Bild 1a: Prinzipaufbau des 22 mOhm-Schalters.

Bild 1a: Prinzipaufbau des 22-mΩ-Leistungsschalters. (Bild: Finepower)

Immer mehr Anbieter verfügen über GaN-Schaltbausteine der 650-V-Klasse – und fast jeder kocht dabei scheinbar sein eigenes Süppchen. Anwender suchen jedoch vergeblich nach einem Quasi-Standard, wie sie ihn in der Leistungselektronik beispielsweise von MOSFETs kennen. Die israelische Firma Visic Technologies (Vertrieb durch Finepower) macht hier keine Ausnahme, bietet aber ein neuartiges Bausteinkonzept an, das zahlreiche Vorteile kombiniert. Dieser Artikel beschreibt die Besonderheiten und Vorteile dieser GaN-Leistungsschalter sowie spezifische Grundlagen und Zusammenhänge, um diese interessanten Bausteine technisch bewerten und erfolgreich einsetzen zu können.

Vom selbstleitenden Transistor zur selbstsperrenden Kaskode

Bild 1a: Prinzipaufbau des 22 mOhm-Schalters.

Bild 1a: Prinzipaufbau des 22-mΩ-Leistungsschalters. Finepower

Grundsätzlich sind heute GaN-Schaltbausteine fast ausschließlich in professionellen Applikationen zu finden und haben noch nicht den Durchbruch in den Consumer-Bereich geschafft. Das bedeutet unmittelbar, dass an solche Bauelemente erhöhte Anforderungen bezüglich Zuverlässigkeit, Lebensdauer und von Systemseite her auch an das Wärmemanagement zu stellen sind.

Der selbstleitende GaN-Schalttransistor (normally ON) ist ein undotierter D-Mode-HEMT mit einer Schwellspannung von etwa -5 V. Bei einer Nenndurchbruchspannung von 650 V sind heute RDS(ON)-Werte von 22, 80 und 150 mΩ verfügbar. Erweitert als statische p-MOS-Kaskode mit zusätzlicher UVLO-Funktion (Undervoltage Lockout) verwandelt sich der einzelne Schalttransistor in einen selbstsperrenden Schaltbaustein (normally OFF).

 

Den inneren Aufbau der GaN-Schalttransistoren beschreibt der Beitrag im Folgenden.

Innerer Aufbau

Bild 1b: Aufbau der 80 und 150 mOhm-Schalter

Bild 1b: Interner Aufbau der 80- und 150-mΩ-GaN-Schaltervarianten. Finepower

Im Inneren des Schaltbausteins ist der GaN-Transistor über ein isolierendes Aluminiumnitrit-Substrat (AlN) an die metallischen Gehäusesteile angekoppelt. Dies ermöglicht aufgrund des sehr kleinen Rth-JC eine gute Wärmeableitung nach außen bei gleichzeitig hoher Spannungsfestigkeit von 2,5 kV zwischen Halbleiter und Gehäuse .

Eine besonders hohe Zuverlässigkeit resultiert aus dem undotierten Halbleiter, dessen Defektdichte zwei bis drei Größenordnungen niedriger als bei dotiertem Material liegt. Dazu kommt eine gute Störfestigkeit durch eine hohe Schwellspannung und die Ansteuerung über einen Standard-MOSFET-Treiber mit galvanisch getrennter Steuerleitung.

Die vom Leistungskreis direkte schwebende Gate-Ansteuerung minimiert parasitäre Effekte und macht die Schaltgeschwindigkeit gut kontrollierbar. Die deutlich geringere Gate-Ladung (QG) und die kleinere Ausgangskapazität (COSS) verringern zudem die erforderliche Treiberleistung sowie die erforderlichen Schaltenergien (EON , EOFF) und führen zu geringeren Gesamtverlusten, weil höhere Schaltfrequenzen möglich sind.

Eckdaten

GaN-HEMTs können große Spannungen hochfrequent schalten und sehr gute Wirkungsgrade erreichen, sie sind jedoch unbeschaltet selbstleitend und umständlich anzusteuern. Mit geeigneter Peripherie als MOSFET-Kaskode in einem Gehäuse integriert, schalten 650-V-GaN-Schaltbaustein von Visic extrem sicher und sind mit Positiv-Logik steuerbar. In einer Halbbrückentopologie weisen sie eine saubere Schaltcharakteristik bei hoher Ausgangsleistung auf.

Die Bilder 1a und 1b zeigen den integrierten inneren Aufbau der Visic-GaN-Schaltbausteine, bestehend aus GaN-Leistungstransistor und weiteren Peripheriebauteilen. Der GaN-Halbleiter ist direkt auf das Aluminiumnitrit-Substrat aufgebracht, welches die Verlustleistung sehr wirksam auf die Metallisierung des Gehäuses ableitet – beim 22-mΩ-Typen auf die Gehäuseoberseite, bei den 80- und 150-mΩ-Bausteinen auf die Gehäuseunterseite. Vom isolierten Aufbau dieser Schalter profitieren insbesondere Elektronikaufbauten, bei denen ein Wärmeabtransport durch die Leiterplatte hindurch über thermische Durchkontaktierungen erfolgt.

