Hat die enorme Bedeutung von Licht für die drahtlose Datenkommunikation erkannt: Prof. Harald Haas, "Vater" der LiFi-Technologie und nominiert für den Preis als Erfinder des Jahres der Europäischen Patentorganisation EPO.

Hat die enorme Bedeutung von Licht für die drahtlose Datenkommunikation erkannt: Prof. Harald Haas, "Vater" der LiFi-Technologie und nominiert für den Preis als Erfinder des Jahres der Europäischen Patentorganisation EPO. (Bild: EPO)

In den frühen Tagen der Mobilkommunikation hatten Handys oft eine Infrarotschnittstelle zum Datenaustausch, die aber quälend langsam war. Wie sind Sie darauf gestoßen, dass diese Schnittstelle viel größeres Potenzial haben könnte?

Prof. Harald Haas: Auf die Idee bin ich gekommen, als ich mir angesehen habe, wie viel Bandbreite eigentlich im optischen Bereich existiert. Allein, wenn man nur das Infrarotspektrum und sichtbare Spektrum nimmt, dann sind wir schon beim 3000-fachen des gesamten Funkspektrums.

Das war zu einem Zeitpunkt als ich gerade Siemens verlassen hatte und in die akademische Laufbahn eingestiegen bin, und zugleich das mobile Internet aufkam. Es wurde damals schnell klar, dass man dafür viele Daten würde übertragen müssen. Es war mein Antrieb als Wissenschaftler, die Ressource Licht dafür nutzbar zu machen und ich denke, das haben wir gut hinbekommen. Wir sind mit LiFi jetzt schon etwa hundertmal schneller als WLAN.

Zur Person: Prof. Harald Haas

Prof. Dr. Harald Haas wurde 1968 in Neustadt an der Aisch geboren. Er absolvierte sein Studium als Diplom-Ingenieur an der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm Nürnberg. Im Anschluss arbeitete er in der Mobilkommunikation für Siemens (Infineon), bevor er 2001 an der Universität Edinburgh promovierte. Derzeit hat er den Lehrstuhl für Mobilkommunikation an der Universität Edinburgh inne, wo er außerdem das LiFi-Forschungs- und Entwicklungszentrums leitet. Er wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Humboldt-Forschungspreis 2022. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit fungiert Hass als Chief Scientific Officer und Mitglied des Verwaltungsrats des Start-Ups pureLiFi Ltd.

Der Weg dahin, die konkrete technische Umsetzung, war sicher nicht einfach. Was waren die großen Hürden?

Haas: Sie haben ja schon diese Irda-Schnittstelle von damals angesprochen. Es gibt ja auch heute noch TV-Fernbedienungen, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren und quasi mit einer Infrarot-LED Morse-Code übertragen. Das ist unheimlich langsam und unheimlich gerichtet und somit nicht tauglich für die Mobilkommunikation. Die Herausforderung war also, die Datenraten und die Mobilität zu erhöhen.

Also haben wir ein Modulationsverfahren entwickelt, das es uns erlaubt hat, nicht im Morse-Code zu übertragen, sondern in einer wesentlich effizienteren Art und Weise. Wir haben dazu ein schon bei WLAN und anderen Funk-Technologien verwendetes Verfahren namens OFDM (Orthogonal Frequency-Division Multiplexing) adaptiert. Wir haben in das Verfahren quasi einen Turbo eingebaut, indem die Intensität von LEDS moduliert wird. Das war quasi der Heureka-Moment, als wir gesehen haben, dass wir mit dieser Modifikation sehr hohe Datenraten übertragen können.

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Und die zweite große Herausforderung, die Mobilität?

Haas: Das haben wir durch die Verwendung von mehreren Sendern und Empfängern innerhalb eines Raumes und auch in einem Smartphone gelöst.

LiFi gibt es als Technologie nun schon einige Jahre, es hat unbestreitbare Vorteile. Warum hat es sich noch nicht auf breiter Front durchgesetzt?

Haas: Es gibt hier eine starke kommerzielle Komponente. Wenn man sich WLAN ansieht, dann gibt es hier einfach ein sehr großes und eingespieltes Ecosystem. Es gibt Halbleiterhersteller, die haben viele Millionen investiert, um Chips für dieses Ecosystem herzustellen und diese Investitionen will man natürlich nicht einfach abschreiben.

