Bild 1: Schema der Herstellung der Hohlleiterstrukturen

Bild 1: Schema der Herstellung der Hohlleiterstrukturen (Bild: Becker & Müller)

Die Verfügbarkeit entsprechender hochfrequenter Sende- und Empfangschips ist aber nur eine Seite der Medaille. Die elektronischen Einzelkomponenten müssen schließlich zu einem Gesamtsystem zusammengefügt werden. Aus diesem Grund hat der Leiterplatten-Spezialist Becker & Müller als Resultat eines BMWK-geförderten Gemeinschaftsprojekts mit der TU Berlin eine Technik entwickelt, die es erlaubt, gesamte Hochfrequenzsysteme bei geringen Signalverlusten äußerst kostengünstig zu fertigen. „Durch den sogenannten Skin-Effekt werden die hohen Frequenzanteile vornehmlich an der Oberfläche der Leiterzüge geleitet“, erklärt Janik Becker, Geschäftsführer von Becker & Müller Schaltungsdruck. „Dort sehen die Signale aber viel von dem Leiterplattenmaterial, das signifikant Leistung absorbiert. Auch der Einsatz teurerer Hochfrequenz-Leiterplattenwerkstoffe und ein elektromagnetisches Design mit Abschirmungsleitern helfen nur bedingt, die basismaterialbedingte Signalabsorption zu begrenzen. Damit ist die bisherige Leiterplattentechnik nur bis ca. 60 GHz sinnvoll nutzbar.“

Wie kann diese Limitierung nun aufgelöst werden?

Diese Frage stand im Mittelpunkt eines mit Bundesmitteln geförderten Gemeinschaftsprojekts namens „Tera-Hertz-PCB: Entwicklung von Designrichtlinien und Fertigungsprozessen zur Integration von Terahertz-Systemen in Standard-Leiterplatten“. Als Kernprämissen des Projekts stand die Nutzung bereits in der Leiterplattenfertigung vorhandener Produktionsmaschinen in Verbindung mit der Suche nach einer kostenoptimierten Lösung. „Die Grundidee des Lösungskonzepts war, durch Fräsprozesse Hohlleiter in den Leiterplatten zu erzeugen, die Hohlleiter galvanisch zu metallisieren und die Struktur mit einem Metallplättchen, z.B. im Zuge der SMD-Bestückung, zu verschließen“, erläutert Janik Becker. „So bildet sich ein geschlossener Hohlleiter, wobei das im Inneren geführte Signal gar nicht mehr mit dem Leiterplattenmaterial wechselwirkt - das ist ja jenseits der Metall-Barriere. Das bedeutet, dass wir hier das vergleichsweise günstigste FR4-Material verwenden können – auch für sehr hohe Frequenzen weit jenseits der 100 GHz.“

Weiterhin bietet diese Technik die Möglichkeit, Antennen direkt zu integrieren: Einmal als trichterförmige Erweiterungen des Hohlleiters im Sinne einer Hornantenne am Leiterplattenrand für die seitliche Abstrahlung, zum anderen als Schlitzantenne durch Aussparungen im Deckelplättchen zur Abstrahlung senkrecht bzw. in einem durch den Schlitzabstand definierten Winkel zur Leiterplattenoberfläche.  Ergänzt wird der so entwickelte Systembaukasten durch Hohlleiterstrukturen, die das Signal in einem definierten Leistungsverhältnis auf verschiedene Kanäle aufsplitten, Filterstrukturen, Kopplungspunkte zu klassischen Leiterzügen auf der Leiterplattenoberfläche und gebogene Leiterzüge. „Diese Elemente wurden baukastenartig für das Leiterplattendesign aufbereitet, sodass der Kunde sein Hochfrequenzsystem einfach per Drag&Drop zusammenstellen und fertigen lassen kann – ein enormer Mehrgewinn an Einfachheit, Komfort und Individualität“, freut sich Becker.

Immer höhere Frequenzen als Anspruch

In der Entwicklung war es wichtig, stets kompatibel zu den Standard-Leiterplattenprozessen zu bleiben, um die neuartige PCB-integrierte Hohlleitertechnologie kosteneffizient in neue Systeme integrieren zu können. Bild 1 zeigt schematisch die Herstellung der Hohlleiterstrukturen. Als erstes (vgl. Bild 1a) wird eine PCB wie gewöhnlich mit allen benötigten Innenlagen hergestellt. Im nächsten Schritt, (Bild 1b) wird die Hohlleiterstruktur in das PCB-Material gefräst. Die Abmessungen der Hohlleiter sind dabei von den zu leitenden Frequenzen abhängig, für 60 GHz z.B. 2.8 mm breit und 0.8 mm tief. Die Wände der so erzeugten Vertiefungen werden dann galvanisch mit Cu beschichtet (ca. 30 µm), siehe Bild 1c. Um den Hohlleiter zu schließen, wird ein passend geschnittenes 70-µm-Kupfer-Deckblech, hier lasergeschnitten, an den Rändern der Gräben angelötet (Bild 1d). Diese Bestückung mit den Blechen kann beispielsweise im Schritt der SMD-Bestückung mit erfolgen.

