Auf der IAA Nutzfahrzeuge 2010 in Hannover zu sehen, der Lion’s City von MAN, ein Bus mit seriellem Hybridantrieb.

Auf der IAA Nutzfahrzeuge 2010 in Hannover zu sehen, der Lion’s City von MAN, ein Bus mit seriellem Hybridantrieb.

Der Auftragseingang für schwere Lkw, der traditionell als konjunktureller Frühindikator gilt, lag im ersten Halbjahr um 80 Prozent über dem krisenbedingt niedrigen Vorjahresniveau. Diese positive Entwicklung verkündete Matthias Wissmann, Präsident VDA, in einem Vortrag vor versammelten Automobil-Redakteuren sowie vor OEMs und Tiers.

Besonders das Auslandsgeschäft boomt: Der Auftragseingang hat sich im ersten Halbjahr mit einem Plus von 108% mehr als verdoppelt. Entsprechend zieht der Export nach: Im ersten Halbjahr ist im schweren Bereich über 6 Tonnen ein Plus von 22 % auf 26.720 Einheiten zu verzeichnen; allein im Juni hat sich der Export dieser Lkw-Klasse mehr als verdoppelt (plus 104 Prozent).

So beeindruckend diese hohen Zuwachsraten auch aussehen mögen – wir dürfen nicht vergessen, dass die Nutzfahrzeugindustrie weltweit und auch in Deutschland im vergangenen Jahr durch das bislang tiefste Tal gegangen ist. Entsprechend niedrig ist die Vergleichsbasis 2009. Was die politischen Rahmenbedingungen gegenüber der Nutzfahrzeugbranche angeht, sieht M. Wissmann eine konstruktive Einstellung der Bundesregierung, anderes als bei benachbarten Staaten. Diese Einstellung spiegelt sich in der Aussetzung der LKW-Mauterhöhung, die 2011 vorgesehen war. Allerdings steht eine Ausweitung dieser Maut auf 4spurige Bundesstraßen ins Haus. In Sachen CO2 bremst Berlin die Ambitionen aus Brüssel. Trotzdem wird es der Branche schwer fallen, die geforderten 155gCO2/km bis 2020 zu erreichen.

Was die Branche in der Vergangenheit geleistet hat, kann man folgenden Zahlen entnehmen: Ein aktueller Euro-5-Lkw bläst im Durchschnitt 85 Prozent weniger Schadstoffe aus als ein Euro-0-Fahrzeug von 1985. Mit Euro-6 werden die neuen Fahrzeuge ab 2013 nochmals deutlich „grüner“. Euro-6 ist aber für die europäische Nutzfahrzeugbranche eine große Herausforderung. Dann darf nur noch ein Fünftel der bislang zulässigen Stickoxide und die Hälfte der Rußpartikel ausgestoßen werden.

Die Nutzfahrzeugbranche hat dieses Jahr in Hannover wieder die Chance, sich in der Reihe der grünen Anbieter wieder einen Platz weiter oben einzuordnen. Wie wir in unserer AUTOMOBIL-ELEKTRONIK vom August berichten, gab es z.B. bei Volvo bereits in den 80er Jahren Überlegungen, bei Trucks Hybridantriebe zu verwenden. Heute kann die Firma den Volvo FE präsentieren, der mit Parallel-Hybridtechnologie bis zu 30% weniger Kraftstoff benötigt. Die Kleinserienfertigung des Volvo FE Hybrid nach derzeit laufenden Feldtests mit ausgewählten Kunden dann 2012 anlaufen.

Bereits 1969 ist zur IAA in Frankfurt wurde der erste Mercedes-Benz Hybrid-Omnibus vorgestellt, dem über die Jahrzehnte zahlreiche Prototypen, Erprobungs¬fahr¬zeuge usw. bei Lkw, Transportern und Omnibussen folgten. Heute bereits ausgeliefert sind 100 Transporter Daimler Vitos E-CELL mit seinen Li-Ionen-Akkus für 130 km Reichweite. Vom Atego BlueTec Hybrid, ein Parallelhybrid, ist eine Innovationsflotte von 50 Lkws ab 2011 startklar. Neben diesen beiden Fahrzeugen werden sicher wieder weitere Studien von EVs und HVs den Daimlerstand krönen. Die Initiative Shaping Future Transportation für Daimler Nutzfahrzeuge zeigt heute, knapp zweieinhalb Jahre nach ihrem Start, gute Erfolge am Weltmarkt. So hat sich die Anzahl der verkauften Hybrid-Fahrzeuge seitdem mehr als verdoppelt. Rund 4.400 Transpor¬ter, Lkw und Omnibusse der Nutzfahrzeugmarken von Daimler befinden sich heute bereits auf der Straße. Die Stadtlinien¬busse von Orion, Lkw und Walk-in-Vans von Freigthliner in USA und Kanada sowie Leicht-Lkw und Busse von Fuso in Japan bewähren sich im täglichen Einsatz. Daimler Trucks, Daimler Buses und Mercedes-Benz Vans entwickeln dabei unter¬schied¬¬liche Lösungen zur Erfüllung spezieller Einsatzanforderungen.

