SiL macht autonomes Fahren erst möglich.

SiL macht autonomes Fahren erst möglich. (Bild: ETAS)

Warum gerade SiL? Die hohen Anforderungen an die Sicherheit und Umweltverträglichkeit von Automobilen erfordern den Einsatz leistungsfähigster elektronischer Systeme und Software-Implementierungen. Zur Automatisierung des Fahrens müssen Verkehrssituationen und Umweltbedingungen mithilfe von Hochleistungssensoren in Kombination mit schneller Bildverarbeitung und Objekterkennung jederzeit genau erfasst und kontrolliert werden. Gleichzeitig tauschen automatisierte Fahrzeuge große Mengen an Informationen mit ihrer Umgebung aus, sei es mit anderen Verkehrsteilnehmern, Leitsystemen oder Mehrwertdiensten. Übergeordnete Funktionen, ohne die das autonome Fahren nicht ermöglicht werden kann, lassen sich durch die Vernetzung einzelner Systeme realisieren. Umgekehrt können in bestimmten Fällen, sei es aus funktionalen Gründen oder zur optimalen Nutzung von Systemressourcen, die einzelnen Funktionen einer Software auf mehrere Mikroprozessoren und Mikrocontroller eines Steuergeräts oder auf verschiedene Steuergeräte verteilt sein.

Eckdaten

Mit dem Ziel, eine einheitliche, domänenübergreifende Umgebung für umfassende SiL-Tests zu schaffen, werden derzeit bei Bosch unter Führung des Kompetenzzentrums Software Verifikation und Validierung in Kooperation mit ETAS Anforderungen dafür definiert, die mithilfe einer Referenzimplementierung verifiziert werden. Auf Basis dieser Standardisierung lassen sich SiL-Umgebungen realisieren, welche die Entwicklung und den Test komplexer eingebetteter Software fortschrittlicher elektronisch gesteuerter Systeme der nächsten Fahrzeuggeneration maßgeblich unterstützen.

Aufgabenstellung

Die Komplexität solcher Systeme lässt sich in der Entwicklung nur durch den konsequenten Einsatz von Werkzeugen und Methoden zur Virtualisierung von Hardware und Simulation des Verhaltens der Systeme und ihrer Umgebung beherrschen. Dasselbe gilt für die Absicherung der Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Software/Systeme durch den Einsatz entsprechender Testmethoden und Umgebungen. Dieses Vorgehen trägt nicht nur entscheidend dazu bei, die Entwicklungseffizienz zu steigern und Engpässe in der Verfügbarkeit von Versuchsträgern und Systemprototypen zu überbrücken.

In bestimmten Fällen ist es darüber hinaus aus systematischen Gründen zwingend geboten: Auf der einen Seite kann das Verhalten komplexer Steuerungen und Regelungen in der virtuellen Umgebung in Grenzbereichen getestet werden, die bei Versuchen am Prüfstand oder im Fahrzeug nur sehr schwer oder überhaupt nicht zugänglich sind. Auf der anderen Seite stellt sich für Tests von Systemen der Fahrzeugautomatisierung die Aufgabe, das Verhalten solcher Systeme für Fahrsituationen abzusichern, deren Anzahl im Prinzip unbeschränkt ist. Um automatisierte Fahrfunktionen in Bezug auf die funktionale Sicherheit und Zuverlässigkeit dieser Funktionen mit hinreichender Breite und Tiefe zu testen, reichen Fahrversuche deshalb nicht mehr aus. Abschätzungen zeigen, dass zur Absicherung hochautomatisierter Fahrfunktionen mehrere Milliarden Kilometer mit Versuchsfahrzeugen gefahren werden müssten. Diese Funktionen lassen sich einzig und allein durch die Verlagerung von Fahrzeug- und Systemtests weg von der Straße hin zum Computer validieren.

SiL macht autonomes Fahren erst möglich.

SiL macht autonomes Fahren erst möglich. ETAS

Herausforderungen

Die Anforderungen an Virtualisierungen und Simulationen für rein rechnerbasierte Tests sind teilweise höher als jene, die an herkömmliche HiL-Tests gestellt werden: Die Aussagekraft rein rechnerbasierter Tests hängt entscheidend davon ab, wie verlässlich physikalische Komponenten, Aggregate, Aktoren, Sensoren, elektronische Steuerungen und Netzwerke von Fahrzeugsystemen virtualisiert und mithilfe einer Fahrsimulation in einer virtuellen Umgebung getestet werden können.

Auf der anderen Seite sind leistungsfähige standardisierte Schnittstellen und Werkzeuge erforderlich, die es erlauben, Softwarekomponenten komplexer eingebetteter Systeme miteinander zu integrieren, mit virtualisierten Systemkomponenten zu verknüpfen und mithilfe von Fahrsimulationen in einer virtuellen Umgebung zu testen.

SiL als Lösungsansatz

Bild 1: Auf Basis leistungsfähiger skalierbarer SiL-Tests ist die kontinuierliche Bereitstellung hochwer-tiger Softwareversionen möglich.