Basierend auf dieser Technik wurden folgende funktionale Blöcke realisiert:

  • Leitungsabschnitte
  • Ein- und Auskoppelstrukturen zu (koplanaren) Streifenleitungen auf der PCB-Oberfläche
  • Hornantennen mit Abstrahl-Charakteristik ausgehend von den Seiten der PCB
  • Schlitzantennen zur Abstrahlung senkrecht zur PCB-Oberfläche (oder in einem definierten Winkel dazu gekippt)
  • Verzweigungen mit definiertem Teilungsverhältnis der Signalstärke
  • Frequenz-Filter-Strukturen

Vergleich mit konventionellen Leitungsstrukturen

In der HF-Technologie wird typischerweise auf Mikrostreifen oder Ground-Koplanarleitungen gesetzt. Diese haben den Vorteil, dass sie schon bei Gleichstrom für das Transportieren von Leistung verwendet werden können. Dafür haben diese Leitungen bei höheren Frequenzen zusätzliche Verluste durch das Substratmaterial, aber auch gleichzeitig durch Rauigkeit an den verschiedenen Interfaces zwischen Metall und Substrat. Um diese Herausforderungen zu lösen, kann man solche Leitungen auch in Hohlleiterform umsetzen und direkt in die Leiterplattentechnologie integrieren. Die Hohlleiter haben aber den Nachteil, dass sie keine klassischen TEM-Moden aufweisen, sondern entweder ein TE- oder TM-Mode. Dadurch ist die Cutoff-Frequenz direkt abhängig von den Abmessungen des Hohlleiters (nur mit TEM-Moden gibt es eine Leitung bei Gleichstrom). Im Vergleich von beiden Leitungstypen ergibt sich deswegen das Bild, dass die klassischen Leitungstypen bis ca. 50 GHz bessere Performance zeigen als der demonstrierte Hohlleiter. Der Grund ist, dass die Cutoff-Frequenz bei ca. 60 GHz liegt. Anschließend bleiben die Verluste über den Hohlleiter relativ stabil, wobei die Verluste bei der konventionellen Leitung weiter abfällt.

Bild 2: Performance eines Hohlleiters aus dem gemeinsamem Forschungsprojekt mit Be-cker&Müller und der TU-Berlin.
Bild 2: Performance eines Hohlleiters aus dem gemeinsamem Forschungsprojekt mit Be-cker&Müller und der TU-Berlin. (Bild: Becker & Müller)

5G – Was es zum Mobilfunkstandard zu wissen gibt

5G PCB with micro electronics
(Bild: denisismagilov @ AdobeStock)

5G gilt als Schlüsseltechnologie in vielen Bereichen. Größere Datenmengen bei höheren Übertragungsgeschwindigkeiten sind der Grund. Wie funktioniert die Technologie? Welche schnell ist es? Die Antwort auf diese und andere Fragen finden Sie in unsere Übersicht.

Innerhalb des Projektes wurden verschiedenen Teilkomponenten untersucht (Bild 3). Dabei lag der Fokus darauf, diese Teilsysteme innerhalb des Projektes so aufzubereiten, dass aus ihnen später bausteinartig beliebige Systeme aufgebaut werden können.

Bild 3: Darstellung der Vorgehensweise innerhalb des Projekts
Bild 3: Darstellung der Vorgehensweise innerhalb des Projekts (Bild: Becker & Müller)

Die Leitung sowie die Antennen, Filter und Power-Divider-Strukturen (Signal/Leistungs-Verzweigung) wurden im Detail designt und elektrisch charakterisiert. Als Beispiel sind in diesem Artikel die Hornantennen (Bild 4) sowie die Power Divider (Bild 5) und deren Performanz bei Frequenzen jenseits von 100 GHz dargestellt. Es zeigt sich, dass die Strukturen deutlich leistungsstärker als vergleichbare Strukturen in planarer Technologie sind. Diese Strukturen wurden anschließend in eine Datenbank überführt, welche PDK genannt wird. PDK steht für Physikalische Designer Kits.

Bild 4: Ergebnisse der Hornantennen (links: Struktur, mitte: Gain, rechts: Reflektionsfaktor)
Bild 4: Ergebnisse der Hornantennen (links: Struktur, mitte: Gain, rechts: Reflektionsfaktor) (Bild: Becker & Müller)

Anwendung der PDKs

Nachdem die PDKs abgeleitet wurden, konnte auf deren Basis ein Demonstrator-System zusammengestellt werden. Bei diesem handelt sich um einen 79-GHz-Short-Range Radar. Aus den vorhandenen PDKs (Bild 6) wurden anschließend Strukturen ausgewählt, welche für den Demonstrator im Layout zusammengesetzt wurden.