Die Lichttechnik unterscheidet sich technisch recht stark von der Funk-Technologie, deswegen ist es nicht überraschend, dass manche Hersteller hier etwas “auf der Bremse” stehen. Das ist einer der Gründe, warum ich das Start-up pureLiFi gegründet haben, um die Dinge zu beschleunigen und die Technologie auf den Markt zu bringen. Aber, um das volle Potenzial von LiFi auszuschöpfen braucht es einen langen Atem, das wissen wir und muss man einfach so sehen.

In einem mittlerweile legendären TED-Talk hat Harald Haas bereits 2011 die Potenziale von LiFi skizziert.

Ist denn die LiFi-Technik schon so ausgereift, dann man sie problemlos auch groß ausrollen könnte, in Consumer- und Industrie-Anwendungen?

Haas: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, das zeigt auch die Tatsache, dass der Militärbereich zu den ersten Kunden gehört. Dort wird die starke Abhörsicherheit geschätzt, das rettet Menschenleben und Missionen.

Zum anderen haben wir jetzt ein LiFi-Modul entwickelt, das etwa 5 mal 5 Millimeter groß ist, Sender und Empfänger enthält und wie ein Kamera-Modul in ein Smartphone integriert werden kann.

Das ist für die Industrie verfügbar?

Haas: Es ist zertifiziert und pureLiFi arbeitet mit Herstellern im Consumer-Bereich an der Integration in Smartphones. Das Modul unterstützt zudem unter anderem den neuen IEEE Standard 802.11bb, welcher eine neue Variante des WLAN Standards ist.

LiFi-Module können auch relativ einfach in ganz normale Beleuchtungssysteme integriert werden...

Haas: Das ist richtig, man kann das in LED-Leuchten integrieren und diese dann zugleich als  Beleuchtungseinheit und als Daten-Sender und -Empfänger nutzen. LiFi@Home haben wir das genannt.

LiFi wird in vielen Bereichen und Projekten ausprobiert. Sehen Sie eine “Killer-Applikation”, die den Durchbruch bringt?   

Haas: Wir sehen die Killer-Applikation im Bereich der großen Datenmengen, die per LiFi übertragen werden können. Wenn man etwa das neue Apple Headset Vision Pro nimmt, dann benötigt man dafür Bandbreiten im Bereich von mehr als einem Gigabit pro Sekunde, eher in Richtung 10 Gigabit pro Sekunde. Das mit Funk - bei einer sinnvollen Energieeffizienz - zu erzielen, dürfte schwerfallen. Mit Licht ist das relativ einfach zu realisieren. Solche Mixed-Reality-Anwendungen sind aus meiner Sicht die Killer-Applikation für LiFi.

Prof. Harald Haas mit einem Mitarbeiter im Labor
Prof. Harald Haas mit einem Mitarbeiter im Labor (Bild: EPO)

Wie sehen denn die Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie aus, wo Funktechnologien mit Problemen wie Interferenzen zu kämpfen haben?  

Haas: Da sehe ich auch einen Markt. In den Maschinenhallen werden in der Tat viele elektromagnetische Interferenzen generiert. Licht hat in dieser Hinsicht überhaupt kein Problem. Ein weiterer Aspekt, gerade mit Hinsicht auf eine industrielle Nutzung, ist die Sicherheit. Es gibt Berichte, dass Industriespionage betrieben wird, indem eine Drohne auf dem Dach einer Fabrikhalle abgesetzt wird und mit einem WLAN-Empfänger die Daten aus der Fertigungshalle regelrecht absaugt. Mit LiFi hat man dieses Problem nicht, weil das Licht nicht durch die Decke kommt. Zudem gibt es ja in der Automation auch Bereiche, wo Funk einfach nicht eingesetzt werden kann, zum Beispiel in explosionsgefährdeten Bereichen der chemischen Industrie.

 

Sie haben vorher kurz das Zusammenspiel von WLAN und 5G bei den Funktechnologien erwähnt. Ist bei den optischen Verfahren LiFi und Glasfaser eine ähnliche “Traumkombination”?  Oder sehen Sie eher, dass man in Zukunft auch eine Kombination von Licht- und Funk-basierten Technologien haben wird?  

Haas: Das ist ein wichtiger Punkt. In meinen Vorträgen gibt es eine Folie, wo ein Lichtleiterkabel und ein LiFi-System ineinander übergehen. In der Tat nehmen wir die Möglichkeiten der Glasfasertechnik und übertragen sie in den mobilen Bereich. Gleichzeitig lassen sich aber licht- und funkbasierte Mobilsysteme problemlos neben- und miteinander betreiben, um so die Vorteile beider Welten zu kombinieren. Auch darauf zielen wir ab.

