Die Computergrafik zeigt, wie in Zukunft in Großbritannien Teile von Häusern in einer hochautomatisierten Fabrik vom Band laufen werden.

Die Computergrafik zeigt, wie in Zukunft in Großbritannien Teile von Häusern in einer hochautomatisierten Fabrik vom Band laufen werden. (Bild: Kuka)

Patrick Zech, Head of Incubator
Patrick Zech, Head of Incubator (Bild: Kuka)

Ab dem Jahr 2024 sollen in einer von Kuka Systems aufgebauten Fertigungsstätte in England jährlich rund 4.000 Wohnmodule gefertigt werden - quasi bezugsfertige Hauselemente, die per Lkw zu ihrem Bestimmungsort gebracht und dort innerhalb kürzester Zeit aufgestellt und miteinander kombiniert werden können. Ersonnen wurde das Konzept, das Bauen schneller, günstiger und umweltfreundlicher machen soll, hausintern als eine Zusammenarbeit der Geschäftsführung der Anlagenbausparte, Kolleginnen und Kollegen vom Bremer-Standort sowie dem hausinternen Inkubator-Team von Kuka. Die Hintergründe erläutert dessen Leiter Patrick Zech.

Sie sind Leiter des Inkubators bei Kuka Systems, was ist ihre Aufgabe?

Patrick Zech: Unsere Aufgabe ist es, Bereiche zu untersuchen, die noch nicht sehr automatisiert sind, um dort Automatisierung hineinzubringen. Wir sind im Team fünf Mitarbeitende - aber wir haben rund 15.000 Kuka-Kolleginnen und Kollegen im Hintergrund, die wir bei Bedarf zu vielen Themen mit einbeziehen können.

Wie gehen Sie dabei vor?

Zech: Unser Ansatz ist es, ein Ökosystem aufzubauen - zum einen nach innen zu den betroffenen Abteilungen, zum anderen nach außen, etwa zu Start-ups, die in einem Bereich tätig sind. Außerdem versuchen wir, Kontakte zu Medien, Institutionen und der Politik aufzubauen, um bestimmte Themen voranzutreiben. Diese Diskussionen bringen uns oft auf neue Gedanken, Ideen und schließlich Konzepte.

Weitere Details zum automatisierten Hausbau zeigt dieses Youtube-Video von KUKA

Für das Projekt der automatisierten Fertighausproduktion wurde quasi das Konzept des Autos als simpler "Box" auf Häuser übertragen, die im Prinzip der gleichen Fertigungslogik folgen. Wie sind sie auf diesen gedanklichen Schritt gekommen?

Zech: Als wir bei Kuka Systems, also der Anlagenbausparte der Kuka Gruppe, vor gut zweieinhalb Jahren damit angefangen haben, uns mit neuen Geschäftsfeldern zu beschäftigen, haben wir uns über 160 verschiedene Branchen angesehen, um herauszufinden, welche interessant sein könnten.  Dabei sind wir ziemlich schnell auf die Baubranche gestoßen. 

Warum gerade die?

Zech: Mehrere Faktoren waren ausschlaggebend. Einer der wichtigsten war, dass die Produktivität der Baubranche weit hinterherhinkt. Die Produktivität der Gesamtwirtschaft ist seit 1995 im Schnitt um 1,3 Prozent pro Jahr gewachsen, der Bereich Hausbau nur um 0,3 %. Dazu kommen der Fachkräftemangel, die Inflation und vor allem die Explosion der Baukosten in den vergangenen Jahren, von 2021 auf 2022 im Schnitt um 35 %.

Die Grafik zeigt den geplanten Ablauf der automatisierten Hausproduktion. Lkw liefern das Rohmaterial in die Fertigungsstätte. Dort werden daraus komplette Hauselemente gefertigt und per Lkw an die geplanten Standorte geliefert.
Die Grafik zeigt den geplanten Ablauf der automatisierten Hausproduktion. Lkw liefern das Rohmaterial in die Fertigungsstätte. Dort werden daraus komplette Hauselemente gefertigt und per Lkw an die vorgesehenen Standorte geliefert. (Bild: Kuka)

Soweit die Theorie, wie läuft die Umsetzung in die Praxis?

Zech: Ausgehend davon haben wir etliche Baustellen besucht, uns die Prozesse dort angesehen und zunächst versucht, die Abläufe vor Ort zu automatisieren. Wir haben sogar den Prototyp eines Roboters entwickelt, der automatisiert Schlitze klopft. Das hat auch funktioniert, aber wir haben die Rechnung ohne die Baustelle gemacht!

Was meinen Sie damit?

