Hochwertige und langlebige Wirtschaftsgüter sind im Verlauf ihrer Lebenszeit oft von Verfügbarkeitsengpässen oder Abkündigungen der genutzten elektronischen Komponenten betroffen. Hersteller wechseln zum Beispiel auf kürzere Innovationszyklen, betreiben weitere Miniaturisierung oder bereinigen das Produktprogramm. Die Neuentwicklung eröffnet parallel die Chance, erweiterte und neue Funktionen zu integrieren. Damit sind aber hohe Kosten und ein erheblicher Zeitaufwand verbunden. Treffen aber die erwarteten Produktionszahlen dann nicht zu, war der gesamte Aufwand für die Katz. Hinzu kommt, dass gerade für kleine Stückzahlen ein Redesign utopisch sein dürfte. Hier bietet sich natürlich eine ausführliche Langzeitbevorratung an. Doch aus ökonomischen und technischen Gründen kann das zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Selbst wenn in weiser Voraussicht reichlich Komponenten eingelagert werden, das Ergebnis ist meist niederschmetternd: Totalausfall. Denn Alterungsprozesse vielfältiger Art gefährden Funktion und Verarbeitung. Dem schiebt die Bensheimer Halbleiter-Test & Vertriebs GmbH (HTV) mit ihrem „TAB“-Verfahren einen Riegel vor. „Thermisch Absorptive Begasung“ heißt das Zauberwort. Bauteilabkündigungen können so völlig gelassen ertragen werden.

Eine Langzeitkonservierung bietet häufig die einzige Chance, diese Problematik auf konstruktive Weise zu entschärfen. Denn im Endeffekt können Kunden die Lebensdauer ihrer Produkte exakt planen. Die HTV hat über zehn Jahre geforscht, um eine tragfähige Lösung zu entwickeln, die nunmehr ca. acht Jahre im Einsatz ist. Im Verbund mit Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen wurde das Gesamtkonzept Langzeitkonservierung für elektronische Bauteile auf den Weg gebracht.

Voraussetzungen für Lagerhaltung fehlen

Schon in der Vergangenheit wurden Bauteile nach Abkündigungen eingelagert, um den Bedarf jederzeit decken zu können. Dazu wurde in Stickstoff Dry-Packs gelagert. Mögliche Schwierigkeiten beim späteren Löten wurden durch geeignet aktivierte Flussmittel kompensiert. Durch die verordnete Bleifreiheit via RoHS wurden Voraussetzungen für längere Lagerhaltung von Bauteilen teilweise drastisch verschlechtert. Allein die Dicken der Zinnschichten schmolzen von bis dato üblichen 20 µm auf gerade mal 4 bis 8 µm ab. Aus Kostengründen wurde zusätzlich auf die Sperrschicht von Nickel oder ähnlich wirksamen Metallen verzichtet. Die alles entscheidenden Alterungsvorgänge resultieren letztlich aus Diffusionsvorgängen. Bei konventioneller Lagerung wandern Atome des Trägermaterials in die Zinnbeschichtung, gelangen an die Oberfläche und umgekehrt. Diese Prozesse sind temperaturbedingt und steigern sich mit zunehmender Temperatur. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass die Teile oftmals nach ein bis zwei Jahren nicht mehr zu verwenden sind.

Mit den heute üblichen, zunehmend geringeren, Abständen verstärkt sich diese Problematik. Die Chips liegen so nahe zusammen wie nie. Die Atome unterschiedlicher Elemente rücken sich unaufhörlich dichter auf die Pelle. Damit beginnt das Tunneln der Elektronen von einem Atom zum anderen. Bei normaler Lagerung von Halbleiterbauteilen schon nach kurzer Zeit. Hier hilft auch die stets gepriesene Stickstofflagerung nicht weiter. Lediglich eine Oxydation der Pins lässt sich damit vermeiden.

Diese Diffusionsvorgänge sind ein physikalischer Prozess, bei dem sich zwei oder mehrere Stoffe komplett vermischen und gleichmäßig verteilen. Diffusion beruht auf der thermisch motivierten Eigenbewegung von Atomen, Ladungsträgern oder Molekülen. Ist die Verteilung der Teilchen ungleichmäßig, dann bewegen sich mehr Teilchen aus den Gebieten mit hoher Konzentration in Gebiete mit niedriger Konzentration als umgekehrt. Konzentrationsunterschiede werden aufgrund der Wärmebewegung bis zur kompletten Durchmischung abgebaut. Diffundiert zum Beispiel an einem Anschlusspin das Trägermaterial Kupfer in das Zinn und das Zinn in das Trägermaterial Kupfer, dann entsteht ein völlig neues Material. Und gelangt diese Durchmischung an die Oberfläche, dann ist exakt der Zeitpunkt gekommen, bei dem ein Verlöten nicht mehr möglich ist.