In der Glasfasertechnik werden ja seit langem etablierte Verfahren wie etwa das Wellenlängen-Multiplexing verwendet. Lassen sich die über Fiber übertragenen Signale direkt für LiFi nutzen?  

Haas: Im Moment muss das noch konvertiert werden und das erfordert den zweimaligen Wechsel von optisch zu elektrisch und wieder zurück zu optisch. Aber wir forschen an einem All-Optical-Ansatz, bei dem man das Signal direkt aus der Glasfaser aus- und in den Raum einkoppelt.

Über LiFi lässt sich ja auch inhärent eine Positionsbestimmung realisieren. Wie funktioniert das?  

Haas: Das basiert auf der Ausbreitung von Licht in einem Raum. Funk geht ja durch Wände, daher ist es schwierig, die Quelle eines Funksignals zu bestimmen. Wenn man sich im Vergleich dazu einen Laser-Pointer anschaut, dann erzeugt dieser einen sehr definierten Punkt. Und von diesem Punkt aus kann man die Position der Quelle erschließen. Wenn man so ein Signal etwas auffächert, bekommt man einen Radius von ein oder zwei Metern für eine Kommunikationszelle. Gibt es mehrere Sender, lassen sich über Triangulation Richtung und Intensität des Lichtes ermitteln und die Position recht genau bestimmen.

Dafür dürfte es gerade in der Industrie sicher eine ganze Menge Anwendungen geben, etwa für autonome Robotik...

Haas: Ja, in diese Richtung gehen wir momentan mit unserer Forschung auch. In der Welt der Funkkommunikation ist 6G ja ein großes Zukunftsthema und auch 6G soll Sensing und Kommunikation verbinden.  Wir gehen aber noch einen Schritt weiter. Indem man Lidar-Funktionalität (Light detection and ranging) und LiFi verbindet, lässt sich die lichtbasierte Kommunikation auch nutzen, um ein Mapping der Umgebung zu generieren und die Bewegungen von mobilen Robotern sehr genau zu verfolgen. Mit Funk wäre für so eine umfassende Ausleuchtung ein großer Aufwand erforderlich: Man braucht Antennen-Arrays, Beamforming-Technik und eine Menge Signalverarbeitung in Sender und Empfänger. Optisch ist das ganz einfach zu realisieren, mit einer simplen Linse lässt sich die Ausleuchtung schön definieren.

Wenn eines Tages die Leuchtmittel in unseren Häusern und Fabrikhallen mit LiFi-Transmittern ausgestattet sind, wie kommunizieren diese dann mit den Internet-Backbones?

Haas: Bei LED-Leuchten ist ja das Schöne, dass man keine 230-Volt-Kabel mehr bis zur Lampe legen muss, es reicht ein Datenkabel, das mit Power-over-Ethernet genug Leistung für die LEDs liefert. Das wäre das ideale Vorgehen bei Neuinstallationen. Bei vorhandener Infrastruktur würde man Powerline Communication nehmen, also die Übertragung der Daten über das Stromnetz. Eine dritte Alternative wäre, Glasfaser bis zu den Lampen zu führen.

Die Telekommunikationsanbieter versuchen gerade sehr stark, 5G in Form von Campusnetzen in der Industrie zu etablieren, mit dem Argument, dass sich sehr viele Knoten pro Fläche gleichzeitig anbinden lassen. Wie sieht das bei LiFi aus?

Haas: Gerade die erzielbare Datendichte ist eines der größten Argumente für LiFi. Zum Beispiel, weil es eine lokale Ausleuchtung erlaubt, bei der ein Lichtkegel genau definiert ist und nicht in benachbarte Lichtkegel streut. Im Vergleich zu 5G lässt sich damit eine tausendfache Datendichte erreichen. Zudem muss man dafür keine neue Infrastruktur aufbauen, sondern kann die existierende Beleuchtung-Infrastruktur dafür nutzen. Das gilt nicht nur für Büros, Wohnzimmer oder Industriehallen. Zum Beispiel lassen sich auch Straßenlaternen oder die Scheinwerfer von Autos als Kommunikationssysteme für den Datenaustausch mit und zwischen Fahrzeugen nutzen – zum Beispiel für das vollständig autonome Fahren nach Kategorie 4.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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