 

Auf der nächsten Seite erfahren Sie Details zum Schaltvorgang des Bausteins.

Schaltvorgang des selbstsperrenden GaN-Schaltbausteins

Ein selbstsperrendes Bauelement muss unter allen Umständen sperren, solange es der Anwender vorgibt. Die Sperrfunktion muss auch sichergestellt sein bei offenen Steueranschlüssen oder bei Unterspannung des Treibers (Self-UVLO-Funktion), wenn die notwendige Abschnürspannung zum Sperren des GaN-Transistors nicht ausreicht. Erst nach Überschreiten des hierfür notwendigen Spannungswertes darf das Bauelement dem PWM-Steuersignal des Treibers folgen.

Bild 2 zeigt die Innenschaltung am Beispiel des Bausteins V80N65B. Zu erkennen ist auch die Ansteuerung mit einem MOSFET-Treiber mit galvanisch getrennter Steuerleitung. Wie verhält sich der Schalter nun bei unterschiedlichen Betriebfällen?

Fall 1: UDS = 400 V, Anschlüsse offen

Bild 2: Innenschaltung des V80N65B gesteuert über einen MOSFET-Treiber mit galvanisch getrennter Steuerleitung.

Bild 2: Innenschaltung des V80N65B gesteuert über einen MOSFET-Treiber mit galvanisch getrennter Steuerleitung. Finepower

Über der Drain-Source-Strecke liegt eine Arbeitsspannung von angenommen +400 V. Alle anderen Eingänge des Bauteils sind unbeschaltet. Durch den gemeinsamen Gate-Source-Widerstand von Q2 und Q3 sind beide p-MOSFETs gesperrt. Das Gate des selbstleitenden D-Mode-HEMT (Q1) liegt über D1 am Source-Terminal des Bausteins (entspricht dem Drain von Q2). Q1 ist bei einer Gate-Source-Spannung von 0 V voll durchgesteuert. Dadurch steigt die Source-Drain-Spannung von Q2 sofort nach Anlegen der Arbeitsspannung soweit an, bis die Spannungsdifferenz zwischen Gate und Source von Q1 der Abschnürspannung von etwa -7 V entspricht. Der Spannungsabfall über Q2 entspricht also etwa der Abschnürspannung von Q1. Über dessen Drain-Source Strecke fällt dann die Differenz bis zur Arbeitsspannung ab. Der gesamte Baustein ist damit hochohmig – nicht leitend.

Fall 2: Vdd des Treibers steigt an

Wie bei Fall 1 liegt die Arbeitsspannung über dem Bauteil an. Zusätzlich ist ein Gate-Treiber wie in Bild 2 beschaltet. Die Betriebsspannung Vdd des Treibers steigt langsam an, hat aber die Schaltschwelle zum sicheren Schalten des GaN-Schalters noch nicht erreicht. Unabhängig davon, ob der Treiber unter diesen Bedingungen ein Gate-Steuersignal liefert oder nicht, muss der GaN-Schalter weiterhin hochohmig bleiben. Diesem Zweck dient die im Bauteil integrierte UVLO-Schaltung aus D2 und Q4. Die Z-Diode D2 hält Q4 solange gesperrt, bis die Treiber-Betriebsspannung Vdd einen Wert erreicht hat, der das sichere Schalten des GaN-Chips ermöglicht.

Sobald D2 und Q4 leiten, werden von der negativen Treiberspannung am Pin Drv-GND die beiden p-MOSFETs Q2 und Q3 statisch eingeschaltet. Q2 verbindet dann über seinen sehr geringen RDS(ON) das Source-Terminal des Bausteins mit dem innernen Source-Anschluss des GaN-HEMTs. Gleichzeitig legt Q3 die positive Treiberspannung Vdd an den Source-Anschluss von Q1. Der gesamte Baustein ist damit entriegelt und schaltbereit.

Fall 3: Normaler Schaltbetrieb

Von nun an bestimmt einzig der Treiberausgang den Zustand des GaN-Schalters in positiver Logik. Ist der Treiberausgang „0“ (sein OFF-Schalter ist ein-, der ON-Schalter ist ausgeschaltet) so liegt das Gate von Q1 bei 0V während Vdd über Q3 an Source liegt. Da die Treiber-Betriebsspannung höher als die Abschnürspannung ist, wird Q1 damit sicher ausgeschaltet. Schaltet der Treiber infolge seines PWM-Eingangssignals auf „1“, so legt der ON-Schalter des Treibers die Treiberspannung Vdd ans Gate von Q1. Damit haben Gate und Source gleiches Potenzial und Q1 schaltet durch – wird leitend.

