Blick in den IBM-Quantencomputer ‚Q System One‘.

Blick in den IBM-Quanten-computer ‚Q System One‘, der auf supraleitenden Qubits beruht. Im kommenden Jahr wollen IBM und die Fraunhofer-Allianz einen dieser ersten kommerziellen Quantencomputer in Deutschland in Betrieb nehmen. (Bild: IBM)

Viele Aufgaben im Bereich Big Data, künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML) sind heute, trotz wachsender  Rechenleistung von Computern, nur mit immensem Zeit- und Rechenaufwand lösbar – manche Aufgaben sind sogar so komplex, dass ihre Berechnung mit heutigen Rechnerkapazitäten Jahre dauern würde. „Im Quantencomputing steckt das Potenzial, die prinzipiellen Beschränkungen klassischer Computer zu überwinden“, erklärt Prof. Dr. Christian Bauckhage, wissenschaftlicher Direktor des Fraunhofer-Forschungszentrums Maschinelles Lernen (ein gemeinsames Zentrum von vier Fraunhofer-Instituten). Dies sei schon lange klar gewesen, sagt Bauckhage weiter, und deshalb werde bei Fraunhofer schon seit Jahren an der Anpassung von ML-Algorithmen an die Anforderungen von Quantencomputern geforscht. Was lange nur Theorie gewesen sei, das ändere sich jetzt. „Schon bald werden wir in der Lage sein, ML-Algorithmen auf realen Quantencomputern anzuwenden“, betont Bauckhage.

Studie ‚Quantum Machine Learning‘

Welche Quanteneffekte spielen beim Quantencomputing eine Rolle? Wie können sie Rechenverfahren beschleunigen und völlig neue Anwendungen ermöglichen – etwa im Bereich Logistik & Mobilität, in der Pharmaindustrie oder in der Finanzwirtschaft? Das erklären die Experten der Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz sowie des Fraunhofer-Forschungszentrums Maschinelles Lernen in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr ML2R in ihrer Studie.

Im kommenden Jahr, 2021, wird Fraunhofer gemeinsam mit IBM den Quantencomputer ‚Q System One‘ in Deutschland in Betrieb nehmen. Die Forscher werden konkrete Anwendungsszenarien für den zukünftigen Einsatz der Technologie in der Industrie entwickeln. Ziel der Initiative ist es, Unternehmen schon früh die Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die durch die Kombination dieser Schlüsseltechnologien in den nächsten Jahren entstehen werden. Auf dem Weg dahin soll die Fraunhofer-Studie ‚Quantum Machine Learning‘ eine erste Orientierung schaffen. Sie stellt grundlegende Konzepte und Technologien des Quantencomputings vor, analysiert die aktuelle Forschungs- und Kompetenzlandschaft und zeigt die Marktpotenziale auf.

Was Sie schon immer über Quantencomputer wissen wollten

Themenschwerpunkt Quantencomputer auf all-electronics.de
(Bild: Bartek Wróblewski – Adobe Stock)

Als im Juni 2021 der erste Quantencomputer in Deutschland von IBM eingeweiht wurde, war das Interesse groß. Aber was verbirgt sich hinter der Technologie? Was kann sie eines Tages leisten, woran wird geforscht und wo lauern Gefahren? Das und mehr erfahren Sie hier.

Quantencomputer beschleunigen Berechnungen

Quantencomputer nutzen zur Informationsverarbeitung Quanteneffekte wie Superposition oder Verschränkung und können dadurch prinzipiell schneller Ergebnisse liefern. Während ein digitaler Computer mit Bits rechnet, arbeitet ein Quantencomputer mit Qubits, die im Gegensatz zu den klassischen Bits nicht nur genau einen von zwei möglichen Zuständen annehmen können, sondern auch eine beliebige Überlagerung beider Zustände. Verfahren des Maschinellen Lernens lassen sich für Quantencomputer so anpassen, dass sie mehrere Lösungswege gleichzeitig beschreiten. Damit kann ein einzelner Quantencomputer schneller Lösungen finden als viele klassische Computer in einem Cluster, wie etwa einer Cloud. Anhand ausgewählter Beispiele zeigt die Studie, wie Quantenalgorithmen für das Durchsuchen großer Datenbanken, das Lösen komplexer Gleichungssysteme oder kombinatorischer Optimierungsprobleme genutzt werden können.

