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"Coopetition ist bei Cloud-Lösungen die Realität." Dr. Florian Beil, Siemens (Bild: Red. IEE)

Herr Beil, in Hannover stand die neue Version 3 von Mindsphere im Mittelpunk. Was sind die drei wichtigsten Features, die dazukommen?

Auf die Schnelle

Das Wesentlliche in 20 Sek.

  • Erweiterte Anbindungsmöglichkeiten über MindConnect
  • Mindsphere World steht allen offen
  • Nach SAP Hana und Amazon Web Services folgt Integration in Microsoft Azure
  • Datenhoheit sichergestellt
  • auch individuelle MindApps sind möglich
  • Sourcecode von Apps muss nicht offengelegt werden

Florian Beil: Eines der wichtigsten Features, die wir stark ausgebaut haben, ist die Connectivity. Unsere MindConnect IoT-Extensions unterstützen inzwischen ein viel breiteres Spektrum an Maschinen, aber genauso auch andere IT-Systeme. Mindsphere-Anwender können sehr viel mehr Assets und Datenquellen direkt anschließen. Das zweite Thema betrifft den Ausbau der Analytik, etwa in Richtung Predictive Learning-Algorithmen. Ein weiterer Meilenstein ist für mich die Integration in die Infrastruktur von Amazon AWS. Wer will, kann jetzt die Mindsphere auf Amazon Web Services aufsetzen. Global betrachtet erschließen wir damit ein sehr großes Potenzial, weil AWS aufgrund seiner Stabilität und Skalierbarkeit mit den größten Footprint in Rechenzentren hat.

Wie sehen Sie Amazon Web Services in Bezug auf Security, Datenschutz und letztendlich auch die Datenhoheit für Ihre Anwender?

Florian Beil: Wir erfüllen nicht erst mit der Mindsphere V3 alle relevanten Sicherheitsstandards. Das gilt für Data in Motion wie auch für Data in Rest, also für die Datenübertragung von der Datenquelle zum Rechenzentrum, wie auch für die Speicherung und Verarbeitung im Rechenzentrum. AWS erfüllt ebenso alle relevanten Standards. Und wir stellen sicher, dass Kunden auch mit AWS die Datenhoheit behalten.

Es gibt ja unwahrscheinliche viele Clouds, eine Studie besagt über 450. Ich sehe hier eine unglaubliche Wettbewerbssituation, gleichzeitig aber auch einen Kooperationszwang bei den Infrastrukturen. Wie geht Siemens damit um?

Florian Beil: Es gibt dafür den treffenden Begriff Coopetition. Firmen arbeiten zusammen, obwohl sie zueinander im Wettbewerb stehen. Bei Cloud-Infrastrukturen ist das einfach ein Muss. Es macht keinen Sinn, dass Siemens selbst Rechenzentren global aufbaut oder Unternehmen überzeugen zu wollen, eine zusätzliche Plattform zu installieren und zu betreiben. Daher nutzen wir die Standardtechnologien und Anbieter, die zur Verfügung stehen. Das beschleunigt gleichzeitig unseren Markteintritt und vergrößert das Spektrum an potenziellen Kunden. Auf der anderen Seite haben Kunden dann Wahlmöglichkeiten zwischen der Mindsphere, einem anderen Anbieter oder einer generischen Entwicklung. Gerade industrielle Kunden sehen den Mehrwert von Mindsphere. Dies gibt wiederum unseren Partnern wie SAP und Amazon die Möglichkeit, ihre Infrastruktur weiter zu verbreiten. Momentan sehe ich uns mehr im Cooperation Mode denn im Competition Mode.

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App-Entwickler brauchen uns nicht ihren Source-Code offenzulegen. Red. IEE

Dann wird irgendwann auch SAP ein Mitglied der Mindsphere World e.V. sein. Generell, bei der Gründung Ende Januar habe ich Endanwender vermisst.

Florian Beil: Mindsphere World ist als Nutzerorganisation offen, auch für SAP oder für IT-Provider. Ich bin überzeugt, dass die Mitgliederzahl sehr schnell steigt. Gerade beim Thema Endanwender gibt es bereits sehr konkrete Gespräche.

