
Bild 4: Das Testmittel für den Nachweis von Flussmittel- oder Harzrückständen wird direkt aus der Dosierflasche auf die Leiterplatte aufgetragen. (Bild: etech-weber)
Ganz egal, ob Baugruppen beschichtet, vergossen oder anderweitig verarbeitet werden – wenn später Schutzlacke abplatzen oder sich der Verguss löst, sind die Ursachen oft schnell gefunden, aber kaum mehr zu beseitigen: Nicht entfernte Verschmutzungen. Das Kernproblem dabei: Die meisten langzeitschädlichen Rückstände und Verschmutzungen sind weder mit bloßem Auge noch durch Vergrößerung erkennbar.

Bild 1: Harzrückstände auf der Platine sind die Ursache für die Delamination dieser Leiterplatte. Zestron
Diese Verschmutzungen machen Probleme
Nichtionische Rückstände
Meist sind das nicht leitfähige, organische Harze, Öle oder Fette. Als Isolatoren können Sie schon im Bestückprozess zu Problemen bei Steckkontakten führen. Wegen ihrer geringen Oberflächenspannung und schlechten Benetzbarkeit sorgen sie für eine schlechte Haftung von Lötmasken, Schutzlacken und Vergussmaterialien. Zudem haben Harze und Schutzlacke sehr verschieden Ausdehnungskoeffizienten. Rissbildung und Delamination (Bild 1) sind nur eine Frage der Temperaturveränderung und damit der Zeit. Feuchtigkeit ist an dieser Stelle nicht einmal nötig. Bild 2 zeigt den Prozessablauf schematisch. Dass Risse in Coatings auf Harzrückstände zurückzuführen sind, mag noch naheliegend sein. Aber wer weiß schon, dass Bitfehler in digitalen HF-Schaltungen häufig auf Harzrückständen beruhen?

Bild 2: Unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten setzen den Schutzlack unter Stress, bis dieser bricht. Zestron
Ionische Verschmutzungen
Basis dieser Verschmutzungen sind meist Reste der Aktivatoren aus Flussmitteln. Da die entsprechenden Prozesse vor der Harzbildung ablaufen, liegen diese Rückstände häufig unter einer Harzschicht (Bild 2). Flussmittelrückstände sind meist hygroskopisch, ziehen also Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft an. Da Schutzlacke in aller Regel dampfdurchlässig sind, quellen die Rückstände auf. Das führt dazu, dass der Schutzlack stellenweise abplatzt.

Bild 4: Das Testmittel für den Nachweis von Flussmittel- oder Harzrückständen wird direkt aus der Dosierflasche auf die Leiterplatte aufgetragen. etech-weber
Die enthaltenen Metallionen gehen mit den wasserlöslichen Verbundstoffen in Lösung und erhöhen damit die Leitfähigkeit dieses Schmutzfilms. In einem elektrischen Feld wandern die gelösten Ionen von der Anode zur Kathode und werden dabei als metallische, leitfähige Struktur abgeschieden (Bild 3). Da diese Struktur einem Baum oder Strauch ähnelt, spricht man auch von Dendriten. Diese metallischen Brücken führen zu reduzierten (Isolations-)Widerständen und im ungünstigsten Fall sogar zu permanenten Kurzschlüssen bzw. Kriechströmen. Zudem ist die Korrosion von Anschlusskontakten eine Gefahr. Erfahrungsgemäß führt ionische Kontamination zu einer größeren Anzahl von Ausfällen.
Blockierte Vernetzungsreaktionen
Flussmittel und Lot können zu organischen Zinnsalzen reagieren. Diese blockieren Vernetzungsreaktionen, vor allem bei Silikonen. Die Folge: mangelnde Haftung und die Gefahr der Unterwanderung. Schwefel- bzw. Ammoniumverbindungen haben die gleiche Auswirkung – allerdings auf Lacke.

Bild 5: Anschließend wird das Testmittel abgespült (li.) und die Leiterplatte getrocknet. etech-weber
Wie man diese Rückstände sichtbar macht

Bild 6: Rückstände von Flussmittelaktivatoren aus einem Lötprozess werden durch das Testmittel blau eingefärbt und sind unter Licht gut sichtbar. e-tech Weber
Dafür gibt es einfach anzuwendende Tests der einschlägigen Hersteller. Flussmittelrückstände lassen sich beispielsweise mit dem Flux-Test von Zestron nachweisen. Dazu wird der Indikator direkt aus der Dosierflasche auf die Leiterplatte aufgetragen (Bild 4), mit VE-Wasser abgespült und die Leiterplatte anschließend getrocknet (Bild 5). Rückstände verbleiben blau eingefärbt (Bild 6) und sind unter Licht gut zu erkennen (Bild 7). Nach der Reinigung sind die Rückstände entfernt (Bild 12). Ähnlich funktioniert der Resin-Test, der Harzrückstände sichtbar macht. Dies wäre für die Schaltung in Bild 8 nicht einmal erforderlich; die Rückstände sind schon mit bloßem Auge zu erkennen.

Bild 7: Hier haben sich Rückstände zwischen zwei Lötstellen verirrt – und setzen durch die enthaltenen Metallionen den Isolationswiderstand deutlich herab. Zestron
Die Oberflächenspannung ermitteln
Lötstopplack haftet nur dann gut, wenn die Oberfläche der Leiterplatte ausreichend benetzbar ist. Das setzt eine möglichst hohe Oberflächenspannung voraus, die sich mit kalibrierten Testtinten bestimmten lässt. Für gute Ergebnisse sollte die Oberflächenspannung mindestens bei 40 mN/m liegen. Als Faustregel kann man annehmen, dass professionelles Reinigen die Haftkraft von Lacken um 50 Prozent erhöht.

