Nach wie vor besitzt der Selektivlötprozess einen hohen Stellenwert in der Elektronikfertigung. Im Gegensatz zum klassischen Wellenlötprozess, bei dem die gesamte Leiterplatte und damit das gesamte aufgebrachte Flussmittel mit Lot und Wärme in Kontakt kommt, erfolgt dieser Kontakt bei den Selektivverfahren namensgemäß nur selektiv, also lokal. Unter der realistischen Annahme, dass der Flussmittelauftrag nicht nur exakt dort erfolgt, wo später Kontakt zum Lot stattfindet, sondern etwas großflächiger, ist davon auszugehen, dass nach dem Selektivlötprozess auf der Leiterplatte Flussmittelrückstände verbleiben, die nicht mit Lot beziehungsweise der entsprechenden Wärme in Kontakt gekommen sind.
Folge hiervon ist, dass sonst ablaufende thermo-chemische Reaktionen des Flussmittels, die in der Regel zu einer Reduzierung von dessen Aktivität und damit letztlich auch Korrosivität führen, nicht vollständig stattfinden. Dies ist verbunden mit einem auch in der Praxis beobachteten erhöhten Risiko für Korrosion und Elektromigration.
Prüfung der Korrosions- und Elektromigrationsgefahr
Die in der gültigen Normung vorgesehenen Prüfverfahren (z.B. nach DIN EN ISO 9455-17) wurden so konzeptioniert, dass sie die Bedingungen eines üblichen Wellenlötprozesses abbilden. Somit kann der Anwender bei sachgemäßer Nutzung sicher davon ausgehen, dass ein gemäß gültigen Normen als L0 eingestuftes Flussmittel für wellengelötete Bauteile kein Risiko hinsichtlich Korrosion oder Elektromigration darstellen wird. Einzelne Probleme aus der industriellen Praxis und wissenschaftliche Untersuchungen [Weg11] zeigen aber, dass dieser Rückschluss für Selektivlötprozesse aufgrund der beschriebenen Problematik der unvollständigen thermo-chemischen Reaktionen nicht uneingeschränkt zulässig ist.
Um die Einschränkung der Gültigkeit von Normprüfungen zu überwinden, wurde vor wenigen Jahren am Fraunhofer IZM/ZVE ein modifizierter Elektromigrationstest entwickelt, der genau die Problematik „ungelöteter“ Flussmittelrückstände adressiert [Weg11]. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich zwischen Normprüfung und modifiziertem Verfahren.
Positiver Nebeneffekt der Prüfung der thermisch unbehandelten und damit potenziell aggressiveren Flussmittelrückstände ist eine verkürzte Prüfdauer, nach der bereits zuverlässige Aussagen möglich werden. Mithilfe dieses Verfahrens konnte vom Fraunhofer IZM/ZVE gezeigt werden, dass einzelne Flussmittel die als ROL0 oder ORL0 eingestuft sind und demnach also das Normprüfverfahren bestehen (müssen), klar versagten und nach kurzer Zeit bereits kritische Widerstandwerte unterhalb des typischen Grenzwertes von 100 MOhm verursachten (Bild 2).
Sicherheit für den Anwender
Auch wenn eine Prüfung nach dem modifiziertem Prüfverfahren noch keinen Einzug in die Normung gehalten hat, kann dieses dem Anwender von Flussmitteln in Selektivlötverfahren ein deutliches Plus an Sicherheit liefern. Somit wurden auch die beiden aktuellsten Flussmittel von Elsold, die bislang vor allem in Wellenlötprozessen erfolgreich eingeführt wurden, das alkoholbasierte Flussmittel 1025 NC und das VOC-freie, wasserbasierte Flussmittel 3007 NC (Bild 1), hinsichtlich ihrer Eignung und Sicherheit für Selektivlötverfahren geprüft. Die beiden harz- und halogenidfreien Flussmittel sind als ORL0 klassifiziert und entsprechend geprüft. Sie zeichnen sich durch eine sehr gute Aktivität und gleichzeitig geringe Rückstände aus, die Säurezahl (in mg KOH/g Flussmittel) liegt beim 1025 NC bei 21 und beim 3007 NC bei 29, der Feststoffgehalt bei 2,4 Prozent respektive 3,5 Prozent.
Literaturhinweis
[Weg11]: S. Wege: Modifiziertes Prüfverfahren zur Klassifizierung von Flussmitteln. In: Jahrbuch Mikroverbindungstechnik 2011/2012, ISBN: 978-3-87155-292-2, DVS 2011
DIN EN ISO 9455-17:2006-09: Flussmittel zum Weichlöten – Prüfverfahren – Teil 17: Bestimmung des Widerstandes der Oberflächenisolierung, Kammprüfung und elektrochemische Migrationsprüfung von Flussmittelrückständen (ISO 9455-17:2002)
DIN EN ISO 9455-15:1999-06: Flußmittel zum Weichlöten – Prüfverfahren – Teil 15: Kupferkorrosionsprüfung (ISO 9455-15:1996)
Die Prüfung der Sicherheit ungelöteter Rückstände erfolgte gemäß dem modifizierten Verfahren (Tabelle 1) auf IPC-B24 Prüfkörpern mit Kupferleiterbahnen. Die aufgetragene Flussmittelmenge betrug ca. 0,25 ml. Dies entspricht den zweitkritischsten Bedingungen nach [Weg11], eine noch kritischere Prüfung von 1 ml Flussmittel erwies sich aufgrund der sehr großen Flüssigkeitsmenge als praxisfern.