Das TAB-Verfahren gibt 50 Jahre Sicherheit

Chemische und physikalische Alterungsprozesse werden mit diesem Verfahren um den Faktor 12 bis 15 reduziert. Das weltweit einzigartige Konservierungsverfahren verhindert zuverlässig und nachhaltig Entstehung und Fortschreiten von Oxidations-, Korrosions- und Diffusionsprozessen. Qualität, Verfügbarkeit, Verarbeitbarkeit und zuverlässige Funktion der Bauteile sind heute für bis zu 50 Jahre gesichert. Doch bevor irgendetwas eingelagert wird, müssen die dafür vorgesehenen Bauteile oder Komponenten eine strenge Analyse und Bewertung des visuellen Zustands der Produkte über sich ergehen lassen.

Untersuchungen in Form von Schliffen und Lichtmikroskopie werden erstellt sowie die Lötbarkeit gemessen. Um das intermetallische Phasenwachstum zu bewerten, folgt eine Rem-EDX (Rasterelektronenmikroskop energiedispersive Röntgenspektroskopie Analyse), die gezielt deren Verlauf und Stärke erfasst. Im Rückschluss wird eine zuverlässige Aussage über die Dauer der Verarbeitbarkeit der Bauteile erzielt. Anschließend werden per Ionenätzung Chipstrukturen sichtbar und in punkto ihrer Zuverlässigkeit vergleichbar gemacht. FTIR-Analysen mit dem Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer zur Materialbestimmung liefern wichtige Hinweise zur Festlegung der Schadstoff-Absorptionssysteme.

Abschließende weitere Untersuchungen runden die gesamte Warenbewertung ab. Als Ergebnis wird eine dem Kunden gegenüber offen kommunizierte und in Details auf seine spezifischen Anforderungen angepasste Dokumentation erstellt. Mindestens einmal jährlich steht eine Wiederholung der relevanten Untersuchungen mit einem Vergleich der vorherigen Ergebnisse an. Die Untersuchungen bilden die Grundlage für die individuelle Langzeitkonservierung.

Permanente Überwachung der Bauteilsituation

Da thermische Prozesse, wie zum Beispiel Diffusionsprozesse, entscheidend an der Alterung der Bauteile beteiligt sind, werden diese Prozesse durch geeignete Veränderungen der Lagerungstemperatur rasant verlangsamt. Eine permanente Überwachung der Bauteilsituation während der Lagerung ist essentiell. Auch der Korrosion auf Bauteil- und Chipebene der einzulagernden Bauteile wird mit geeigneten Maßnahmen entgegengewirkt. Die zu konservierenden Komponenten werden mit einer Schutzatmosphäre umgeben, die andere Alterungsprozesse zum Erliegen bringt. Mehrere Schichten von speziellen, in eigener Regie entwickelten Funktionsfolien schützen die Bauteile. Zum einen wird damit das Eindringen von Fremdstoffen verhindert. Gleichzeitig besitzen diese Folien Absorptionseigenschaften für unterschiedlichste Stoffe und verhindern somit wirksam deren Eindringen. Zusätzliche individuell angepasste Absorber binden Schadstoffe aus den Kunststoffmaterialien. Hermetisch abgeschottet, können die wertvollen Komponenten die nächsten Jahrzehnte überdauern. Und was für Bauteile und Komponenten gilt, hat auch für komplette Baugruppen Gültigkeit. Ob LEDs oder Flüssigkristallanzeigen, anhand der peniblen vorbereitenden Untersuchungen lassen sich alle denkbaren kompletten Baugruppen „einschläfern“.

In einem Hochsicherheitstrakt sind die Produkte gegen alle denkbaren Einflüsse geschützt in Kühlkammern untergebracht. Je nach Analyseergebnis werden die einzulagernden Produkte mit den ermittelten „Klimabedingungen“ umgeben. Die Kühlkammern selbst sind in mehrere Schotts unterteilt. Kein Unbefugter hat Zugang zu den Räumen. Die Lagerbereiche sind mit Stickstoff angereichert, damit sich dort kein Feuer ausbreiten kann. Die Restsauerstoffmenge reicht für das Betreten dazu berechtigter Personen kurzzeitig aus.

Feuer kann in diesem massiven Betongebäude nicht ausbrechen: Diffizile Sensorik überwacht permanent die Konzentration des Sauerstoffs und meldet jegliche Abweichungen. Und Jahr für Jahr werden per Stichprobe ausgewählte Bauteile, Komponenten und Baugruppen „aufgeweckt“, das heißt unter Strom gesetzt und so die Funktionsfähigkeit überprüft. Detaillierte wiederkehrende jährliche Analysen geben zudem Aufschluss über deren Eigenschaftsprofil.

Langzeitkonservierung

Die Gründe für die Lagerung elektronischer Bauteile und Komponenten sind vielfältig, so dass für die Beantwortung der Frage der „richtigen“ Lagermethode die Zielsetzungen berücksichtigt werden müssen. Schließlich sind elektronische Bauelemente empfindliche Gäste im Lager, weswegen sie richtig behandelt sein wollen. Je nach Art des Bauteils muss die richtige Methode gewählt werden, was entsprechendes Know-how sowie die entsprechende Anlagentechnik voraussetzt.

SMT Hybrid Packaging 2014: Halle 9, Stand 341

Manfred Frank

ist freier Fachjournalist

(mrc)

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HTV Halbleiter- Test- und Vertriebs GmbH

Robert-Bosch-Straße 28
64625 Bensheim
Germany