Zech: Jede Baustelle ist anders, man hat unqualifiziertes Personal in Bezug auf Automatisierung und der schlimmste Faktor war die Umgebung. Es gibt Regen, Schnee, Hitze, Kälte - sehr schlechte Bedingungen für Automatisierung. Wir haben uns dann gesagt, lasst uns einen Schritt zurückgehen und die Prozesse von der Baustelle in die Fabrik verlagern.

Wie sieht das genau aus?

Zech: Bei unserer Kooperation mit einer britischen Hausbaufirma ist es so, dass die Module komplett in 3D fertig gebaut werden. Das heißt, die Häuser sind zu 95 % fertiggestellt: Die Fliesen und die Elektrik sind verlegt, die Küche und die Badarmaturen eingebaut. Man kann praktisch direkt einziehen.

Und das alles macht der Roboter?

Zech: Alles nicht. Es ist auch in diesem Aspekt ähnlich wie beim Automobilbau: die Fertigung ist hoch automatisiert, aber die Endmontage erfolgt größtenteils noch manuell.

Warum ist das so?

Zech: Aus wirtschaftlichen Erwägungen. Man hat eine hohe Varianz, gepaart mit schlechter Zugänglichkeit. Deswegen erfolgt der Endausbau meistens manuell. Aber etwa das Fliesenlegen per Roboter bekommen wir schon hin, indem Trägerplatten automatisiert bestückt und dann angebracht werden. Und wir arbeiten daran, noch mehr Automatisierung in diese Fertigung zu bekommen.

Als Baumaterialien für die automatisierte Fertigung werden aktuell Metall und Holz eingesetzt. In Deutschland werden traditionell eher Ziegel oder Beton verwendet…

Zech: Wir sprechen bereits mit vielen Herstellern von Fertigbauteilen, die Produkte aus Beton anbieten. Aus unserer Sicht ist aktuell noch nicht entschieden, welches Material in Sachen Nachhaltigkeit das Rennen machen wird.

Was ist dabei ausschlaggebend?

Zech: Holz ist nach Meinung von Experten nicht so nachhaltig, wie es scheint, zumal viele Wälder massiv vom Klimawandel betroffen sind. Stahl lässt sich perspektivisch klimaneutral produzieren und leicht recyceln. Wir sprechen aber auch mit vielen Start-ups, die das Thema von CO2-negativem Beton vorantreiben und zum Beispiel Beton mit Wüstensand produzieren wollen. Das könnte interessant sein! Ich glaube aber, in Zukunft wird das Bauen viel stärker als heute hybrid sein, also ein Mix aus verschiedenen Materialien, um ein Maximum an Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz zu erzielen.  

Apropos, lässt sich schon sagen, wieviel CO2 durch die automatisierte Häuserfertigung eingespart werden kann im Vergleich zur klassischen Bauweise?

Zech: Das lässt sich schwer beziffern, weil durch den Individualisierungs-Aspekt jedes Haus anders ist. Was wir aber sehen ist, dass die Logistikaufwände - und damit auch Umweltbelastungen - drastisch reduziert werden. Wo im konventionellen Bau eine Vielzahl von Lkws mit Material fahren müssen, sind durch Zentralisierung der Prozesse nur noch wenige Lkws notwendig. Auch die Gewerke fahren nicht mehr einzeln auf die Baustelle - und müssen auch nicht mehr zum Baumarkt fahren, wenn sie etwas vergessen haben.

Und wie sieht es mit den Baukosten aus, die ja in der jüngeren Vergangenheit stark angestiegen sind?

Zech: Die liegen nach unserer Einschätzung bei der zentralisierten Fertigung um etwa 30 Prozent niedriger als beim konventionellen Bauen. Die Bauzeit sinkt sogar um 60 Prozent, im Schnitt von 16 auf 6 Monate. Diese Zahlen sind uns auch aus der Baubranche heraus bestätigt worden.

Ein positiver Aspekt, den ich im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel noch besonders wichtig finde, ist die Frauenquote. Die Baubranche hat mit unter10 Prozent einen extrem geringen Frauenanteil. Die Gründe dafür sind natürlich die hohe körperliche Belastung, vor allem aber die Unvereinbarkeit mit dem Familienleben bei der Arbeit auf einer Baustelle. Durch die Automatisierung können wir die Arbeitsbedingungen verbessern und so dieses Arbeitskräftepotenzial heben.

Wann soll die automatisierte Fertigung bei dem englischen Kooperationspartner starten?

Zech: Der Startschuss fällt 2024, dann sollen dort etwa 4.000 Wohnmodule jährlich produziert werden. Die Anlagen dafür werden aktuell schon bei uns im Haus getestet.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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