AutoSUN

Ziel des BMBF-geförderten Forschungsprojekts AutoSUN (FKZ: 01M3178) war es, Verfahren und Methoden zur Erfassung unsicherer Spezifikationen, zur schnellen Simulation großer elektronischer Systeme sowie zum Schutz von IP beim Modellaustausch zu entwickeln. Eine um Größenordnungen beschleunigte Simulation von Mixed-Signal-Systemen sowie die Stärkung der Kooperationen über die gesamte Verwertungskette der Automobilelektronik wurde mit der Software SystemC-AMS erreicht. Per infoDIRECT gelangen Sie zu einem kostenlosen Download der Beta-Version vom Fraunhofer IIS (Institutsteil EAS)

AutoSUN dürfte Entwicklern von Automobilelektronik künftig den Alltag merklich erhellen: Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt trägt den Titel „Entwurf von elektronischen Automobil-Systemen aus toleranzbehafteten Baugruppen“ (AutoSUN, Automotive Systems with Uncertainties). Ziel des Projekts ist es, die digitale und die analoge Welt des Hardwareentwurfes mit dem Entwurf hardwarenaher Software auf hoher Abstraktionsebene zusammenzubringen.

Prototyp zur Erkennung von Stopp-Schildern in einer Mercedes-Benz S-Klasse: Das Bilderkennungsverfahren ist in der Kreuzungsassistenz-Funktion implementiert.

Prototyp zur Erkennung von Stopp-Schildern in einer Mercedes-Benz S-Klasse: Das Bilderkennungsverfahren ist in der Kreuzungsassistenz-Funktion implementiert. Daimler AG

Nach dreijähriger Forschungsarbeit im Verbundprojekt haben die Kooperationspartner nun eine virtuelle Plattform vorgestellt, die es ermöglicht, den Funktionstest komplexer elektronischer Systeme vor der Verfügbarkeit von Hardware durchzuführen. Anhand eines Fensterhebers in einer Autotür zeigten die Projektteilnehmer anschaulich die Leistungsfähigkeit dieser Plattform. Die entwickelten Methoden und Werkzeuge beruhen auf der Systembeschreibungssprache SystemC-AMS.

Mit dem Projekt wollten die Forscher den Herausforderungen der Automobilindustrie begegnen, die sich mit der zunehmenden Elektronifizierung des Fahrzeugs (inklusive Software) und der wachsenden Dominanz prozessorbasierter Elektronik konfrontiert sieht. In den letzten Jahren sind bei Fahrerassistenzsystemen, Energiespar- und Komfortfunktionen sowie im Bereich der präventiven Sicherheit deutliche funktionelle Fortschritte erzielt worden. Doch dies hat seinen Preis in Form eines wachsenden Anteils elektronischer Komponenten: Eine Vielzahl von Mikroprozessoren arbeitet zehntausende Zeilen Software ab. Diese eng vernetzten Prozessoren sind über zahlreiche analoge Schnittstellen mit der Umgebung verbunden.

Heterogene Systeme

Die heterogenen elektronischen Systeme des Automobils bestehen aus analoger und digitaler Hardware sowie einem stetig steigenden Anteil hardwarenaher Software. Damit diese Systeme robust und ausfallsicher entworfen werden können, sind Entwurfsverfahren auf hohem Abstraktionsniveau (Electronic System Level, ESL) unabdingbar. Dies gilt umso mehr, da zunehmende Komplexität die zuvor völlig autark voneinander entwickelten Systeme vermehrt ineinander greifen lässt. Im Projekt AutoSUN stand daher die Schaffung eines durchgängigen Entwurfsflusses über die gesamte Wertschöpfungskette der Automobilindustrie – also Fahrzeughersteller, Zulieferer und Halbleiterhersteller – im Mittelpunkt.

Die Kooperationspartner von AutoSUN bildeten entsprechend die gesamte Wertschöpfungskette ab: Die Industriepartner setzten sich aus Continental Teves, Daimler, Infineon Technologies und ZMD zusammen. Sie standen im engen Verbund mit dem Institut für Mikroelektronische Systeme der Leibniz Universität Hannover, dem Institut für Computertechnik der TU Wien und dem Institutsteil Entwurfsautomatisierung EAS des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS. Begleitet wurde das Projekt durch das Edacentrum aus Hannover, eine Institution zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet Electronic Design Automation (EDA).