Bild 5: Darstellung der Ergebnisse für den Power Divider und Koppler
Bild 5: Darstellung der Ergebnisse für den Power Divider und Koppler (Bild: Becker & Müller)
Bild 6: Darstellung der Struktur der PDKs
Bild 6: Darstellung der Struktur der PDKs (Bild: Becker & Müller)

Typischer Weise wird für solch eine Schaltung ein Schaltplan entworfen. In dem Schaltplan wurde direkt die PDK-Modelle mit integriert, damit die Strukturen direkt beim Layout mit platziert werden können. Das finale Layout mit der PDK-Struktur ist in Bild 7 dargestellt.

Anhand von Design-Regeln wird dann geprüft, dass Leitungen oder Abstände so groß wie nötig, aber so klein wie möglich sind. Basierend auf diesen Informationen werden zuerst die kritischen HF-Leitungen sowie die Stromversorgung angeordnet und anschließend die restlichen Bauteile platziert (Bild 8).

Bild 7: Schaltplan und Integration der PDK in den Altium Schaltungsdesigner
Bild 7: Schaltplan und Integration der PDK in den Altium Schaltungsdesigner (Bild: Becker & Müller)

Hohlwellenleiterstrukturen überzeugen bei über 60 GHz

Die Arbeiten haben gezeigt, dass es unter Einsatz von etablierter Leiterplattentechnik möglich ist, Hohlleiterstrukturen in Leiterplatten einzubringen. Dafür werden miniaturisierte Hohlleiterstrukturen in konventioneller Leiterplattentechnik gefertigt. Auf Grundlage dieses Konzepts konnten ex-trem verlustarme Strukturen bis ≤ 140 GHz aufgebaut und vermessen werden, wobei das Systemkonzept wesentlich höhere Frequenzen ermöglicht. Neben einfachen Punkt-zu-Punkt-Leitungen wurden Verzweigungen mit einstellbaren Teilungsverhältnis, Filterstrukturen und Antennen zur Abstrahlung entlang der Oberfläche der Leiterplatte und senkrecht dazu entwickelt. Alle Leitungsteile sind so konzipiert, dass sich ein Anwender sein Zielsystem frei aus den einzelnen Blöcken auf der Leiterplatte konfigurieren kann. Dies kann so im Produktionsprozess eingebunden werden, dass eine weitere Bestückung der Leiterplatte wie gewohnt möglich ist. Die Messungen haben bestätigt, dass für Anwendungen mit Frequenzen über 60 GHz die Hohlwellenleiterstrukturen signifikant verlustärmer sind – Faktor 2. Zur einfachen Adaption der Technik auf neue Anwendungen wurden aus dem prinzipiellen Aufbau eines Hochfrequenzsystems Bausteine definiert, die es ermöglichen, solche Systeme – ohne Simulationen der Hochfrequenzeigenschaften – zusammenzustellen und dazu gleich die notwendigen Produktionsdaten zu liefern. Diese PDKs konnten erfolgreich in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.

Bild 8: Aufbau des Demonstrators
Bild 8: Aufbau des Demonstrators (Bild: Becker & Müller)

Für weitere HF-Projekte offen

CEO Janik Becker zeigt sich mehr als zufrieden mit den Erkenntnissen: „Die Kooperation mit unseren Partnern von der TU Berlin war eine tolle Sache – technologisch wie auch persönlich. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projektes ist es für uns nun möglich, beim Designen von Hochfrequenzsystemen mittels Verwendung der PDKs unterstützend zur Seite zu stehen.“ Angesichts der Ableitung interner Designrules auf die jeweiligen Blöcke sowie deren Validierung sind dabei sowohl Funktion als auch Umsetzbarkeit der Hohlleiterstrukturen gegeben. „Erste Projekte für die praktische Umsetzung sind bereits in Planung“, lässt Becker wissen.

Die Autorin: Dipl. Ing. Dipl. Wirt. Ing (FH) Petra Gottwald

Petra Gottwald / Redaktion all-electronics
(Bild: Petra Gottwald)

Die Doppel-Ingenieurin (Textiltechnik und Wirtschaft) hat nur ein Ziel: Sie möchte Menschen für technische Themen begeistern - ob sie wollen oder nicht. So kommt es schon 'mal vor, dass sie ihren Freunden die komplexe Herstellung einer Leiterplatte in einer packenden Story erzählt oder wie man Elektronik in Textilien einbaut. Privat düst sie auf leisen Sohlen durch die Gegend, denn sie hat seit 2016 ein Faible für Elektromobilität und will mit ihrem Wissen Interessierten die Reichweitenangst beim voll-elektrischen Fahren nehmen.

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