Fängt man beim großen Bild an, war 2017 ein gutes Jahr für die deutsche Bauelemente-Distribution: Mit 3,6 Milliarden Euro und 12 % Zuwachs gegenüber Vorjahr erzielten im Branchenverband FBDi organisierte Unternehmen einen neuen Umsatz-Höchstwert; der Auftragseingang lag bei 3,91 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2018 legten die Distributoren etwas gebremster zu, sodass für den Zeitraum von Januar bis März der Umsatz um 7 % auf 978 Millionen Euro anstieg.
Die passiven Komponenten wuchsen bei den größeren Produktgruppen in den ersten drei Monaten des Jahres mit 10,6 % (auf 136 Millionen Euro) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum am stärksten, 7,1 % oder 105 Millionen Euro waren es bei der Elektromechanik und 6,5 % bei den Halbleitern (676 Millionen Euro). An der Umsatzverteilung änderte sich im Hinblick auf 2017 wenig oder gar nichts: 69,1 % entfielen auf Halbleiter, passive Bauelemente machten 13,9 % aus. Für 10,7 % des Umsatzes zeigte die Elektromechanik verantwortlich und Stromversorgungen für 3 %.
Jedoch wird 2018 die zunehmend schlechte Liefersituation bei vielen elektronischen Bauelementen wohl die Entwicklung bremsen. „Die geringe Wachstumsrate im ersten Quartal 2018 hängt weitgehend damit zusammen, dass aufgrund der langen Lieferzeiten bei vielen Bauelementen Bestellungen und bestehende Aufträge nach hinten verschoben werden“, erklärt FBDi-Vorstandsvorsitzender Georg Steinberger. „Eine wesentliche Entspannung der Lieferzeiten, zum Beispiel bei sehr vielen passiven Bauelementen, ist derzeit nicht in Sicht.“
ECK-DAten
Freude über die gute Nachfrage auf der einen Seite, angespannte Liefersituation auf der anderen: Die Distributoren SE Spezial-Electronic, Fujitsu Electronics Europe, Bürklin Elektronik, Intertec Components und Börsig haben dem elektronik journal Auskunft über ihr aktuelles Geschäft sowie ihre Planungen gegeben.
Hersteller hätten erst zeitversetzt zur steigenden Nachfrage in Produktionskapazitäten investiert. Bei der anhaltend rasanten Nachfrage nach Halbleitern trete wohl erst 2019 Entspannung ein. Dass außenpolitische Verwerfungen, etwa zwischen den USA und Europa, große Effekte haben werden, glaubt Steinberger weniger. Die politische Komponente werde oftmals überschätzt, sagte er gegenüber dem elektronik journal.
Doch wie nutzen einzelne Distributoren im großen Bild ihren Spielraum? Welche Entwicklungen greifen sie auf und welche Pläne prägen ihr Geschäft? elektronik journal hat Verantwortliche verschiedener Unternehmen um ihre Einschätzung gebeten.
SE Spezial-Electronic
Das Dilemma, in dem viele Distributoren stecken, kennt auch das Bückeburger Unternehmen SE Spezial-Electronic: Zum einen freute man sich 2017 über ein deutliches Umsatzplus, zum anderen bleiben auch hier die Lieferengpässe nicht aus. „Besonders dramatisch ist es derzeit bei Keramikkondensatoren (MLCC) mit bis zu 15 Monaten Lieferzeit“, erklärt Rolf Aschhoff, Vicepresident Marketing & Sales. „Heiß begehrt sind auch elektronische Steckverbinder nach DIN 41612. Hier liegen die Wartezeiten bei Neubestellungen inzwischen bei über 40 Wochen.“ Minimieren lasse sich das generelle Versorgungsrisiko nur durch einen kontinuierlichen Datenaustausch mit der Kunden- wie der Lieferantenseite, einen möglichst weiten Planungshorizont, frühzeitige Bestellungen oder Konsignationslager.
Risiken sieht man bei SE auch in dem rasanten Marktwachstum in Asien, und dort vor allem China.„Dieser riesige Markt wird nämlich von vielen Herstellern vorzugsweise vor dem vergleichsweise kleinen europäischen Markt bedient, für den damit nur ein stetig kleiner werdender Anteil übrig bleibt“, erläutert Rolf Aschhoff.
Portfolioerweiterungen plant SE für 2018 nur punktuell für Lieferanten, die ergänzend statt konkurrierend zur bisherigen Linecard positioniert werden. Jüngste Beispiele sind Micro Crystal und KDS, die das Angebot des amerikanischen MEMS-Timing-Spezialisten SiTime abrunden. Das zur Swatch Group gehörende Unternehmen Micro Crystal entwickelt und fertigt besonders kleine und energieeffiziente Taktgeber und Echtzeituhren für unterschiedliche Consumer- und Industrieapplikationen – darunter auch die kleinste Real Time Clock der Welt mit Abmessungen von lediglich 3,2 × 1,5 mm². Das japanische Unternehmen KDS Daishinku hingegen hat mit der Serie Arch.3G einige neue Timing-Produkte angekündigt, deren Resonatoren erstmals komplett mithilfe einer hauseigenen Wafer-Level-Package-Technologie (WLP) hergestellt wurden.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum Fujitsu Electronics derzeit vor allem in Beratungkapazitäten und Bürklin in E-Procurement-Lösungen investiert.
