Die Technologie der Plasmaoberflächenbehandlung ist im Bereich der Halbleiterherstellung vielfältig nutzbar. So kann dieser spezielle Prozess zur Oberflächenbehandlung beim Wire-Bonding und Die-Bonding, dem Thermal-Compress-Bonding und dem Pre-Molding eingesetzt werden. Dabei werden zwei verschiedene Plasmaprozesse unterschieden: Mit dem Niederdruckplasmaverfahren lassen sich gleichzeitig mehrere Bauteile in einer Vakuum-Kammer mit Plasma behandeln. Jedoch können sich bei diesem Verfahren Ausrüstungskosten und lange Prozesszeiten nachteilig auswirken. Eine selektive Behandlung einzelner Bauteile ist überdies nicht möglich.
Hardev Grewal, CEO von Plasmatreat USA, erklärt im Interview die Plasmaoberflächenbehandlung
Das von Plasmatreat entwickelte Openair-Plasma Verfahren erlaubt es hingegen, Bauteile selektiv und gezielt zu behandeln. Das auf einer oder mehreren Düsen basierende Verfahren arbeitet mit Druckluft, benötigt kein kostenintensives Gas und lässt sich auch hochflexibel von einem Roboter führen. Zudem ist es außerdem möglich, Openair-Plasma im Produktionsprozess sowohl inline als auch als Insellösung einzusetzen. Das Verfahren eignet sich für Oberflächenbehandlungen wie Feinstreinigungen, Oberflächenaktivierungen und Plasmabeschichtungen nahezu aller Materialien wie etwa Kunststoffe, Metalle, Glas, Keramik und Verbundstoffe. Ferner eignet sich die Openair-Plasma Technologie zur Reinigung aller metallischen Oberflächen.
Wie die Plasmaoberflächenbehandlung Zeit in der Halbleiterfertigung spart
Für die Halbleiterindustrie ist das Verfahren insbesondere dann interessant, wenn anstelle von Druckluft ein anderes Gas zum Einsatz kommt, beispielsweise spezielle Gasgemische zur Behandlung von Kupfer. Weil dieses Element insbesondere bei höheren Temperaturen äußerst oxidationsempfindlich ist, kommen hierfür normalerweise nur Niederdruckplasmaanlagen oder Verfahren unter Schutzatmosphäre zum Einsatz. Die reduzierende Behandlung mit Openair-Plasma erlaubt hingegen eine sehr schnelle Reinigung von Kupfer-Leadframes ohne erkennbare Verfärbungen des Kupferrahmens. Die geringe thermische Beanspruchung der Bauteile ermöglicht beispielsweise die Bearbeitung von kunststoff- oder metallkernbasierten Platinen ohne thermische Schäden. Aber auch Keramik- und LS-Schalter-Träger lassen sich nach dem Die-Bonding und vor dem Wire-Bonding behandeln. Chip-Schäden durch elektrostatische Ladungen sind bei den elektrisch neutral arbeitenden Plasmadüsen ausgeschlossen.
Auf spezifische Vorgaben ausgelegt
Die Halbleiterindustrie greift bereits seit einiger Zeit auf die von Plasmatreat gefertigten Plasmaprodukte zurück. Dennoch gab die Anfrage eines langjährigen Kunden den Anstoß zur Entwicklung einer speziellen Plasma Treatment Unit (kurz PTU) für die Halbleiterindustrie. „Als etablierter Systemlieferant für unsere PTUs haben wir uns dieser sehr spezifischen Anfrage gerne angenommen“, sagt Nico Coenen, Market Segment Manager Electronics bei Plasmatreat. Bei den PTUs handelt es sich um individuelle Fertigungszellen, die sich nahtlos in Produktionslinien integrieren lassen und dabei auf die prozesstechnischen Abläufe beim Kunden ausgelegt sind. Dazu gehören auch verschiedene Handling- und Automatisierungsoptionen, die eine abgestimmte Prozessautomatisierung für die effiziente Oberflächenbehandlung und ein passgenaues Handling von Baugruppen und Bauteilen ermöglichen. „Da wir bereits vollautomatisierte Systeme für andere Industrien herstellen, mussten wir die für die Entwicklung und Umsetzung des vom Kunden geforderten Systems erforderliche interne Konstruktions- und Automatisierungskompetenz nicht erst aufbauen. Wir haben allerdings unsere Prüfkapazitäten am Standort in Steinhagen ausgebaut und für u. a. dieses spezielle Kundenprojekt einen Reinraum der Klasse 6 eingerichtet“, erklärt Coenen weiter. Mit umfangreicher Kompetenz und Fachkenntnissen konnte Plasmatreat dieses spezifische System für die Halbleiterindustrie entwickeln. Beispielsweise wurden Vakuumspannvorrichtungen zum Fixieren der Bauteil-Trays integriert oder auf SECS/GEM basierende Protokollschnittstellen genutzt.