Neben den logischen Konzepten von Quantencomputern stellt die Studie auch Techniken für die Implementierung der Hardware vor, wie photonische Quantencomputer, Ionenfallen oder die bisher am weitesten verbreitete Technologie der supraleitenden Schaltungen wie beim IBM-Quantencomputer. Damit diese Schaltungen funktionieren, sind sehr tiefe Temperaturen von wenigen Kelvin erforderlich. Allein die Kühlsysteme dafür sind technisch bereits sehr anspruchsvoll.

Übersicht über die Fähigkeiten und mögliche Anwendungen des Quantencomputings.
Übersicht über die Fähigkeiten und mögliche Anwendungen des Quantencomputings. (Bild: Fraunhofer IAIS)

Wertschöpfungspotenziale durch Simulation und Optimierung

Der Einsatz von Quantencomputern für Berechnungen auf Basis des Maschinellen Lernens wird zukünftig in vielen Industriebereichen für eine effizientere Wertschöpfung sorgen. Konkrete Anwendungsgebiete stellt die Studie ausführlich vor. Besonders prädestiniert sind Quantencomputer aufgrund ihrer Konstruktionsprinzipien dazu, Einblicke in quantenmechanische Systeme wie etwa Moleküle zu gewähren. Lassen sich Moleküle und ihre Eigenschaften in vertretbarer Zeit simulieren, so eröffnen sich in Zukunft möglicherweise neue Produktionsverfahren für die chemische Industrie. Ebenso könnten Pharmaunternehmen die Medikamentenentwicklung beschleunigen oder die Ingenieurwissenschaften von einer gezielten Materialentwicklung profitieren.

Großes Wertschöpfungspotenzial liegt auch in der Lösung von Optimierungsproblemen mithilfe von Quantencomputern. Diese stellen sich beispielsweise in der Logistik, wenn es darum geht, Ressourcen optimal einzusetzen. Aber auch in der Finanzwirtschaft und bei der Planung von Telekommunikationsnetzen spielen Optimierungsfragen eine entscheidende Rolle. Zudem gibt es schon heute Quantenalgorithmen, die große Auswirkungen auf die Kryptographie und sichere, verschlüsselte Kommunikation haben können.

Cover der Studie ‚Quantum Machine Learning‘
Die Studie ‚Quantum Machine Learning‘ stellt grundlegende Konzepte und Technologien des Quantencomputings vor, analysiert die aktuelle Forschungs- und Kompetenz-landschaft und zeigt Marktpotenziale auf. (Bild: Fraunhofer IAIS)

Marktsituation und internationaler Wettbewerb

An der Entwicklung von Quantencomputern arbeiten alle Industrienationen. Öffentliche und private Investitionen, vor allem aus China, den USA und der Europäischen Union, haben bereits einen erheblichen Beitrag zur bisherigen Entwicklung von Quantentechnologien geleistet. Dabei liegt China mit rund zehn Milliarden US-Dollar an Investitionen im Vergleich zu den USA (rund 1,3 Mrd. US-Dollar) und Europa (rund 1 Mrd. US-Dollar) bislang noch weit vorn. Die Fraunhofer-Studie gibt einen Überblick über die weltweite Forschungs-, Förder-, Patent- und Publikationslandschaft und zeigt das starke Wachstum dieses Marktes auf, das sich seit 2016 rasant beschleunigt hat. So hat sich etwa die Zahl der weltweit erteilten Patente von 2015 bis 2019 mehr als verdreifacht. Gemessen an der Anzahl an Publikationen ist Europa, beziehungsweise die EMEA-Region, international führend in der akademischen Quantenphysik – mit heute rund 50 % aller wissenschaftlichen Publikationen und fast 40 % der Forscher in diesem Bereich.

„Europa und im Speziellen Deutschland befinden sich derzeit im weltweiten Forschungswettlauf auf Augenhöhe mit den USA und China. Das dynamische Wachstum und die vielen offenen Forschungsfragen bedeuten jedoch auch, dass es einer kontinuierlichen Forschungsförderung dieses Gebietes bedarf, um die im internationalen Vergleich gute Ausgangsposition zu halten und auszubauen“, betont Bauckhage.

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