Bild 8: Die Harzrückstände sind hier schon mit bloßen Auge zu erkennen. Klarheit verschafft der Resin-Test. Zestron
Die JSTD-001-D, die IPC-TM-650 oder der Leitfaden der Gesellschaft für Korrosionsschutz (GfKORR) definieren be-stimmte Anforderungen an die Oberflächenreinheit. Diese sind in aller Regel nur durch einen professionellen Reinigungsprozess zu gewährleisten. Der Sinn der Reinigung ist aber nicht nur, „Schmutz“ zu entfernen, sondern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Beschichtungen optimal haften können. Nur dann ist eine Schutzlackierung sinnvoll (Bild 10).
Standard-Reinigungsprozess gibt es nicht
Reinigungsprozesse müssen immer auf die Baugruppe abgestimmt sein; die generelle Reinigung, die immer funktioniert und Top-Ergebnisse liefert, gibt es nicht. Die Art des Reinigers muss dabei genauso zur Baugruppe passen, wie der Reinigungsprozess an sich und seine Parameter. Bei aufwändigen Baugruppen oder falls komplexe Nachbearbeitungsschritte geplant sind, sollten Kunden darauf drängen, einen ausführlichen Bericht über die Reinigung zu erhalten, der die Zustände vor und nach der Reinigung konkret aufzeigt.
Vor allem folgende Parameter sind für die Langzeitstabilität von Schutz- und Vergussmaßnahmen wichtig (Bild 9):
- die Ionische Kontamination sollte kleiner 0,4 µg/cm² NaCl-Äquivalent sein,
- die Oberflächenspannung größer 40 mN/m
- Aktivatoren sollten vollständig entfernt sein (z.B. Flux-Test rückstandsfrei)
- Harz sollte vollständig entfernt sein (z.B. Resin-Test rückstandsfrei)
Die Wahl des richtigen Reinigungsmittels
Wasserbasierte Reiniger sind grundsätzlich umweltfreundlicher, geruchsarm, nicht brennbar und geben weniger Lösungsmittel an die Umgebung ab. Dennoch müssen sie zum Reinigungsverfahren passen. Denn Reiniger für das Ultraschallbad funktionieren in der Spülmaschine nicht zwangsweise genauso gut. Damit ist die Anwendung wasserbasierter Reiniger komplexer. Manche nutzen Tensidtechnologien, um Verunreinigungen von der Leiterplatte zu lösen. Dazu reduzieren sie die Oberflächenspannung an den Trennungsflächen, bis die Verunreinigung in Lösung geht bzw. emulgiert. Flussmittelentferner arbeiten mit Esterspaltung und neutralisieren damit Flussmittelsäuren. Nachteilig ist, dass wasserbasierte Reiniger – wie in der heimischen Spülmaschine – häufig mehrere Phasen durchlaufen müssen, um den Reinigungsprozess abzuschließen.
Anforderungen an die Eigenschaften von Reinigern
Je nach Baugruppe muss es dem Reiniger beispielsweise gelingen, ionische Rückstände unter Komponenten zu entfernen, wobei es unter anderem auf den Abstand der Komponenten und der Leiterplatte, den Standoff, ankommt. Werden unterschiedliche Materialien gelötet bzw. gebondet, oder ist allgemein mehr Flussmittel im Einsatz, muss der Reiniger die Reste vollständig entfernen können. Aus optischen Gründen sind ggf. auch glänzende Lötstellen gefordert, welche der Reiniger ohne zusätzliche Additive schaffen sollte (Bild 10). Zudem ist eine hohe Ergiebigkeit sowie eine lange Standzeit des Reinigungsbads gewünscht. Des Weiteren sollte er leicht abspülbar sein und keine Rückstände hinterlassen.
Ablauf der Baugruppenreinigung
Für eine professionelle Baugruppenreinigung sind mindestens die folgenden fünf Schritte erforderlich:
1) Analyse der Baugruppe und Ermitteln der Prozessparameter (z.B. verwendete Lotpasten, Standoffs, hygroskopische Bauteile…)
2) Auswahl der passenden Reinigungschemie
3) Durchführen des Reinigungsprozesses
4) Trocknung im Umluftofen (reicht meist völlig aus, wenn die Prozessparameter richtig gewählt wurden) oder alternativ im Vakuum-Ofen (führt zu höheren Kosten, bringt aber nicht zwangsweise bessere Ergebnisse)
5) Analyse der gereinigten Baugruppe nach den oben angegebenen Kriterien. Wenn OK, Prozessparameter einhalten und überwachen. Wenn nicht in Ordnung, Prozessparameter anpassen, ggf. andere Reinigungschemie wählen und Schritte 3, 4 und 5 erneut durchlaufen.
Tipps vom Profi
Es ist immer darauf zu achten, dass Reinigung, Handling und Verpackung vollständig in einem ESD-geschützten Bereich ablaufen. Sonst können statisch aufgeladene Verpackungen vor allem ionische Verschmutzungen „aufsaugen“ und auf dem Transportweg an die Baugruppe abgeben. Vergossenen oder lackierten Bauteilen sieht man meist nicht mehr an, ob sie zuvor korrekt gereinigt wurden. Klarheit schafft an dieser Stelle nur eine Röntgeninspektion. Vor allem ionische Verschmutzungen, aber auch Harzspritzer sind darin gut zu erkennen (Bild 11).
(pg)
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