Der Trend geht weg von der Massenherstellung zum individuellen Produkt. Dazu sind Kunden und Geschäftspartner in die Prozesse mit einzubinden. Das verlangt wiederum eine vernetzte und flexible Produktion wie sie im Rahmen von Industrie 4.0 gerade definiert wird. Diese Aufgabe verlangt aber nicht nur von den Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität, auch Automatisierungssysteme müssen sich schnell und einfach an neue Anforderungen anpassen. Allerdings ist die Praxis noch weit davon entfernt.
Grundsätzlich besteht das Problem, dass die Anwendungen oft mit sehr speziellen Lösungen und damit mit einer entsprechend individuellen Software realisiert werden. Die Folgen sind häufig lange Inbetriebnahmezeiten und zusätzliche Kosten bei Änderungen. Außerdem erschweren solche Systeme bereits im Vorfeld die Planung des Layouts.
Um die Bedienung zu vereinfachen und die Produktion flexibler zu machen, hat die Firma Ulixes ihr Automation-Ressource-Planning-System (ARP) entwickelt. Dieses vereinfacht die Automatisierungslösungen und kann speziell an die Anforderungen des Kunden angepasst werden.
Programmierung der Roboter durch Apps
Der Lösungsansatz des Anbieters von Robotersoftware und -systemen basiert auf einem mittlerweile gängigen Konzept: Bereits 2010 waren die Experten auf die Idee gekommen, die Steuerung von Robotern per App zu vereinfachen. Während sich ein Großteil der Softwarehersteller noch mit einer umständlichen SPS-Programmierung begnügt, die die Benutzung nach wie vor schwierig macht, basiert die Technologie von Ulixes auf einer benutzerfreundlichen HTML5-Weboberfläche. Da in jedem Industriezweig und Produktionsunternehmen – etwa im Automobil-, Lebensmittel- oder Verpackungssektor – unterschiedliche Anforderungen an die Roboter gestellt werden, stehen mittlerweile etwa 60 Apps zur Verfügung, die sich anwendungsübergreifend kombinieren lassen. Eine entscheidende Rolle spielt die Software-Basis, die auf dem von Ulixes entwickelten Kommunikationsprotokoll BDI beruht. BDI steht für Bidirectional Information. Das Protokoll sorgt dafür, dass die Anwendungen miteinander kommunizieren können, aber auch sämtliche Aktionen und Reaktionen der Apps nachzuverfolgen sind und für Analysen und Statistiken aufgezeichnet werden.
App-Konzept verringert Schulungsaufwand
Bei der Inbetriebnahme der Software zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zu den meisten anderen Herstellern: Für gewöhnlich ist es notwendig, dass der Programm-Code zuerst angepasst werden muss, bevor die Produktion wieder starten kann. Bei Ulixes entfällt durch die Apps die Programmierung im eigentlichen Sinne. Für die Benutzung der Software und Durchführung von Änderungen sind nur noch Stunden bis wenige Tage Schulung notwendig, da die Eingaben weitgehend selbsterklärend sind. Der Vorteil: Es ist nicht mehr ausschließlich Programmierern vorbehalten, Änderungen durchzuführen – auch Projektleiter und Maschinenbediener sind in der Lage, dem Roboter neue Choreografien einzustudieren. Die Software kann mit dem Laden der Apps in Betrieb genommen und kontrolliert werden, ob die Abläufe den Ansprüchen genügen oder gegebenenfalls einzelne Parameter anzupassen sind.
Sind einzelne Baugruppen oder Module bei der Inbetriebnahme der Anlage noch nicht vorhanden, gibt es für die meisten Apps auch einen Simulator. Dieser ermöglicht es, geplante Arbeitsabläufe ohne die dafür eigentlich notwendige Hardware zu simulieren und die Prozesse im Vorfeld zu optimieren, was Ressourcen und Zeit spart. Zudem lassen sich auf Basis der aufgezeichneten Daten bestehende Abläufe nachträglich im Detail simulieren, um die aufgetretene Fehler in Ruhe zu analysieren und zu beheben.
Einfachheit der Bedienung durch Sicherheit und Dokumentation
Neben Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit, die für die Industrie 4.0 von hoher Bedeutung sind, stand bei der Entwicklung der Software die Sicherheit und einfache Bedienbarkeit im Mittelpunkt. Das zeigt sich beispielsweise an den Bedienmöglichkeiten: Die Apps zeigen immer nur die im jeweiligen Kontext sinnvollen Bedienelemente an. Andere Apps finden durch automatische Kalibrierung die richtigen Parameter. Zusätzlich greift die HTML5-Bedienoberfläche auf bekannte Elemente gängiger Software zurück und gibt bei Bedieneingriffen unmittelbar ein visuelles Feedback. Außerdem senden alle Apps über die BDI-Schnittstelle Meldungen an das ARP-Framework wo sie zusammengefasst oder gefiltert dargestellt werden. Ein weiterer Pluspunkt des Konzepts: Die Überwachung aller Vorgänge muss nicht über ein Bedienpanel direkt am Robotermodul erfolgen; Smartphone, Tablet oder ein PC im Büro sind ebenfalls nutzbar. Treten Probleme auf, kann der Projektleiter auch zeitnah per Push-Nachricht auf sein Smartphone darüber informiert werden.
Apps sprechen mehrere Roboter-Sprachen
Die Software beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Robotertyp oder Modelle, die Ulixes selbst herstellt. Die Apps funktionieren ebenso mit Automatisierungssystemen anderer Hersteller. Dafür muss lediglich das BDI-Protokoll in die Steuerungen integriert werden, das dazu kostenlos offengelegt wird. Andere Schnittstellen wie digitale I/Os, Ethercat, RS485 oder OPC UA zu einzelnen Komponenten sind bei Bedarf über entsprechende Apps nutzbar.
Waren Roboter bis vor kurzem noch überwiegend zur ‚Käfighaltung‘ verdammt, rückt mit der Industrie 4.0 die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in den Vordergrund. Unterstützen kann ARP dies über ein Assistenzsystem auf Basis von Bedienpanel, Leuchtmeldern und Tastern. Angeleitet von einer Lichtsteuerung kann der Mitarbeiter seine Arbeitsschritte vornehmen. Zusätzlich überwachen Sensoren und eine 3D-Kamera die Aktivitäten beim Greifen der Einzelteile und beim Montieren der Baugruppe. Der Workflow und alle Funktionen werden bei den Assistenzsystemen analog zu den Roboterabläufen per App geladen und gestartet. Kleinserien lassen sich mithilfe des Assistenzsystems realisieren, das gewissermaßen einen fließenden Übergang zur Serienproduktion ermöglicht.
Peter Nagler,
(sk)