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(Bild: Turck)

Die Shipment Verification Station (SVS) von Turck Vilant Systems im Proof-of Concept-Aufbau

Die Shipment Verification Station (SVS) von Turck Vilant Systems im Proof-of Concept-Aufbau. Die drei Wände und die Decke der Metallbox sind mit UHF-Schreib-Lese-Köpfen bestückt. Zudem macht sich die SVS die Reflektion der Wellen an den Metallwänden zunutze. Turck

Wenn Ultra High Frequency (UHF)-RFID-Technik Superman ist, dann sind Wasser und Metall ihr Kryptonit. Denn Metall schirmt elektromagnetische Wellen ab und reflektiert sie, Wasser hingegen absorbiert sie – beides verhindert zuverlässige Lese- und Schreibprozesse mit passiven UHF-Datenträgern. Ob sich UHF-Technik dennoch zur Verifikation von Lieferungen auf Paletten einsetzen lässt, wollte Merck am Standort Darmstadt überprüfen.

Im Zuge der Digitalisierung der eigenen Prozesse stellte sich der Konzern die Frage, inwiefern er die Erfassung und Verifikation von Lieferungen automatisieren kann. In der Logistik führt bei dieser Frage seit Jahren kaum noch ein Weg an RFID vorbei. Bei höheren Reichweiten und zur gleichzeitigen Erfassung mehrerer Datenträger, der sogenannten Pulklesung, kommt nur die reichweitenstarke UHF-Technik in Frage. Diese Technik kann allerdings bei Flüssigkeiten und Metallen problematisch sein. Beides – flüssige Materialien wie auch metallische Gebinde, zum Beispiel Fässer – spielt bei Merck aber eine wichtige Rolle. Das Unternehmen musste daher zunächst eine solide Datenbasis schaffen, auf deren Grundlage es entschieden kann, ob Pulklesungen mit UHF-RFID überhaupt zur Verifikation der spezifischen Güter und Vorprodukte eingesetzt werden können.

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„Durch den Proof of Concept, den wir mit Turck Vilant Systems durchgeführt haben, wissen wir, dass auch schwierige Produkte mit der richtigen Methode zuverlässig und stabil erfassbar sind.“ Yanick Luca Kleppinger, Merck KGaA Turck

Yanick Luca Kleppinger untersuchte in seiner Bachelorarbeit die Frage, welchen Einfluss unterschiedliche Lösemittel auf die Pulkerfassung mit UHF-RFID-Technik haben. Im Zuge dieser Arbeit führte Kleppinger auch einen Proof of Concept zur Frage durch, wie gut sich unterschiedliche Chemikalien und Behältnisse mit UHF-RFID-Technik identifizieren lassen. Im Versuchsaufbau dieser Machbarkeitsstudie testete er die Technik exemplarisch an sieben Paletten, die die Varianz der Gebinde und Substanzen bei Merck abbildeten.

Einfluss der Varianz der Substanzen und Gebinde getestet

Auf den ersten drei Testpaletten standen mit Glasflaschen befüllte Kartons. Die Flaschen auf der ersten Palette waren mit Ethanol befüllt, die auf den beiden weiteren mit anderen Lösemitteln. Auf Palette vier standen Kunststoffbehälter mit Ethanol, auf Palette fünf zwei Metallfässer mit je 200 Liter Volumen. Palette sechs war mit acht kleineren Fässern aus Metall bestückt. Auf Palette sieben testete Kleppinger unterschiedliche Gebinde mit Pulvern, Flaschen, Kunststoffgegenständen und Metallfässern. Mit dieser Mischpalette wollte Kleppinger unter anderem prüfen, ob die Leseergebnisse auch zuverlässig sind, wenn sich die Lage der UHF-Tags durch optimierte Packvorgänge zufällig ergibt. Erste Tests mit einem klassischen RFID-Gate waren aussichtsreich. Allerdings zeigten sich bei der Erfassung der Ethanol-Paletten Differenzen zu den Paletten mit anderen Lösemitteln. Vor allem innenliegende Datenträger auf den Ethanolbehältern konnten die RFID-Reader nicht zuverlässig erfassen. Die Mischpalette bereitete dem klassischen RFID-Gate ebenfalls Probleme.

Shipment Verification Station nutzt Reflektion der Wellen an Metallwänden

Abhilfe brachte die RFID-Integrationsspezialisten von Turck Vilant Systems (TVS). Die Turck-Tochter hat 20 Jahre Erfahrung mit der Integration von UHF-Lösungen in zahlreichen Branchen. Neben eigener RFID-Middleware setzt TVS dabei die für die jeweilige Anwendung optimale Hardware ein. „Paletten mit Flüssigkeiten in einem RFID-Gate zu erkennen, ist mit einem klassischen Gate-Aufbau nicht möglich“, erinnert sich Robert Paulus, der als Business Development Manager bei TVS den Proof of Concept bei Merck betreute. Das Problem: Die innenliegenden Tags waren von allen Seiten von Flüssigkeiten umgeben. Da das Ethanol die Wellen absorbiert, werden die innenliegenden Datenträger nicht erkannt.