Fujitsu Electronics Europe (FEEU)
„Bei unserem Geschäft im Low-Power-IoT-Bereich treffen wir vermehrt auf Kunden, deren eigene Expertise zumindest begrenzt ist“, sagt Dr. Klaus-Peter Dyck, Senior Manager Marketing & Applications bei Fujitsu Electronics Europe (FEEU). Deren Anteil werde auch künftig eher zunehmen. Hier stehe häufig zunächst die Beratungsleistung im Vordergrund und weniger die Erklärung der einzelnen Komponenten. FEEU, Teil des Fujitsu-Konzerns, hat sich 2016 als lösungsorientierter „Value Added Distribution Partner“ neu aufgestellt.
„Wie jeder andere Distributor versuchen wir natürlich, unser Portfolio auszubauen, doch dieser Ansatz ist nicht immer zielführend“, erläutert Dyck. Ebenso gelte es in technische Expertise zu investieren, weshalb FEEU in diesem Bereich Ressourcen aufbaue. Sein Produkt- und Beratungsportfolio hat der Distributor zuletzt insbesondere im Ultra-Low-Power-IoT-Bereich ausgeweitet und dazu die eigene sehr kleine und modulare Entwicklungsplattform „Clickbeetle“ entwickelt. „Auf der Basis dieser Clickbeetle-Plattform können wir nicht nur kundenspezifische Entwicklungssysteme aus Komponenten unserer Linecard zusammenstellen, sondern binden auch Komponenten anderer Hersteller ein“, so Klaus-Peter Dyck. Ebenso lassen sich Produkte des Kunden integrieren.
Der Distributor, der auf das Vertriebsnetz des Fujitsu-Konzerns sowie externer Dienstleistungsunternehmen zurückgreifen kann, bietet Kunden auch an, die komplette Koordination ihrer Produktion zu übernehmen. „In vielen Fällen agieren wir als der einzige lokale Ansprechpartner und Mittler zwischen europäischen Kunden und Herstellern, die keine eigene Präsenz in Europa haben“, so Dyck. Wenn Projekte in Produktion gehen, pflege man engen Kontakt mit Kunden wie Herstellern. Dank EDI-Anbindung zu den Hauptkunden und langfristiger Lieferbeziehungen sei man mit den Schwankungsbreiten sehr vertraut.
Bürklin Elektronik
„Wir haben Ende 2017 unsere Bestände bei den passiven Bauteilen hochgefahren“, schildert Alfred Lipp, Vertriebsleiter und Prokurist von Bürklin Elektronik, wie sich das Unternehmen auf die drohende Verknappung eingestellt hat. „Davon konnten wir im ersten Quartal 2018 profitieren, aber inzwischen ist dieser Bestand leider weitgehend abgebaut, da die Nachfrage sehr hoch war.“ Um die Optimierung des Lagerbestands ist man in dem familiengeführten Unternehmen mit Sitz in Oberhaching stets bemüht; außerdem wurde das Sortiment von einst 75.000 Artikeln auf über 500.000 erweitert.
Ob ein Produkt verfügbar ist, können Kunden bei Bürklin in Real-time nachvollziehen. Zum einen werden die Bauteile im Oberhachinger Ladengeschäft direkt aus dem Lager geliefert, zum anderen ist auch der Online-Shop hier erstaunlich präzise: „Der Online-Shop bietet eine Verfügbarkeitsanzeige in Echtzeit und die Möglichkeit eines Bestelllistenimports“, erläutert Lipp. Mit optimierter Filter- und Vergleichsfunktion und Produktsuche unter Verwendung der meistgebräuchlichen Produktreferenzen sind die Produkte einfach zu finden.
Neben der Beratung durch FAE, kundenspezifischen Set-Zusammenstellungen oder der Kalibrierung von Messtechnik zählen zum Angebot des Unternehmens umfassende E-Procurement-Lösungen. Darunter fallen zum Beispiel der elektronische Datenaustausch (EDI) über geschlossene Netze, die einen automatischen Transfer aller Bestelldokumente ermöglichen oder auch eine OCI-Schnittstelle, die direkten Zugriff auf den Webshop über ein ERP-System erlaubt.