Vor gut einem Jahr kündigte Ihr Bereichs-Vorstandsvorsitzender, Dr. Jan Mrosik an, dass der Zugang für Geräte über MindConnect bis zum Sommer 2017 offengelegt werden sollte. Mir scheint, hier gab es Verzögerungen oder können sie Vollzug melden?

Florian Beil: In der Version 2 war die Southbound API auch ab August verfügbar. Seitdem können Partner darüber Geräte einbinden. Die Firma Bluvision beispielsweise hat damit das Interface zu ihren kleinen Sensor Token entwickelt. Genau hier liegt doch die Komplexität einer Cloudanbindung für die Industrien, salopp gesagt: in diesem Zoo von Maschinen und Legacy Systemen. Unsere Kunden brauchen für die Realisierung ihrer Use-Cases und Geschäftsmodelle aber die Daten ihrer Maschinen in der MindSphere. Mit der V3 haben wir die Anbindungsmöglichkeiten nochmals deutlich erweitert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, wo Florian Beil den USP von Mindsphere in Bezug auf andere Cloudlösungen sieht.

Eine Aufgabe von Vereinen wie der Mindsphere World oder der Profibus International ist die Standardisierung, Weiterentwicklung und Equal Sourcing der Technologie. Werden sich die Gremien der Mindsphere World auch mit solchen Themen befassen?

Florian Beil: Die Mitglieder der Mindsphere World haben mehrere Vorteile. Einer davon ist die Priorisierung von Features, die entwickelt werden. Das sorgt für einen sehr starken Drive und eine bedarfsgetriebene Entwicklung der Services und Funktionen. Denn letztlich wollen die Mitglieder der Mindsphere World ihre Geschäftsmodelle betreiben. Und natürlich wird eine große Kundengruppe auch sehr großen Einfluss auf eine Standardisierung haben.

Wo sehen Sie den USP der Siemens Mindsphere in Bezug auf andere Cloudlösungen?

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Die Mindsphere World steht jedem offen. Red. IEE

Florian Beil: Gegen die klassischen Wettbewerber liegt der große Vorteil sicherlich in der breiten installierten Basis. Hinzu kommt die Abdeckung der Wertschöpfungskette, die es uns ermöglicht, den Digital Twin zu realisieren. Das haben wir als Siemens in einer Hand und können damit eine integrierte Lösung anbieten. Andere Wettbewerber müssen hier stückeln. Ein weiterer Aspekt sind Funktionen wie das Tailoring auf industrielle Anwendungen. Kunden können die Mindsphere nutzen, ohne eine Zeile zu programmieren und Anwendungen bis hin zur eigenen App konfigurieren. Damit erschließen wir einen riesigen industriellen Markt. Denn mal ehrlich: Gerade mittelständische Kunden haben gar nicht die notwendigen Entwicklungsressourcen und Spezialisten wie Data Analysten, wollen und müssen aber trotzdem solche Technologien einsetzen. Hier ist die Nutzbarkeit der Mindsphere ohne viel IT-/Programmierungs-Know-how von Vorteil. Es gibt aber auch die Situation, dass Kunden prüfen, ob sie die Mindsphere implementieren oder eine ähnliche Funktionalität auf einer generischen IT-Plattform nachbauen; das klassische Make or Buy-Szenario. Hier punkten wir häufig mit der Skalierbarkeit und dem Industriestandard.

Wie muss ich mir die Zertifizierung einer MindApp vorstellen?

Florian Beil: Dafür gibt es den Mind Access Developer, über den Programmierer Zugang zu Entwicklungsressourcen erhalten. Das Tool stellt auch ein Testumfeld zur Verfügung. Darin können die App-Entwickler ihre Tools selbst prüfen, ohne den Source Code offenlegen zu müssen. Das ist vielen sehr wichtig.

Will der Entwickler die Funktion über unseren Appstore vermarkten, kommt eine Validierung mit speziellen Security-Checks und einem Performance-Test unter Last hinzu. Das ist auch für uns ein ganz wichtiger Aspekt, weil wir natürlich die Qualität der Apps und unseres Eco-Systems sicherstellen wollen.

Das Interview führte Chefredakteur Stefan Kuppinger

Stefan Kuppinger

Chefredakteur IEE

(sk)

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