Warum Bosch Lidar auf Halbleiterbasis realisieren will, ist offensichtlich; nun gab der Konzern seine Pläne für den Bau einer Fabrik für Lidar-Sensoren auf MEMS-Basis in Dresden bekannt, die wohl zunächst für Fahrzeuge des Pilotkunden Daimler bestimmt sein sollen, die ab 2020 hochautomatisiert fahren sollen. Allerdings will Bosch in dieser Fabrik nicht nur Lidar-Sensoren sondern auch CMOS-ICs und Leistungshalbleiter fertigen. Eine Millarde will Bosch in das Dresdener Werk investieren, das voraussichtlich Ende 2021 die Produktion aufnehmen soll. „Die neue Fertigung für Halbleiter ist die größte Einzelinvestition in der mehr als 130-jährigen Geschichte von Bosch“, sagte Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Allerdings will Bosch in dieser Fabrik nicht nur Lidar-Sensoren sondern auch CMOS-ICs und Leistungshalbleiter fertigen.
Bosch ist zwar der mit Abstand größte Automobilzulieferer weltweit, aber Bosch hattte bisher als einziger der Top-5 unter den Tier-1s noch kein offizielles Lidar-Programm angekündigt, sondern lediglich bekundet, dass für Bosch Lidar eine „sinnvolle Ergänzung zu Radar- und Kamerasensoren“ darstellt. Nicht nur die unter den Top-100 Automobilzulieferern auf den Plätzen 2 bis 5 gelisteten Unternehmen Continental, Denso, Magna und ZF Friedrichshafen haben eigene Lidar-Aktivitäten, über die Sie unter diesem Link mehr erfahren können.
Die Begleitfakten des letzten halben Jahres deuteten schon an, dass Bosch Lidar in Eigenregie fertigen wird:
- 1.) Im November 2016 wird bekannt, dass Bosch Lidar als einer der Partner beim auf drei Jahre angelegten BMBF-Verbundprojekt PLUS (Puls-Laser und Scanner) als Konsortialpartner mit realisiert. PLUS beschäftigt sich mit ToF-Lidar (ToF: Time-of-Flight) auf Halbleiterbasis. Beteiligt an dem BMBF-Förderprojekt PLUS sind die Firmen Robert Bosch GmbH, Bosch Sensortec GmbH, Philips Photonics GmbH, eagleyard Photonics GmbH, FISBA Photonics GmbH, Jena-Optronik GmbH, PicoLAS GmbH, iC-Haus GmbH sowie das Ferdinand-Braun-Institut, Leibnitz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). Mit dem Ferdinand-Braun-Institut gehören echte Laser-Spezialisten zum Team, die sogar über eine eigene Produktion für Kleinserien und Prozessentwicklung verfügen: im Berliner Südosten.
Auf der nächsten Seite erfahren Sie die weiteren sechs wesentlichen Fakten:
- 2.) Ohne Lidar funktioniert automatisiertes Fahren aus der aktuellen Sicht nicht, so dass Bosch unbedingt ein Lidar braucht, um am Zukunftsmarkt autonomes Fahren und seinen Vorstufen zu partizipieren. Eine Komplettierung des Portfolios beim Weltmarktführer ist somit quasi ein absolutes Muss; es ist nur noch eine Frage des Wann, Wo und „Mit wem“.
- 3.) Die indirekte Antwort darauf gab Bosch im Februar diesen Jahres durch eine Investition seiner Tochter Robert Bosch Venture Capital GmbH in Höhe von 10 Million US-Dollar in das amerikanische Unternehmen Tetravue, das seinen Firmensitz bei Carlsbad südlich von Los Angeles hat. Tetravue arbeitet an „Solid State HD Lidar“.
- 4.) Bei der Recherche zum großen Lidar-Report, den AUTOMOBIL-ELEKTRONIK im Juni 2017 veröffentlichte, hat Bosch offiziell „zum Thema Lidar noch immer keine Informationen geben“ können. Für eine derart wichtig Technologie heißt das im interpretierten Klartext „Wir arbeiten mit Hochdruck daran.“
- 5.) Wer bei Google nach „Bosch Lidar“ sucht, der findet mit Top-Rankings sehr viele Stellenanzeigen für Funktions- und Systementwickler für diverse Standorte des Unternehmens.
- 6.) Silicon Saxony wies ebenfalls in einem Newsletter darauf hin, dass „Bosch in Sachsens Landeshauptstadt die größte Investition seiner Firmengeschichte“ plane:„Mehr als eine Milliarde Euro fließen in ein neues Mikroelektronikwerk in Dresden. Etwa 700 Arbeitsplätze sollen am Standort entstehen. Zielmärkte sind der Bereich des autonomen Fahrens sowie das Internet der Dinge (IoT). Der Produktionsstart ist für 2021 vorgesehen“, schreibt Silicon Saxony in seinem Newsletter. Und da am 19./20.6.2017 der Silicon Saxony Day stattfindet, passt eine derart hochkalibrige Ankündigung natürlich besonders gut.
Warum will Bosch Lidar selbst bauen?
Diese Meldungen sorgten dafür, dass auch wir das Thema so explizit aufgreifen – und wenn Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner auf dem schon seit langem ausgebuchten 21. Fachkongress Fortschritte in der Automobil-Elektronik am 26.6.2017 seine Keynote vor den Top-Entscheidern der Branche halten wird, dann dürfte auch das Thema „Bosch Lidar“ auf dem Programm stehen, und damit wird der Bosch-Chef auch die Antwort geben, warum Bosch Lidar in Eigenregie realisiert.
Ein interessantes Faktum am Rande: Nachdem die Meldung in der Süddeutschen Zeitung über die geplante Bosch-Investion erschien, schaute die Redaktion sofort auf der Website der Sächsischen Zeitung manuell (ohne Nutzung einer Suchfunktion) in deren Wirtschaftsteil nach der Originalmeldung – und direkt daneben erschien eine Anzeige des Lidar-Sensor-Spezialisten Leddartech.
Was macht das Untenehmen Tetravue, in das Bosch investiert hat, eigentlich so interessant?
Nach Angaben von Tetravue verwendet das Unternehmen einen Standard-CMOS-Prozess und CCD-Pixel-Technologie, die in Megapixel-Arrays verfügbar ist, um damit „eine zehnmal höhere Auflösung als andere 3D-Technologien“ zu erzielen, wobei das System sowohl tagsüber als auch nachts „auch über lange Distanzen“ funktioniere. Außerdem sei das nach dem ToF-Verfahren arbeitetende Solid-State-Lidar „generell effizienter als andere Lidar-Methoden“.
Ergänzung vom 5.7.2017 zur ursprünglichen Story: Mittlerweile hat Bosch sich auch konkreter zu seiner Lidar-Strategie geäußert; die Details erfahren Sie hier.