Dem Obsoleszenz-Management kommt bei Bürklin angesichts langfristig bestehender Kundenbeziehungen eine gewichtige Rolle zu. „Als Stichwort ist hier der Begriff ,extended life‘ zu nennen“, sagt Lipp. „Produkte, die über einen sehr langen Zeitraum verfügbar sein müssen, weil sie zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt werden.“ Eine Kooperation ermöglicht Bürklin die Beschaffung von Komponenten weit über den normalen Produktlebenszyklus hinaus.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum sich Intertec Components gegen Plagiate engagiert und Börsig sein Sortiment in Sachen Industrie 4.0 erweitert.
Intertec Components
Massive Umstrukturierungen auf dem Elektronikmarkt hat Christian Peter, CEO von Intertec Components, in den letzten beiden Jahren beobachtet: „Zum einen eine Marktkonzentration durch zahlreiche Herstellerübernahmen. Zum anderen setzen Bauteilehersteller zunehmend auf Exklusivdistributoren beziehungsweise konsolidieren ihr Distributionsnetz.“ Das verschärfe bei der aktuellen Nachfrage die Gefahr von Allokationen. Als Reaktion wendeten sich Kunden zunehmend an unabhängige Distributoren wie Intertec: Dass sie vertraglich nicht gebunden seien, ermögliche flexibleres Agieren und kürzere Lieferzeiten.
Seit der Gründung 1993 hat sich der Spezialdistributor für Relais, Elektromagnete, Quarze und Halbleiter drei strategische Faktoren auf die Fahne geschrieben: Originalherstellerware, kurze Lieferzeiten und ein attraktives Preisniveau. Entsprechend ist es Intertec ein Anliegen, sich gegen die zunehmende Verbreitung von Plagiaten einzusetzen, wofür das Unternehmen mit der Nachverfolgungsagentur ERAI zusammenarbeitet.
In zwei Spezialabteilungen Red Magnetics und Red Frequency werden Elektromagnete beziehungsweise frequenzbestimmende Bauteile entwickelt und produziert. Das Serviceportfolio, das Intertec unter dem Slogan „We are intersafe“ zusammenfasst, reicht vom kundenspezifischen Labeling, 8D-Report und Pufferlager hin zu Cross-Alternativen und der vollständigen Rückverfolgung.
„Es gibt wohl kaum eine schlimmere Hiobsbotschaft für Einkäufer, als ein Bauteil anzufragen und plötzlich zu erfahren, dass es obsolet ist“, sagt Christian Peter. Um diese Schockmomente zu vermeiden, bietet Intertec einen sogenannten PCN-Alert an, der Kunden frühzeitig über Product-Change-Notifications, End-of-life-Produkte sowie Last-Time-Buy-Ausrufe informiert. Darüber hinaus will der Distributor in ein vorausschauendes Beschaffungsmanagement investieren und dabei auch sein Lieferantennetzwerk ausweiten.
Börsig
Bei Börsig in Neckarsulm stellt man sich auf Allokationen, kontinuierliche Preiserhöhungen und zunehmende Abkündigungen von Konditionen wie etwa Skonto vonseiten der Hersteller ein. „Weiterhin bleibt das Thema Industrie 4.0 präsent“, sagt Stefan Börsig, Geschäftsführer des auf Elektromechanik spezialisierten Distributors. „Die Anzahl der Daten und Geräte sowie die schnellere Kommunikation zwischen Maschine, Fahrzeugen, Werkstücken und auch dem Versand prägen das Geschäft.“ Auf diese Entwicklungen reagiert das Unternehmen mit der stärkeren Bevorratung bestimmter Produkte – oder auch der Empfehlung möglicher Produkt- oder Lösungsalternativen. Darüber hinaus soll das Portfolio in Sachen IoT ausgebaut werden, etwa im Bereich Antennentechnik oder bei Steckverbinderlösungen mit einem höheren Datendurchsatz
Mit der Bemusterung aus dem eigenen Lagerbestand, der kundenspezifischen Bevorratung und der Konfektionierung von Stecker-Kabel-Verbindungen nach den entsprechenden Verarbeitungsrichtlinien bietet der Distributor eine Reihe von Value Added Services an. Mindestbestellmengen oder -werte gibt es in der Regel nicht. Auch Verfügbarkeitsprobleme sind eher selten: „Unsere Lagerhaltung zeichnet sich in der Regel durch eine sehr hohe Verfügbarkeit der Produkte aus, sodass wir unseren Kunden auch eine ,Last Buy‘-Chance einräumen können, um somit den Kunden einen möglichst großen Zeitpuffer für das Design-In von Ersatztypen einzuräumen“, erläutert Stefan Börsig.
Mit Komplikationen im Umfeld der außenpolitischen Verwicklungen rechnet man bei Börsig eher nicht. Zwar seien die Effekte außenpolitischer Krisen mittlerweile schwer vorherzusagen. „Allerdings reagieren unserer Meinung nach die Unternehmen seit der Krise in 2009 teilweise nicht mehr so extrem sensibel auf größere Krisen“, so Stefan Börsig.
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FBDi Fachverband der Bauelemente Distribution e.V. (FBDi e.V.)
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