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Die Herausforderung für Entwickler besteht darin, zwischen den gängigen Drehgebertechniken abzuwägen: optisch oder magnetisch ist hier die Frage. Der optische Ansatz liefert hohe Genauigkeit, allerdings mit eingeschränkter Zuverlässigkeit. Der magnetische Ansatz hat eine längere Haltbarkeit, aber weniger Genauigkeit. Einige Designs können zwar auf Drehgeber ganz verzichten, Tatsache ist jedoch, dass Drehgeber ein wichtiger Bestandteil in der Mehrzahl der Steuerungs- und Rückkopplungsschleifen sind (Infokasten 1).

Kompromisse bei Drehgebertechniken

Standarddrehgeber haben zwischen 48 und 2048 Impulse pro Umdrehung (ppr, pulses per revolution), wobei die meisten Anwendungen zwischen 800 und 1024 ppr benötigen. Eine höhere ppr-Frequenz liefert zwar mehr Genauigkeit, allerdings ist der Drehgeber dann teurer und sorgt für zusätzlichen Berechnungs- und Verarbeitungsaufwand im Systemcontroller oder in dem DSP (digitalen Signalprozessor) des Regelkreises.

Auf einen Blick

Drehgeber liefern Informationen über die Position von Motorwellen: Drehrichtung, Drehzahl und Beschleunigung. Sie sind wichtige Bauteile in der Rückkopplungsschleife von Antriebssteuerungen in der Industrie, Robotik, Luft-/Raumfahrttechnik, Energieversorgung und Automatisierungstechnik. Kapazitive Encoder positionieren sich vorteilhaft mit der nötigen Genauigkeit, langem Leben und Zuverlässigkeit.

Übermäßige Genauigkeit kann nachteilige Folgen wie Rauschen, Vibrationen und eine zittrige Motorwelle verursachen. Die meisten Drehgeber basieren auf optischen und magnetischen Prinzipien. Die optische Methode basiert auf einer Glas- oder Kunststoffscheibe mit zwei Fenstern an den Außenseiten (Bild 1). Eine LED-Lichtquelle und ein Fotodetektor sind im Inneren gegenüberliegend angebracht. Dreht sich die Scheibe, erzeugt das Ein-/Ausschalten des Lichts durch die Schlitzscheibe einen typischen inkrementellen A/B-Rechteckimpuls.

Trotz seines häufigen Einsatzes weist der optische Ansatz einige Nachteile auf. Bezüglich der Robustheit, vor allem bei Schmutz, Öl und anderen Verunreinigungen, die während der Montage und im Feldeinsatz auftreten können, kann die Funktion der Scheibe und Fenster und somit das Ausgangssignal des Drehgebers beeinträchtigt werden. Der herkömmliche Ansatz, den Drehgeber vor Verunreinigungen zu schützen, ist dessen Einbau in ein Glockengehäuse. Damit ist der Baustein aber nicht vollständig gegen Umgebungseinflüsse geschützt.

Die LEDs in optischen Drehgebern weisen auch eine begrenzte Lebensdauer auf; ihre Helligkeit kann nach 10.000 bis 20.000 Stunden Betriebsdauer um die Hälfte abnehmen (zirka innerhalb von ein bis zwei Jahren); bei weiterer Nutzung brennen sie irgendwann durch. Besteht die Scheibe aus Kunststoff, ist ihr Betriebstemperaturbereich eingeschränkt und jegliches Verzerren oder Verziehen der Scheibe durch Temperatureinwirkung beeinträchtigt die Genauigkeit.

Bild 1: Eine vereinfachte Darstellung eines optischen Drehgebers.

