Einheitliche Normen machen es Herstellern und Anwendern einfacher Geräte und Maschinen weltweit zu verkaufen und zu betreiben.

Einheitliche Normen machen es Herstellern und Anwendern einfacher Geräte und Maschinen weltweit zu verkaufen und zu betreiben.Tindo – Fotolia.com

Für die meisten Automatisierungsprodukte gelten sehr unterschiedliche Produktnormen – je nachdem, ob sie in Nordamerika, Asien oder Europa zum Einsatz kommen sollen. Sicherheitsanforderungen für Frequenzumrichter etwa sind in Europa im Produktstandard für Leistungsantriebssysteme IEC/EN 61800-5-1 niedergelegt. In Kanada und den USA hingegen unterliegen Frequenzumrichter bisher den Sicherheitsnormen CAN/CSA-C22.2 No. 274 der Canadian Standards Association und der UL 508C. Die elektrotechnischen Sicherheitsstandards für den US-amerikanischen Markt werden von UL definiert. UL ist ein gemeinnütziges Unternehmen und federführend bei zahlreichen Normierungsprozessen in Nordamerika. Zugleich ist UL die führende Zertifizierungs- und Prüforganisation für Produktsicherheit in den Vereinigten Staaten.

Die US-amerikanischen UL- und die kanadischen CSA-Normen sind weitgehend harmonisiert und stellen ähnliche technische Anforderungen, die sich innerhalb einer Baureihe miteinander vereinbaren lassen. Zu den jeweiligen europäischen IEC/EN-Normen bestehen jedoch zum Teil beträchtliche Unterschiede, insbesondere bei den Luft- und Kriechstrecken, der Art der Vorsicherung und der Klassifizierung von Lasten. Die Harmonisierung von nordamerikanischen und europäischen Sicherheitsnormen im industriellen Bereich begann vor über zehn Jahren bei Leistungsschützen und Motorstartern. Seitdem wirken bereits in vielen IEC-Normengremien UL-Experten mit.

Frequenzumrichter: Stichtag ist der 1. Februar 2016

Eines der jüngsten Ergebnisse dieser Zusammenarbeit ist der harmonisierte Standard für Frequenzumrichter UL/IEC 61800-5-1. Die Norm wurde 2012 veröffentlicht und gilt ab Februar 2016 verbindlich für alle neuen Frequenzumrichter für den US-Markt. Zertifizierungen von bereits zugelassenen Produkten bleiben aber weiterhin gültig. Die harmonisierte Norm ermöglicht es deutschen Herstellern und Systemintegratoren, Frequenzumrichter durch kombinierte Prüfungen sowohl für Europa als auch für die USA zertifizieren zu lassen.

Harmonisiert aber trotzdem (ein bisschen) unterschiedlich

Die UL- und die IEC-Version der Norm 61800-5-1 unterscheiden sich in Sachen Luft- und Kriechstrecken kaum voneinander. An Bauteilefehlerprüfungen stellt die UL 61800-5-1 allerdings höhere Anforderungen, sowohl im Vergleich zum europäischen Pendant als auch zur US-amerikanischen Vorgängernorm. Kurzschlussprüfungen etwa sah die alte UL 508C nur am Motorausgang des Frequenzumrichters vor. Denn einen Kurzschluss am Motorausgang kann der Frequenzumrichter bei gängigen Konstruktionen schnell erkennen und über die Ausgangshalbleiter abschalten. Daherist kein größerer Schaden zu erwarten. Die neue UL/IEC-Norm verlangt nun zusätzlich auch Kurzschlussprüfungen an sämtlichen Leistungsausgängen, beispielsweise am Gleichstromzwischenkreis und am Bremswiderstandsanschluss. Ein Kurzschluss an diesen Stellen löst oft die Vorsicherungen aus und kann je nach Konstruktion gravierende Folgen haben. Auch durch einen internen Fehler – etwa durch fehlerhafte Bauteile im Bereich des Gleichstromkreises – kann ein Kurzschluss mit erheblichen Auswirkungen entstehen. Ein solcher Kurzschluss könnte entweder von internen Kondensatoren im Gleichspannungszwischenkreis gespeist werden oder vom eingangsseitigen Netzgleichrichter. Im zweiten Fall wirkt – abhängig von der Ausprägung der Speiseschaltung – die Kurzschlussleistung des Versorgungsnetzes als Parameter ein. Daher verlangt die UL 61800-5-1 für Prüfungen interner Bauteile dieselben Bedingungen wie beim Kurzschlusstest.