Die Projektpartner hatten sich dabei weit reichende Ziele gesetzt: Sie erarbeiteten einen auf der Sprache SystemC-AMS basierten Ansatz zur Erstellung und Validierung von Spezifikationen, die auf die speziellen Anforderungen der Automobilindustrie zugeschnitten sind: Die Beschreibungssprache SystemC-AMS ist in der Lage, die Heterogenität dieser Systeme, etwa moderner Fahrerassistenzsysteme, zu erfassen, zu beschreiben und zu simulieren. Das auf dem früheren BMBF-Projekt ANASTASIA aufbauende Werkzeug „AMS“ steht für Analog Mixed Signal und ist eine Erweiterung von SystemC, die es erlaubt, komplexe Mixed-Signal-SoCs zu entwickeln.

Systeme zuverlässig gestalten

Leitmotiv der Beteiligten war es, mit Problemlösungen die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie zu verbessern – und die ist immerhin einer der größten deutschen Arbeitgeber. Systeme mit Toleranzen zuverlässiger zu gestalten und dabei Kosten zu sparen, lautete das erklärte Ziel. Dabei gilt es, frühzeitig im Entwurfsablauf die Spezifikationen unter Berücksichtigung der vertikalen Struktur zwischen Halbleiterhersteller, Systemanbieter und Fahrzeughersteller zu erstellen und zu validieren.

Entwurfsumgebung aus AutoSUN: Plattform zur Unterstützung von Software- und Systementwicklung

Entwurfsumgebung aus AutoSUN: Plattform zur Unterstützung von Software- und Systementwicklung Continental Teves/Fraunhofer IIS EAS

Durch das Projekt ist ein neuartiger Spezifikationsansatz zur Anwendungsreife gediehen, der die folgenden Anforderungen abdeckt:Eine beschleunigte Erfassung der SpezifikationEine beschleunigte Simulation, so dass sich Verkehrsszenarien anhand der Spezifikation vollständig simulieren lassenDie Entwicklung von Verfahren für die Verifikation von Systemen mit analoger und digitaler Hardware sowie SoftwareDie Erfassung und Bewertung von toleranzbehafteten Baugruppen

Voraussetzungen

Die Grundvoraussetzung für einen gemeinsamen Systementwurf bildet die einheitliche Beschreibung für die Spezifikation heterogener und sehr komplexer Systeme, um alle Domänen der Spezifikation gemeinsam erfassen zu können. Mit einer ganzheitlichen Beschreibung lassen sich auch Prüfungen über die Systemteile hinweg (analoge/digitale Hardware, hardwarenahe Software) vornehmen.

Überdies sind entsprechend viele Entwurfsverfahren nötig, um eine verstärkt vertikale Struktur bei der Realisierung elektronischer Systeme zu unterstützen. Derzeit ist die Spezifikationsebene noch durch viel Handarbeit gekennzeichnet. Allein bei Fahrerassistenzsystemen ist in den letzten Jahren die Anzahl der elektronischen Komponenten in der Steuerungselektronik in die Höhe geschnellt. Zudem haben sich die Anforderungen erhöht, die zu einem funktionierenden Ganzen wie etwa Abstandswarnradar, Geschwindigkeitsregulierung, Brems- und Beschleunigungsvorgänge, Umfeldüberwachung und Stabilitätsregelung vereint sind.

Dass sich dabei leicht Fehler einschleichen können, liegt auf der Hand. Um diese zu vermeiden, ist es notwendig, die Spezifikation zu simulieren und somit komplexe Anwendungsszenarien vor der Verfügbarkeit von Hardware zu verifizieren. Diese Verifikation mittels einer virtuellen Plattform hat zusätzlich den Vorteil, dass sich beliebige Kombinationen von Parameterschwankungen – beispielsweise resultierend aus Fertigungstoleranzen oder Umgebungsbedingungen wie der Temperatur – berücksichtigen lassen.

Situationen virtuell nachstellen

Mit Hilfe einer ausführbaren Spezifikation ist es möglich, Situationen virtuell nachzustellen. Dies verringert nicht nur den Aufwand für Tests mit dem Originalauto, sondern es ist vielmehr auch möglich, die Tests viel gezielter und früher durchzuführen. Eine virtuelle Umgebung erlaubt außerdem das Nachstellen einer bedeutend höheren Anzahl von Situationen und möglichen Fehlreaktionen des Systems. Die Gründe dafür liegen in der geringen Vorbereitungszeit und der hohen Parallelität der Ausführung.

Im Vergleich mit der Prototypenerprobung lassen sich mehr Szenarien durchführen, wobei alle Parameter variierbar und selbst Worst-Case-Untersuchungen realisierbar sind. Somit lassen sich einerseits fehlerhafte Aktionen eines Fahrerassistenzsystems ausschließen, andererseits können typspezifische Anpassungen vorgenommen werden.