Bild 1: Eine vereinfachte Darstellung eines optischen Drehgebers.CUI

Der Aufbau eines magnetischen Drehgebers ist ähnlich, außer dass ein magnetisches Feld anstelle des Lichtstrahls zum Einsatz kommt. Statt der Schlitzscheibe wird eine magnetisierte Scheibe verwendet, die sich über einer Anordnung magnetoresistiver Sensoren dreht. Die Drehbewegung des Rades erzeugt eine Reaktion in den Sensoren, die man an die Signalaufbereitungsschaltkreise weiterleitet. Das bestimmt die Position der Motorwelle. Magnetische Drehgeber sind haltbar  aber nicht so genau. Darüberhinaus sind sie anfällig für magnetische Interferenzen, die Elektromotoren, vor allem Schrittmotoren, erzeugen.

Neben optischen und magnetischen Drehgebern können auch Hall-Effekt-Sensoren für die Positionserkennung zum Einsatz kommen. Effizient und zuverlässig eignen sie sich aber nur für eine Positionsbestimmung mit relativ niedriger Genauigkeit/Auflösung.

Ein Ansatz auf bewährtem Design

Um einen genauen und robusten Drehgeber für die Drehzahl- und Positionsbestimmung zu erstellen, suchte CUI nach anderen Techniken, die man einsetzen kann. Als Lösung bot sich das kapazitive Sensorprinzip eines Standard-Wegmesssystems (Linearencoder) an, wie es vor über 30 Jahren für Schieblehren entwickelt wurde (Infokasten 2). Das Ergebnis ist die widerstandsfähige und präzise Drehgeberplattform AMT.

Die kapazitive Sensorik nutzt Muster wie Balken oder Linien, wobei ein Teil auf einem feststehenden Element angebracht ist und der andere Teil auf einem beweglichen Teil. So entsteht ein variabler Kondensator, der als Sender-/Empfänger-Paarung dient (Bild 2). Sobald der Drehgeber rotiert, zählt ein applikationsspezifischer Schaltkreis (ASIC) die Linienänderungen und interpoliert, um die genaue Position des Drehgebers sowie die Drehrichtung zu bestimmen.

Bild 2: Das Prinzip der kapazitiven Sensorik – Quadratur-Reihen von Linien und Ausgangssignal.

Bild 2: Das Prinzip der kapazitiven Sensorik – Quadratur-Reihen von Linien und Ausgangssignal.CUI

Das Ausgangssignal des Drehgeber-ASICs ist aufgrund des Designs kompatibel zu optischen und magnetischen Drehgebern. Die kontaktlose Implementierung hat Vorteile:

  • Sie widersteht Staub, Schmutz oder Öl und ist somit zuverlässiger als der optische Ansatz. Außerdem ist sie weniger empfindlich gegen Hitze und Kälte. Im Vergleich zu einer Glasscheibe ist sie weniger empfindlich gegen Vibrationen. Es ist keine LED vorhanden, die im Laufe der Zeit dunkler wird oder ausbrennt. Der Drehgeber benötigt nur 6 bis 10 mA Strom; gegenüber typischen 20 bis 50 mA, die optische Modelle brauchen.

Kapazitive Modelle in der Praxis

Da die AMT-Encoder keine LED oder Sichtverbindung erfordern, kommen sie dort zum Einsatz, wo bestehende Encoder meist ungeeignet sind. In einem Fall berichtete ein Hersteller von Backautomaten über regelmäßige Ausfälle beim Kunden, aufgrund von Mehlstaub und anderen Verunreinigungen, die den optischen Drehgeber beeinträchtigten. Dies führte zu regelmäßigen Ausfallzeiten, Ersatzlieferungen und einer Neukalibrierung. Als die optische Einheit durch eine kapazitive ersetzt wurde, war das Problem beseitigt. In einem anderen Fall verlangte ein Hersteller von Bohrtechnik, dass sich aufgrund des hohen Drucks bei der Anwendung die gesamte Motorbaugruppe in Öl befinden soll. Ein kapazitiver Drehgeber wurde gewählt, da er ohne Unterbrechung in nichtleitenden Flüssigkeiten wie Öl arbeiten kann.