Bild 1: Auf Basis leistungsfähiger skalierbarer SiL-Tests ist die kontinuierliche Bereitstellung hochwertiger Softwareversionen möglich. ETAS

Mit einer offenen und skalierbaren Simulationsplattform, mit der SiL-Tests von verteilten Softwarefunktionen vernetzter Steuergeräte in Kombination mit Simulationen der Steuer- und Regelstrecken sowie der Umgebung möglich werden, können viele der neuen Herausforderungen gemeistert werden. Bei diesem Ansatz ist der Einsatz virtueller Steuergeräte von Vorteil, welche die gleiche Softwarearchitektur und teils gleiche Softwarekomponenten wie die Zielsteuergeräte besitzen. Virtuelle Steuergeräte können entweder über I/O oder Schnittstellen zu virtualisierten Fahrzeugbussen mit virtuellen Sensoren, Aktoren und anderen Steuergeräten und mit der Simulation der Systemumgebung verbunden werden. Mithilfe einer solchen Umgebung besteht die Möglichkeit, die Software von Fahrzeugsystemen unabhängig von der Verfügbarkeit physikalischer Steuergeräteprototypen oder anderen Hardwarekomponenten zu integrieren und zu testen.

Standardisierung

Bild 2: Bausteine eines Software-in-the-Loop-Tests des SiL Gesamtsystems.

Bild 2: Bausteine eines Software-in-the-Loop-Tests des Gesamtsystems. ETAS

Die Werkzeuge, Modelle, Konfigurationen und Prozesse, die zur Virtualisierung und Simulation zum Einsatz kommen, müssen auch deshalb gut aufeinander abgestimmt werden, damit die Zusammenarbeit verschiedener Partner in der Entwicklung und beim Test effizient und reibungslos funktionieren kann. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Wiederverwendung von Artefakten vorausgehender Entwicklungsschritte und anderer Projekte. Aus diesem Grund müssen die Testumgebungen, die Schnittstellen zur Einbettung virtueller Steuergeräte sowie die Modelle von Systemkomponenten und der Systemumgebung genau definiert und in Form gut abgestimmter Standards zugänglich gemacht werden.

Um effiziente Zusammenarbeit über die Abteilungs- und Unternehmensgrenzen aller beteiligten Zulieferer und OEMs hinweg zu gewährleisten, sollte der Standardisierungsansatz auf einer breiten industriellen Basis stehen. Hierfür gilt es, das Augenmerk in erster Linie auf die Schnittstellen (APIs) zu richten, um den einfachen Austausch der eingesetzten SiL-Komponenten und die reibungslose Einbindung bestehender Toolketten zu gewährleisten.

Es geht also um offen gestaltete Standards für eine flexible SiL-Architektur, denn am Markt sind unterschiedliche Modellierungsumgebungen verschiedener Hersteller für spezifische Aufgabenstellungen erhältlich, die häufig eine hohe Reife besitzen. Ebenso sind elaborierte Modelle, die das Verhalten einzelner Systeme, des Fahrzeugs und der Umgebung nachbilden, oft schon vorhanden. Wenn irgend möglich, sollen existierende Modelle, die sich im Einsatz bewährt haben, als Bestandteil von Gesamtsimulationen wiederverwendet werden können.

Bild 3: Blockschaltbild der Architektur einer SiL Testumgebung (Beispiel Software-in-the-Loop).

Bild 3: Blockschaltbild der Architektur einer SiL-Testumgebung (Beispiel). ETAS

Schlüssel zur Einbettung von SiL-Testumgebungen in die vorhandene Entwicklungs- und Testlandschaft sind eine offene Architektur sowie die Unterstützung von Standards wie FMI/FMU, Acosar und Autosar sowie virtuelle Busse der relevanten Kommunikationsprotokolle (LIN, CAN, Flexray oder Automotive Ethernet), die zur Kopplung der virtuellen Steuergeräte dienen. Zur Integration domänenspezifischer Streckenmodelle und Steuergerätefunktionen müssen relevante Schnittstellen und Protokolle vorgehalten oder einfach ergänzt werden können. Zur Automatisierung von Testabläufen ist eine Testautomatisierungsschnittstelle erforderlich. Beispielsweise ermöglicht es die von ASAM standardisierte XIL-API den Anwendern, Werkzeuge ihrer Wahl für die Testdurchführung und -automatisierung zu verwenden.

Effizienzgewinne

Mithilfe standardisierter SiL-Testumgebungen lassen sich hochgradig vernetzte Funktionen wie zum Beispiel die des automatisierten Fahrens in allen Phasen der Entwicklung mit der notwendigen Breite und Tiefe kontinuierlich integrieren und testen. Gleichzeitig können bei der Validierung von Systemen und Software hohe Effizienzgewinne aufgrund der unmittelbaren Verfügbarkeit der Testergebnisse am Rechner erzielt werden. Rein virtuelle Testumgebungen lassen sich quasi per Mausklick kopieren und entsprechende Artefakte mit niedrigem Aufwand weltweit verteilen. Außerdem besteht so die Möglichkeit, spezifische Tests in hohem Maß zu parallelisieren und dadurch den Testdurchsatz um mehrere Faktoren zu erhöhen. Gleichzeitig lassen sich die Tests in der rein virtuellen Umgebung auch deshalb schneller durchführen, weil bisherige Echtzeitbeschränkungen entfallen.

Thomas Huber

Leiter des Robert Bosch-Centers of Competence für Software Verifikation und Validierung

Dr. Jürgen Häring

Leiter des Produktmanagements im Bereich Test und Validierung bei ETAS

Dr. Ulrich Lauff

Senior-Experte Marketing-Kommunikation bei ETAS

(av)

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