Demonstrator für eine einheitliche Modellsimulationsplattform mithilfe des Diagnoseprogramms CANoe

Demonstrator für eine einheitliche Modellsimulationsplattform mithilfe des Diagnoseprogramms CANoe Daimler/Fraunhofer IIS EAS

Damit wird der Entwurf innovativer elektronischer Systeme ermöglicht, die den künftigen Anforderungen hinsichtlich Robustheit, Sicherheit und Energieeffizienz genügen. Der Kunde erhält ein in seiner Funktionsweise optimiertes elektronisches System mit einem sehr hohen Qualitätsanspruch. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil durch eine simulierbare Spezifikation ist die Anpassung an neue Erkenntnisse aus der Forschung.

Schnelle Gesamtsimulation

Für die schnelle Simulation der Kommunikationsstrukturen von Analog-/Mixed-Signal-ICs wurde eine Methodik in SystemC-AMS in Verbindung mit der Modellierung auf Transaktionsebene (TLM, Transaction Level Modeling) entwickelt. Diese abstrahiert bei gleichzeitig laufzeitgenauer Modellierung von Transaktionsvorgängen völlig von den physikalischen Strukturen des ICs. Beide Maßnahmen zusammen erlauben eine Steigerung der Simulationsleistung für die betrachteten Schaltungen um drei Größenordnungen, also die Simulation gegenüber einer bisherigen VHDL-AMS-Simulation zirka um den Faktor zu beschleunigen.

Eine effiziente Überprüfung einer großen Zahl spezifizierter Systemeigenschaften erfordert zunächst, Tests und zu prüfende Eigenschaften in einer regressionsfähigen Art und Weise zu beschreiben. Während hier im digitalen Bereich entsprechende Methoden etabliert sind, steht die Analogverifikation noch in den Anfängen. Ein geeignetes mathematisches Fundament für die Spezifikation von Eigenschaften ist die affine Arithmetik, für die nun ein Verfahren und ein Werkzeug für die Eigenschaftsprüfung zur Verfügung stehen.

Die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt AutoSUN sollten möglichst zeitnah in den Produktentwicklungsprozess einfließen: Daher wurde eine Umgebung geschaffen, welche neben den in AutoSUN entwickelten Werkzeugen auch Inhouse-Tools von Continental und kommerziell verfügbare Werkzeuge in der neuartigen Entwicklungsplattform integriert. Diese Plattform unterstützt die Hardware-Entwicklung für ICs, die Software-Entwicklung und die Systementwicklung. Je nach Anwendungsfall können dabei unterschiedliche Kombinationen von Technologien und Werkzeugen zum Einsatz kommen.

Komplexe Verifikation

Die unterschiedlichen Verifikationsaufgaben erfordern selbstverständlich verschiedene Verifikationsmethoden und -werkzeuge und werden demzufolge auch von verschiedenen Spezialisten wie Analog-Designern, Digital-Designern oder Verifikationsingenieuren durchgeführt. Gleichzeitig müssen alle Verifikationsschritte in einem Werkzeug geplant und der Status aller Verifikationsschritte gemeinsam dargestellt werden können.

Kommerziell verfügbare EDA-Werkzeuge sind im Allgemeinen für die analoge oder digitale Domäne optimiert. Deshalb wurde das Werkzeug vPlanner entwickelt. Es umfasst im Wesentlichen eine GUI zur Verifikationsplanung, also zur Erfassung aller funktionalen Eigenschaften, Features sowie der Möglichkeit der Zuordnung von Testcases und Testbenches zu einem oder mehreren Features. Das dahinterliegende Datenbankschema ist auf die Anforderungen der Verifikation von analogen, digitalen und Mixed-Signal-Schaltungen zugeschnitten. Durch die Verwendung der mySQL-Datenbank ist es möglich, dass mehrere Benutzer gleichzeitig den vPlanner benutzen. Des Weiteren realisierte das Team eine Script-basierte Schnittstelle zum Starten von Verifikationsläufen und zum Eintragen von Verifikationsergebnissen in eine Datenbank. Da sie über eine Statuserfassung verfügen, ist es möglich, deren Ergebnisse zu sammeln und darzustellen.

Standardisierung vorantreiben

ANASTASIA hat bereits einen Forschungsvorsprung erzielt. Deshalb konnte durch die Förderung von AutoSUN erstmalig eine von Deutschland ausgehende Standardisierungsinitiative im Gebiet der Entwurfsautomatisierung (Electronic Design Automation) gestartet werden. Im Verbund mit weiteren europäischen Partnern sind mit SystemC-AMS nun die ersten Hürden der Standardisierung genommen.

 

 

 

 


Karsten Einwich und Dieter Treytnar

: Karsten Einwich ist als Gruppenleiter Mixed-Signal-Systeme im Institutsteil EAS beim Fraunhofer IIS beschäftigt. Dieter Treytnar ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Edacentrum zuständig.

(av)

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