Ein weiterer, wenn auch weniger offensichtlicher Vorteil ist, dass Entwickler eine Feineinstellung der PID-Regelschleife (Proportional-Integral-Derivativ) vornehmen können. Mit der Möglichkeit, die ppr des Drehgebers anzupassen, lässt sich die Leistungsfähigkeit optimieren, ohne den Drehgeber austauschen zu müssen. Diese dynamische Anpassung der Auflösung vereinfacht die Systemoptimierung, die normalerweise über Code-Änderungen oder die Änderung der Linienzahl des Encoders (Auflösung) erfolgt. Mit einem optischen Encoder würde dieser Prozess den Kauf und die Installation verschiedener Drehgebermodelle erfordern, was die Kosten erhöht und die Entwicklungsdauer verlängert.

Bild 3: Die Explosionsansicht eines AMT-Drehgebers auf einer Motorwelle.

Bild 3: Die Explosionsansicht eines AMT-Drehgebers auf einer Motorwelle.CUI

Bei einem kapazitiven Drehgeber muss man nur eine Änderung der Linienzahl anweisen, bis das gewünschte Regelkreisergebnis erreicht ist. Bei der Installation und während der Fertigung weist der kapazitive Drehgeber weitere Vorteile auf. Seine Befestigungslöcher passen mechanisch zu denen anderer Drehgeber, was einen direkten Ersatz ermöglicht (Bild 3). Somit passt ein einzelner Encoder auf verschiedene Wellendurchmesser, indem einfach nur Adapterhülsen zum Einsatz kommen. Damit verringert sich der Lagerungs- und Reparaturaufwand.

Bild 4: Der Drehgeber AMT11 in einer Installation.

Bild 4: Der Drehgeber AMT11 in einer Installation.CUI

Die Vielseitigkeit eines Drehgebers auf Basis eines kapazitiven Wandlers und eines ASICs spiegelt der AMT11 wider (Bild 4). Die Einheit, mit einem Profil von 37 und 10,34 mm Durchmesser, arbeitet mit einer Versorgungsspannung von +5 V. Sie liefert eine Single-Ended-CMOS-Inkremental-Quadraturmessung (90 Grad) und einen differenziellen Leitungstreiberausgang, der elektrisch kompatibel zu herkömmlichen optischen oder magnetischen Drehgebersignalen ist. Das Bauteil hat zahlreiche, programmierbare Auflösungen von 48 bis 4096 ppr, sowie pro Umdrehung einen Indeximpuls. Axiale und radiale Anschlussrichtungen stehen je nach Anforderung bereit. Der Betriebstemperaturbereich reicht von -40 bis +105 Grad Celsius.

Bild 5: Die digitale Schieblehre von Mitutoyo.

Bild 5: Die digitale Schieblehre von Mitutoyo.CUI

Ein Nachteil ergibt sich bei kapazitiven Drehgebern, wie es bei jedem elektronischen Wandler und zugehörigen Schaltkreisen der Fall ist: die Anfälligkeit für elektrisches Rauschen und Störungen (EMI). Das Design der ASIC-Schnittstelle und eine Feinabstimmung der Drehgeber-Demodulationsalgorithmen mildert dies. Der ASIC eröffnet auch zukünftige Möglichkeiten für Entwickler, integrierte Diagnoseschaltkreise hinzuzufügen, um die Leistungsfähigkeit des Drehgebers und des ASIC zu überprüfen – als Teil eines intelligenteren Drehgebers und Subsystems.

Mit der Verfügbarkeit felderprobter Drehgeber auf Basis kapazitiver Sensorik, müssen Entwickler sich nicht länger zwischen optischen und magnetischen Varianten mit ihrer unterschiedlichen Kurz- beziehungsweise Langzeitzuverlässigkeit und Ausgangsgenauigkeit entscheiden. Der kapazitive Drehgeber übertrifft beide und zeigt sich vorteilhaft hinsichtlich der Montage, Lagerhaltung, ppr-Wahl, Nullstellung und Stromverbrauch – und das bei voller Kompatibilität der Standardausgänge.