„Wir haben in solchen Applikationen gute Erfahrung mit unserer Shipment Verification Station (SVS) gemacht“, sagt Paulus. Die SVS ist eine Metallbox, deren drei Wände sowie die Decke mit UHF-Schreib-Lese-Köpfen bestückt sind. Durch die verbliebene Öffnung wird die Palette mit zu identifizierenden Objekten eingeschoben. „Wir machen uns in der SVS die Reflektion der Wellen an den Metallwänden zunutze. Der Effekt lässt sich mit einem Spiegelkabinett vergleichen. Die elektromagnetischen Wellen werden immer wieder reflektiert und erfassen so auch Punkte auf einer Palette, die klassische RFID-Gates nicht erreichen.“

Polarität entscheidend für Lesbarkeit der RFID-Tags

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Auch polare Flüssigkeiten wie Ethanol werden erkannt, wenn der Tag richtig positioniert ist. Turck

Beim Test mit den ersten drei Paletten zeigte sich, dass die drei Lösungsmittel unterschiedlich auf ultrahochfrequente Wellen reagieren. Während die Erfassung der 120 Datenträger der Palette mit Ethanol-Flaschen bis zu 30 Sekunden dauerte, konnten die Flaschen mit anderen Lösungsmitteln innerhalb von zwei Sekunden gelesen werden. Die Datenträger auf den Flaschen wurden nahezu gleichschnell gelesen wie die Tags auf den Kartons, der Unterschied musste also in den Eigenschaften der Lösungsmittel liegen. Bislang spricht die Literatur lediglich davon, dass Flüssigkeiten eine dämpfende Wirkung auf elektromagnetische Wellen haben. Die drei Flüssigkeiten waren zwar ähnlich viskos, unterschieden sich aber in ihren dämpfenden Eigenschaften signifikant. Kleppinger suchte nach einer anderen Moleküleigenschaft, die die drei Lösungsmittel unterschied: Entscheidend, so das Ergebnis seiner Untersuchung, sei die Polarität der Stoffe. Also: Je polarer ein Stoff ist, desto höher wird die Feldschwächung und damit die Absorption. Wenn diese Erkenntnis durch weitere Tests bestätigt werden kann, gibt es in Zukunft einen neuen Forschungsstand zum Thema Auswirkungen von Flüssigkeiten auf die Lesbarkeit mit UHF-RFID.

Wahl und Position der RFID-Tags entscheidend

Entscheidend für erfolgreiche Leseergebnisse ist neben den genannten Faktoren auch die Wahl des richtigen Datenträgers. Dabei unterstützte Turck Vilant Systems ebenso wie bei deren optimaler Positionierung auf den Flaschen, Fässern oder Kartons. Beim Test der vierten Palette mit Ethanolbehältern aus Kunststoff lag der Schlüssel zum guten Leseergebnis im Anbringen der Datenträger oberhalb der Füllhöhe des Ethanols. So konnten alle 21 Datenträger binnen zwei Sekunden gelesen werden. Zudem dürfen die Tags nicht von metallischen Körpern verdeckt sein.

„On-metal Tags“ nutzen Metall als Antenne

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Die on-metal-Datenträger nutzen das Fass selbst als erweiterte Antenne Turck

Beim Test der Datenträger auf Metallfässern war hingegen die Position der Tags weniger ausschlaggebend. Hier kamen spezielle „on-metal Tags“ zum Einsatz, die das Metallfass als Erweiterung ihrer Antenne nutzen. Alle neun Datenträger auf der Palette wurden binnen zwei Sekunden gelesen. Der Test mit elf kleineren Fässern bestätige dieses Ergebnis. Grundsätzlich sollten bei allen Lesevorgängen die Datenträger möglichst in dieselbe Richtung orientiert sein.

Bei der mit Fässern, Kunststoffbehältern, Kartons und Flaschen bestückten Mischpalette konnte die einheitliche Orientierung der Datenträger nicht gesichert werden. Kleine Kunststoffgegenstände, die automatisiert in Kartons befüllt werden, liegen eben kreuz und quer in den Kartons. Dennoch waren die Leseergebnisse der SVS ausreichend und prozesstauglich. Alle 82 Datenträger wurden innerhalb von zwei Sekunden erkannt – trotz der willkürlichen Orientierung der Datenträger.

„Nach unseren ersten Versuchsaufbauten und den daraus gewonnenen Erkenntnissen standen wir der Erfassung von bestimmten Produkten sehr skeptisch gegenüber“, sagt Kleppinger. „Durch den Proof of Concept, den wir mit Turck Vilant Systems durchgeführt haben, wissen wir jetzt, dass auch schwierige Produkte mit der richtigen Methode zuverlässig und stabil erfassbar sind.“

6 Kriterien für die Auswahl des passenden UHF-Tags

Datenträger, auch Tags genannt, spielen in RFID-Systemen eine entscheidende Rolle. Sind sie für die Anwendung nicht geeignet, resultiert dies in zu geringen Erfassungsraten oder gar einem Scheitern des gesamten RFID-Systems. Ein Problem dabei: Die Auswahl eines Datenträgers wird aufgrund der wachsenden Einsatzfelder von UHF-RFID immer komplexer. Es ist daher für die Auswahl des passenden Tags notwendig, technische Anforderungen und Einsatzbedingungen im Prozess so genau wie möglich zu kennen, damit die Tags dem Prozess widerstehen und die gewünschte Performance (Lesereichweite) auch erreichen. Je nach Branche und Applikation bestehen verschiedene Anforderungen an die Datenträger, die sich in 6 Kriterien unterteilen lassen. Wie diese lauten, zeigt Ihnen dieses Whitepaper.

Holger Anders

Vertriebsspezialist bei Turck in Mülheim an der Ruhr

(ml)

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