Wieso muss man Leadframes reinigen?
Diskrete Bauelemente, wie MOSFETs, IGBTs und SOTs werden mit Lotpaste im Die-Attach-Prozess auf den Leadframe aufgelötet. Jedoch hinterlässt die Lotpaste Flussmittelrückstände an den Lötstellen, sodass diese von Hochleistungsmodulen gereinigt werden müssen. Das Clip-Bonden ersetzt die übliche Drahtbond-Verbindung, bei der die Verbindung zwischen Die und Lead aus einer massive Kupferbrücke besteht, die mit Lotpaste gelötet wird. Durch das hohe Energieniveau des Plasmas können Lotpastenrückstände gezielt entfernt werden, ohne die Bauteile groß thermisch zu beanspruchen.
„Um ein inline-fähiges System für die Halbleiterindustrie zu entwickeln und möglichst hohe Taktzeiten garantieren zu können, gilt es bereits während der Konzeptionsphase mehrere Prozessschritte zu berücksichtigen und zielgenau umzusetzen“, betont Coenen. „So haben wir die parallele Behandlung (Dual-lane concept) von zwei Ablagevorrichtungen auf zwei Förderbändern innerhalb eines Systems eingeplant. Wir lesen Barcodes aus, um jeden Chip rückverfolgen zu können. Außerdem können wir einzelne Bauelemente selektiv behandeln und beispielsweise nur die Oberseite eines Bauteils mit Plasma behandeln. Diese spezifische Behandlung ist z.B. mit Vakuumplasma nicht möglich.“
Maximaler Durchsatz
Das „Dual-lane-concept“, mit Anpassung an individuelle Taktzeiten beim Kunden, ist grundsätzlich für verschiedene Anwendungen ausgelegt. So erzielt die Anlage einen maximalen Durchsatz pro Quadratmeter. Das sowohl für Jedec-Trays als auch für Leadframes ausgelegte System kann Ablagefächer mit 8 oder 128 Bauteilen verarbeiten. Ferner wird bei der aktuell ausgelieferten PTU im ersten Schritt der Barcode der in einem JEDEC Tray transportierten Bauteile mittels einer Kamera on the fly ausgelesen. Damit lässt sich jedes einzelne Bauteil rückverfolgen. Im nächsten Schritt werden die Bauteile durch Erzeugung eines Vakuums in den Fächern des Jedec-Trays fixiert. Die anschließende Oberflächenbehandlung erfolgt mittels der mit einer integrierten Absaugung ausgestatteten Rotationsdüsen RD1004. Ist die Plasma-Oberflächenbehandlung abgeschlossen, durchlaufen die Bauteile ein externes, selektives Flux-Modul, wo sie für den anschließenden Thermal-Compress-Bonding-Prozess vorbereitet werden.
Das Dual-lane-concept erlaubt unterschiedliche, der Taktzeit entsprechende Bearbeitungskonzepte. Dazu transportiert das erste Förderband nacheinander zwei befüllte Trays zu definierten Positionen, auf denen die Oberflächenbehandlung stattfindet. Zeitgleich transportiert das zweite Förderband zwei weitere beladene Trays zu den jeweiligen Bearbeitungspositionen. Sobald die Oberflächenbehandlung der Bauteile auf dem ersten Förderband abgeschlossen ist, fahren die beiden Plasmadüsen zum zweiten Förderband und bearbeiten die dort befindlichen Bauteile. Während die fertigen Trays das System verlassen, rücken die nächsten nach. Die Kommunikation innerhalb der Fertigungslinie erfolgt über die Standard-Equipment-Interface-Protokollschnittstelle in der Halbleiterindustrie, SECS/GEM.
„Immer wieder ist die Elektronikindustrie mit einer Bauteileknappheit konfrontiert. Beispielsweise trägt die zunehmende Elektromobilität nicht gerade zur Entspannung bei. Dieser Tatsache wollen wir mit unserem Know-how entgegenwirken“, hebt Coenen hervor. Die Experten wollen daher auch für die Bereiche Automatisierung und Maschinenbau individuelle Plasma-Lösungen konzipieren und umsetzen. Ziel sind taktzeitoptimierte Alternativen in der Herstellung von Chips und Mikroprozessoren.
Der Autor
Florian Schildein, Butter and Salt tech marketing, Berlin