Infokasten 1: Sensorloses Design

Neben BLDC-Motoren gibt es noch einen weiteren Trend: sensorlose Designs, die keinen Drehgeber für die Positionserkennung der Motorwelle benötigen. Diese Motoren werden über verschiedene Algorithmen angesteuert, einschließlich feldorientierter Regelung (FOC; Field Oriented Control oder Vektorregelung). Erübrigt sich der Drehgeber, ist das theoretisch sicherlich attraktiv; die FOC bringt aber einige Nachteile mit sich: sie ist nicht so genau wie sensorbasierte Designs, sie kann die Position verlieren und einen Reset erfordern, es gibt Regelungsprobleme in bestimmten Drehmomentbereichen und sie erfordert hohen Rechenaufwand im Systemprozessor. FOC kommt daher meist dort zur Anwendung, wo eine hohe Genauigkeit der Motorwellenposition und Drehzahl nicht entscheidend sind etwa in Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Trocknern. In den meisten industriellen Anwendungen lohnen sich jedoch die scheinbaren Kosten für einen Drehgeber, da hier höhere Leistungsanforderungen bestehen.

Infokasten 2: Von der Schieblehre zum Drehgeber

Kapazitive Sensorik ist vor allem durch das Berührungstasten (Touch) bekannt. Dabei fungiert der Finger als zweite Kondensatorplatte. Jede Kapazitätsänderung wird durch den Schnittstellenschaltkreis erfasst, und die Funktion herkömmlicher elektromechanischer Drucktaster wird emuliert. Berührungstasten sind für ihre hohe Widerstandsfähigkeit gegen Schmutz, Wasser und Abnutzung bekannt, da sie über keine intern beweglichen Teile verfügen. Der einzige freiliegende Bestandteil ist eine kleine Metallzunge, die bündig mit der Oberfläche abschließt. Kapazitive Sensorik geht aber über einfache Ein-/Aus-Berührungstasten hinaus (entweder als Einzeltasten oder als Anordnung von Tasten). Die digitale Schieblehre als Massenware ist nur ein Beispiel. Ingvar Andermo, ein Elektroingenieur am IM-Forschungsinstitut in Stockholm, arbeitete vor 30 Jahren an einer Lesevorrichtung für Rechnungen, die auf kapazitiver Technik basierte. C.E. Johansson sprach mit Andermo über die Entwicklung einer digitalen Schieblehre mit magnetoresistiver Technik. Andermo hielt diesen  Ansatz für zu kompliziert und entschied sich für die kapazitive Sensorik. Die erste Johansson-Schieblehre (Jocal; Johansson Caliper) wurde 1980 auf einer Messe in Chicago vorgestellt. Johansson lizenzierte die Technik später an Mitutoyo in Japan, die ihre erste digitale Schieblehre auf Basis dieser Technik einige Jahre später vorstellen. Seitdem sind Millionen Stück weltweit verkauft worden (Bild 5).

Andermo arbeitete schließlich mit CUI in Tualatin, Oregon, zusammen, um die AMT-Serie kapazitiver Drehgeber zu entwickeln. Sie basiert auf der gleichen Technik, wird bei der Drehzahlmessung angewendet und besteht aus drei Teilen: einem HF-Sender, einem Rotor, der mit einem sinusförmigen Metallmuster geätzt ist und einem Empfänger-Board. Der Rotor befindet sich zwischen den Sender- und Empfängerboard. Beginnt er sich zu drehen, moduliert sein sinusförmiges Metallmuster das HF-Signal in einer vorhersagbaren Weise. Der Empfänger liest diese Modulation und ein proprietärer ASIC überträgt sie in Drehbewegungsschritte mit einer Drehgeber-Auflösung von bis zu 4096 Schritten pro Umdrehung.

Jeff Smoot

ist Vize President des Bereichs Motion Control bei CUI in Tualatin, Oregon, USA.

(rao)

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