SPS: Keine nationalen Unterschiede mehr

Ähnlich wie bei Frequenzumrichtern galten auch bei speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) lange Zeit unterschiedliche Sicherheitsstandards in Europa, den USA und Kanada. Je nachdem, in welchen Markt deutsche Hersteller ihre SPS exportieren wollten, mussten sie sich um Zertifizierungen nach IEC/EN 61131-2, UL 508 oder CAN/CSA-C22.2 No. 142 kümmern. Als vor wenigen Jahren eine neue IEC-Normenreihe mit Schwerpunkt auf Fabrikautomatisierung entwickelt wurde, koppelte man die Anforderungen der elektrischen Sicherheit aus und überführte sie in die neue IEC 61010-2-201. Gleichzeitig wurde ein harmonisierter Teil UL 61010-2-201 geschaffen. Dessen Novum: Es gibt keine Abweichungen für die USA. Die UL 61010-2-201wird von Januar 2016 an im Zusammenhang mit der UL 61010-1 für alle neuen Zertifizierungen von SPS und anderen Steuerungen verbindlich gelten. Bisherige Zertifizierungen nach UL 508 bleiben unbegrenzt gültig.

Die Hauptunterschiede zwischen der alten und der neuen Norm liegen in einem IEC-basierten Konzept von Luft- und Kriechstrecken, erweiterten Prüfungen im Bereich interner Bauteilefehler sowie in verpflichtenden Routineprüfungen während der Produktion. Auch für Kanada wurde die Norm harmonisiert. Die CAN/CSA C22.2 No. 61010-2-201 kommt wie die UL-Version ohne Abweichungen zur entsprechenden IEC-Norm aus. Für Hersteller ist dies eine erfreuliche Nachricht: Sie können nun sowohl IEC/EN-, UL-  als auch CAN/CSA-Anforderungen mit einer einzigen Testserie abdecken. Das spart Zeit und Kosten.

Ein Zulassungsprozess für sämtliche Märkte

Für Hersteller, die ihre industriellen Automatisierungsprodukte in vielen Ländern gleichzeitig auf den Markt bringen wollen, empfiehlt sich eine Zertifizierung nach dem ‚IECEE CB Scheme‘. Der große Vorteil des CB-Verfahrens, das die IEC ins Leben gerufen hat, ist die wechselseitige Anerkennung der Tests, die die Certification Bodies (CB), die nationalen zertifizierenden Stellen, durchgeführt haben. Praktisch heißt das: Mit nur einer Prüfung können Hersteller die Prüfzeichen von mehr als 50 Ländern erhalten. Hersteller benötigen für den globalen Marktzugang dann nur noch einen einzigen Zertifizierungspartner – was die Produkteinführung in den verschiedenen Absatzmärkten beschleunigt.

Hersteller sollten frühzeitig planen, in welche Länder sie ein neues Produkt exportieren möchten. Nur so ist es möglich, allen länderspezifischen Anforderungen – zum Beispiel in Bezug auf Netzspannungen, Netzformen oder die Sprache für Warnhinweise – in nur einem Zulassungsprozess gerecht zu werden. Alle nationalen Besonderheiten müssen berücksichtigt sein, damit ein Produkt auf Basis des CB-Zertifikats die gewünschten nationalen Prüfzeichen erhält. Darunter fallen auch spezielle Anforderungen an die Prüfung selbst. Beispielsweise müssen Produktprüfungen für den brasilianischen Markt in einem Labor durchgeführt werden, das von der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC) akkreditiert ist.

Dirk Müller

ist Manager Principle Engineers bei der UL International Germany GmbH in Neu Isenburg.

(mf)

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