Im V80-Gehäuse der 80- und 150-mΩ-Schaltbausteine ist die beschriebene UVLO-Schaltung integriert, der dicke Schalter mit 22 mΩ (V22N65A) benötigt dafür aber eine externe Beschaltung.

Aufgrund der Anschlussbedingungen für den Treiber kann und darf es keine Verbindung zwischen Treibermasse (Drv-GND) und DC-Link-Potenzial beziehungsweise dem Source-Anschluss des Schalters geben. So muss bei allen Anwendungen immer auch der Low-Side-Schalter schwebend angeschlossen sein und der Treiber eine galvanisch getrennte Steuerleitung besitzen. Was zunächst wie ein Nachteil klingt, ist bei professionellen Systemen mit hoher Leistung aber aus Störfestigkeitsgründen ohnehin Standard (Trennung von Leistungs- und Steuerkreis).

 

Auf der nächsten Seite erklärt der Beitrag die Verwendung des Bauelements in Halbbrücken-Topologie.

Bild 3: Konfiguration einer 650V-Halbbrücke aus zwei GaN-Schaltern zum Betrieb an einem 400V-Bus.

Bild 3: Konfiguration einer 650-V-Halbbrücke aus zwei GaN-Schaltern zum Betrieb an einem 400-V-Bus. Finepower

GaN-Schalter in Halbbrücken-Topologie

In der Leistungselektronik kommen für höhere Leistungen immer seltener Einzelschalter zum Einsatz. So hat sich die Halbbrücke automatisch zu einem Standard für hohe Leistungen entwickelt, die sich unabhängig von Topologie und Modulationsart eben auch in H-Brücken oder B6-Konfigurationen wiederfindet.

Bild 3 zeigt zwei Visic-GaN-Schalter inklusive Treiber in einer typischen Halbbrückenbeschaltung. Auch der Low-side-Schalter ist isoliert ausgeführt und wird schwebend angesteuert. Ein typisches Bootstrapping-Verfahren verbietet sich dadurch von selbst.

Die Visic-GaN-Schaltbausteine unterscheiden sich konzeptionell von Produkten anderer Hersteller und sie bringen ganz eigene Systemvorteile mit sich. Bild 4 zeigt zum Beispiel die Knotenpunktspannung und den Drosselstrom eines Halbbrücken-Entwicklungsboards, welches der Hersteller sowohl für den 22-mΩ-Schalter V22N65A wie auch für den 80-mΩ-Baustein V80N65B anbietet.

Saubere Schaltcharakteristik bei hoher Ausgangsleistung

Diese hart schaltende Topologie bewältigt bei einer Messung an einem synchronen Abwärtswandler mit 400 V am Eingang bei 100 kHz Schaltfrequenz und 100 ns Totzeit eine Ausgangsleistung von 4 kW (RLOAD = 10 Ω bei 200 V am Ausgang) mit 98,9 % Wirkungsgrad.

Bild 4: Kurvenform am Knotenpunkt der Halbbrücke im Arbeitspunkt 4 kW.

Bild 4: Kurvenform am Knotenpunkt der Halbbrücke im Arbeitspunkt 4 kW. Finepower

Neben den numerischen Daten fällt sofort eine ungewöhnliche Sauberkeit der Kurvenformen auf. Hierfür sind neben einem sorgfältigen Aufbau vor allem das isolierte Ansteuerverfahren aber ebenso die 2,5-kV-Isolationsbarriere zwischen Schalter und Gehäuse verantwortlich.

GaN-Schalter von Visic weisen neben einer äußerst niedrigen RON-Klasse gleichzeitig besonders kleine Kapazitäten auf, womit sie nur geringe Schaltenergien benötigen.

Die Schalter von Visic sind gegenüber den Wettbewerberbausteinen nicht in jedem einzelnen Kriterium überlegen, sie erreichen aber in der kompletten Bandbreite der Eigenschaften ausnahmslos sehr gute bis beste Werte. Hinzu kommt noch das wichtige Alleinstellungsmerkmal, dass die Visic-Schalter mit ihrer Hochspannungsisolation Systemvorteile adressieren können und außerdem hinsichtlich ihrer Wärmeableitung beste Daten erreichen. Auch auf die EMV dürfte sich die geringere Kopplung zwischen Drain und dem Gehäuse in der Praxis günstig auswirken.

Das innovative Konzept von Visic-GaN-Schaltbausteinen unterscheidet sich recht stark von dem anderer Hersteller. Es bringt aber Vorteile mit sich, die der Entwickler nutz- und gewinnbringend in seiner Applikation adressieren kann.

Bernd Ilchmann

Bernd Ilchmann
Senior Application Engineer bei Finepower

Jieyi Zhu

Foto_Jieyi_Zhu
Technical Director bei Finepower China

(jwa)

Sie möchten gerne weiterlesen?