Bild 2 zeigt das Prüfergebnis beider Flussmittel im Vergleich zu Messwerten [Weg11]. Beide Flussmittel zeigen in der Prüfung auch im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten gute beziehungsweise beim 1025 NC sogar sehr gute Widerstandswerte, die deutlich oberhalb des üblichen Grenzwertes von 100 MOhm liegen. In Hinblick auf die Widerstandswerte – als erstes entscheidendes Kriterium bei der Elektromigration – sind beide Flussmittel somit als sicher auch für Selektivlötverfahren zu bewerten.
Dem Dendritenwachstum begegnen
Eng verbunden mit dem Widerstandswert beziehungsweise einem möglichen Abfall ist das Auftreten des so genannten Dendritenwachstums, das zu einer elektrisch leitenden Verbindung zwischen den Leiterbahnen führen könnte. Zur Prüfung dieses zweiten Kriteriums erfolgt daher grundsätzlich im Anschluss an die eigentliche Prüfung eine mikroskopische Begutachtung der Prüfkörper. In den Bildern 3 a, b, c sind repräsentative Bereiche der Leiterbahnen nach Prüfung mit den Flussmitteln 1025 NC und 3007 NC sowie zu Vergleichszwecken von einem nicht sicheren, für diese Anwendung zu stark aktivierten, wasserbasierten Flussmittel gezeigt. Entsprechend dem sehr hohen Widerstandswert sind beim Flussmittel 1025 NC (Bild 3 a) keinerlei Dendriten und Korrosion zu erkennen. Beim Flussmittel 3007 NC ist zwar eine Grünfärbung erkennbar (Bild 3 b), diese ist jedoch aufgrund der höheren Säurezahl und Aktivität zum einen erklärlich und zum anderen auch gemäß DIN EN ISO 9455-15 (Kupferkorrosionsprüfung) nicht als kritische Korrosion zu werten. Ein Dendritenwachstum, das zum Vergleich in Bild 3 c gezeigt ist, tritt beim Flussmittel 3007 NC nicht auf.
Somit sind auch ungelötete Rückstände der beiden Flussmittel 1025 NC und 3007 NC von Elsold abschließend als unkritisch in Hinblick auf Elektromigration und Korrosion zu bewerten. Beide Flussmittel stellen damit eine geprüft sichere Wahl sowohl für Wellenlötprozesse als auch für Selektivlötprozesse dar. Sie können in beiden Prozessen mitsamt ihren Vorteilen hinsichtlich Aktivität, Lötverhalten und geringen, optisch unauffälligen Rückständen problemlos eingesetzt werden.
Egal ob aufgrund der schnelleren Trocknungszeit das alkoholbasierte 1025 NC oder aufgrund der VOC-Freiheit das 3007 NC gewählt wird, steht in beiden Fällen somit ein für alle Prozesse geeignetes Flussmittel bereit. Diese universelle Einsetzbarkeit kann durchaus auch die Logistik und Qualitätssicherung im Betrieb vereinfachen.Neben der im Laborversuch gezeigten Sicherheit wurde die Eignung und Qualität beider Flussmittel sowohl im umfang- und erfolgreichen industriellen Einsatz beim Wellenlöten als auch bereits bei ersten Kundeneinsätzen zum Selektivlöten nachgewiesen.
Flussmittel für die Elektronikfertigung
Elsolds Elfux 1025 NC und Elflux 3007NC sind lösemittelbasierte, halogenidfreie, organische No-Clean-Flussmittel, die sowohl für den Wellenlöt- als auch Selektivlötprozess geeignet sind. Während das Flussmittel 1025 NC feststoffarm und harzfrei ist wurde das Elflux 3007 NC als aktivstes Flussmittel der 3000er Elflux-Serie mit dem Ziel entwickelt, auch bei schwierigen Leiterplatten optimale Lötergebnisse bei minimalen Flussmittelrückständen nach dem Löten zu bieten. Die äußerst geringen Rückstände auf den Leiterplatten sind nicht klebrig und stören nicht beim Incircuit-Test. Die Reinigung der geringen Flussmittelrückstände an den Lötstellen ist nicht erforderlich. Auch eine Prüfung hinsichtlich Elektromigration beim Selektivlöten nach dem Fraunhofer IZM/ZVE-Verfahren wird erfolgreich bestanden.
(mrc)