MAN zeigte 1975 einen Hybrid-Stadtbus mit Gyrospeicher, 1979 den Hybrid-Stadtbus mit Hydrospeicher, 1987 den Dieselelektrischer Hybrid- Stadtbus mit magnet-dynamischen Schwungrad und 2000 schließlich den ersten Dieselelektrischen Hybrid-Stadtbus mit NiMH-Akkus. Die Firma kann somit auf eine lange Tradition bei alternativen Antrieben zurückblicken. Ab der IAA Nutzfahrzeuge im September kann bei MAN der Lion’s City, ein Bus mit seriellem Hybridantrieb, für Kunden in Europa geordert werden. Die bis zu 18 Tonnen schweren Solo-Fahrzeuge werden mit niedrigen mittleren Geschwindigkeiten betrieben, beschleunigen unzählige Male auf Tempo 40 bis 50 km/h, um kurz darauf bis zum Stillstand zu verzögern. Der innovative Niederflurbus mit seriellem Hybridantrieb gewinnt dabei die Bremsenergie zurück und wandelt diese in Antriebsenergie um. Der MAN Lion’s City Hybrid wird von zwei – durch ein Summiergetriebe gekoppelte – elektrische Fahrmotoren mit jeweils 75 kW Leistung angetrieben. Die beiden Elektromotoren erreichen zusammen ein Drehmoment von maximal 3.000 Newtonmeter. Deshalb kommt der MAN Lion’s City Hybrid ohne ein konventionelles Stufengetriebe aus. Die beiden Fahrmotoren arbeiten beim Bremsvorgang als Generatoren und wandeln die Bremsenergie in elektrische Energie um. Diese wird in sechs Ultracap-Modulen gespeichert. Mit der Start-Stopp-Automatik im Lion’s City Hybrid können zusätzlich Kraftstoffkonsum und Emissionen reduziert werden. Schließlich verbringen Stadtbusse zwischen 25 und 40 Prozent ihrer Betriebsdauer im Stand an Haltestellen oder vor roten Ampeln.

In der ersten Sektion werden bei Iveco Fahrzeuge für den innerstädtischen Personen- und Gütertransport präsentiert. Hier stehen vier Transporter Daily in unterschiedlichen Varianten, darunter ein Daily Electric, das Vorbild für „Zero Emission“-Fahrzeuge ohne jegliche Einfahrrestriktionen überhaupt. Stellvertretend für den Personenverkehr wird ein 12-m-Stadtbus mit diesel-elektrischem Hybridantrieb, durch den sich Verbrauch und damit Emissionen um 30 % verringern, zu sehen sein.

Das neue Label „Clean Tech“ wird künftig Renault Trucks-Fahrzeuge mit Hybrid-, Elektro- oder Erdgas-Antrieb auszeichnen. So können sich die Ausstellungsbesucher am Renault Trucks-Stand bei der Präsentation des Maxity Elektro und des Renault Premium Distribution Hybrys Tech über die aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet informieren. Schon heute verfügt der Hersteller über eine umfassende Palette von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Der in Partnerschaft mit PVI und EDF entwickelte Maxity Elektro befindet sich in der zweiten Entwicklungsphase. Er ist mit einem asynchronen Elektromotor ausgestattetet, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h und verfügt mit seinen Ion-Lithium-Batterien der neuesten Generation über eine Reichweite von 100 km. Das erste Exemplar wurde im Mai 2010 an den Pariser Getränkelogistiker Tafanel ausgeliefert. Renault Trucks testet seit dem Jahr 2009 unter realen Einsatzbedingungen seinen Premium Distribution Hybrys Tech als Müllfahrzeug im Großraum Lyon. Aufgrund dieser ersten Testversion konnten die Ingenieure von Renault Trucks wichtige Änderungen am Hybridfahrzeug der zweiten Generation vornehmen, das derzeit bei Coca-Cola Enterprise Belgien in Brüssel sowie beim Tiefbauspezialisten Colas in Lyon im Einsatz ist.

Was die Erwartungen an die IAA Nutzfahrzeuge dieses Jahr angeht, darf man diese nicht mit dem Rekordjahr 2008 vergleichen. 2008 war der Höhepunkt eines mehrjährigen Booms. Die ökonomischen Randbedingungen sind heute andere, trotzdem werden die bislang 1700 Aussteller ein deutliches Aufbruchssignal geben.

Wir werden in AUTOMOBIL-ELEKTRONIK über die Neuheiten aus Hannover berichte (sb).

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