnahme einer Fügezone, die mit einem Nanojoining-Verfahren hergestellt wurde. (Bild: Empa)

Diese Fügetechniken gibt es in der Elektronik-Fertigung

  • Löten: Die Grundwerkstoffe werden durch Schmelzen eines zusätzlichen Werkstoffs, dem Lot, miteinander verbunden. Die Werkstücke selbst werden beim Prozess nicht an- oder aufgeschmolzen. Bis 450 Grad Celsius spricht man von Weichlöten (engl. soldering), über 450 Grad von Hartlöten (engl. brazing).
  • Schweißen (engl. welding): Im Unterschied zum Löten werden die Werkstücke teilweise aufgeschmolzen und sind nach dem Abkühlen direkt miteinander verbunden. Oft werden Füllmaterialien in die Schweißnaht eingebracht, um die Menge an geschmolzenem Metall zu vergrößern.
  • Nanofügen (engl. nanojoining) ist eine neue wissenschaftliche Disziplin. Hierzu gehören einerseits Fügetechniken zum Verbinden von Nanoobjekten und anderseits neuartige, hochleistungsfähige Fügeprozesse, die auf Nanoeffekten beruhen. Die Empa ist einer der Hauptakteure dieser neuen Fachrichtung sowie Gründungsmitglied und Hauptsitz der internationalen „Nano- & Microjoining Association“.

Reaktive Folien ersetzen den Lötofen

Für besonders temperaturempfindliche Komponenten gibt es seit einigen Jahren eine weitere Nanojoining-Methode: das sogenannte reaktive Fügen. Dabei ersetzen reaktive Folien den Lötofen als lokale Wärmequelle. Diese bestehen aus einer Vielzahl einzelner Nanoschichten, etwa aus Nickel und Aluminium. Werden diese Nano-Multischichten gezündet, reagieren Nickel und Aluminium und bilden eine neue, chemische Verbindung – dabei wird viel Wärme frei, die den Prozess vorantreibt und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 Metern pro Sekunde über die ganze Fläche laufen lässt. Erst die Schichtdicken im Nanobereich ermöglichen eine schnelle und selbstfortlaufende Reaktion. Lokal werden dabei bis zu 1000 °C erreicht, doch wegen der geringen Dicke der reaktiven Folie bleibt die gesamte erzeugte Wärmemenge klein und auf die angrenzenden Lotschichten beschränkt. So lassen sich auch empfindliche Elektronikelemente schonend und formschlüssig auf Kühlkörper aus Kupfer aufbringen.

Nanoschichtsysteme gegen Wärmestau

Ein Schwerpunkt der letzten Jahre war die Entwicklung von Nanomultischicht-Systemen ausgehend von klassischen Lotsystemen wie Kupfer, Silber, Silber-Kupfer oder Aluminium-Silizium: „Durch die Schmelzpunkterniedrigung und die schnelle Diffusion auf der Nanoskala sind mit diesen Lotwerkstoffen Fügeprozesse schneller und bei tieferen Temperaturen durchführbar als mit konventionellen Lötverfahren“, erklärt Janczak-Rusch.

Nanomultischichten lassen sich aber auch an anderer Stelle im Fügeprozess verwenden: Mit dem kürzlich bewilligten SNF-NCN Lead Agency Projekt „Development of submicro- and nanostructured Cu-Mo composites with tailored properties for thermal management“ widmet sich das Advanced Joining Technologies Team dem Problem der Wärmeableitung bei miniaturisierten elektronischen Komponenten.

„Die interessanten Eigenschaften von Kupfer-Molybdän-Kompositwerkstoffen kamen bereits bei der Konstruktion einer Ionenquelle für die Juice-Mission der europäischen Weltraumagentur ESA zum Einsatz“, erzählt der auf Weltraummissionen spezialisierte Empa-Forscher Hans Rudolf Elsener. Zusammen mit polnischen Forschenden sollen nun gezielt das Potenzial von nanostrukturierten Cu-Mo Multischichtsystemen als Wärmesenke untersucht und geeignete Fügeprozesse für deren Integration entwickelt werden.

 

Chip auf Flip-Chip-Bonder, der mikrometergenau auf ein Trägersubstrat gefügt wurde.
Bastian Rheingans inspiziert an einem Flip-Chip-Bonder einen Chip, der mikrometergenau auf ein Trägersubstrat gefügt wurde. (Bild: Empa)

Empa-Redaktion

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