„Klack“. Mit diesem satten Ton quittieren mechanischen Schalter das Umschalten. Der Bediener erfährt so haptisch und akustisch, dass der Schaltvorgang erfolgreich war. Bei einem Touchscreen fehlt diese Rückmeldung: Die Betätigung findet oft schon vor Berührung einer festen Oberfläche statt und geht geräuschlos vor sich. Dem Bediener bleibt die Unsicherheit: Habe ich schon gedrückt, und hat das System meine Berührung wahrgenommen?
Die heute nur noch selten eingesetzte resistive Touchscreen-Technologie hat einen großen Vorteil: Man kann einen Finger aufsetzen, ohne ein Touch-Ereignis auszulösen. Dies geschieht erst bei weiterem Zudrücken. Aktuelle Technologien wie PCAP- und Infrarot-Touchscreens lassen dies völlig vermissen. Bereits vor dem Berühren der Oberfläche oder beim Eintritt in das Lichtfenster wird ein Touch-Ereignis an das System gemeldet. Erst die Haptik gibt eine unmittelbare Rückmeldung: Dort, wo der Finger den Touchscreen berührt hat, vibriert er und meldet dem Finger die Aktion direkt zurück. Haptik steigert die Ergonomie und macht Bedienung ohne Hinsehen möglich. Es wird zwischen passiver Haptik, die sich auf die Gestaltung der Oberfläche durch Rauigkeit oder Rillen, und aktiver Haptik, die den Touchscreen vibrieren lässt, unterschieden.
Um Systeme wie PCAP und Infrarot mit einer Rückmeldung auszustatten, muss zunächst das Touch-Ereignis qualifiziert erfasst werden, indem auch die Betätigungskraft qualitativ oder quantitativ erfasst wird.
Touch-Ereignisse lassen sich wie in Bild 1 dargestellt klassifizieren. Nähert sich die Hand (oder ein anderer geeigneter Gegenstand) der Oberfläche, wird zunächst die Anwesenheit erkannt. Bereits in dieser Phase kann das Ereignis vom System ausgewertet werden, um z. B. die Beleuchtung des Bildschirms einzuschalten oder den Stromspar-Modus des Prozessors zu verlassen. Kommt die Hand näher und verharrt, kann eine mit der Bedienfläche hinterlegte zweite Funktion (Hover = rechte Maustaste) wie z. B. ein Kontext-Menü angezeigt werden. Mit dem Berühren der Oberfläche wird bei einem normalen Touch-Sensor das mit dem Bedienelement verknüpfte Ereignis ausgelöst, z. B. ein/aus, lauter/leiser, auf/ab. Erst beim Berühren der Oberfläche kommt die Haptik ins Spiel: die Gestaltung der Oberfläche als passive Haptik, oder die Messung der Betätigungskraft. Das System kann die Kraft auswerten und weitere der Schaltfläche zugeordnete Aktionen durchführen.
Aktive Haptik löst im Finger des Bedieners einen Reiz aus
Die aktive Haptik löst im Finger des Bedieners einen Reiz aus. Er kann durch mechanische Einflüsse wie Vibration, aber auch durch elektrische Einflüsse wie einem elektrischen Wechselfeld oder Ultraschall erfolgen, die hier nicht diskutiert werden. Der Touch-Sensor gibt die Berührung an das System weiter, wo sie qualifiziert wird: War die Dauer ausreichend? Liegen die Koordinaten in dem Bereich, in dem der Touch-Sensor „scharf” geschaltet ist? Welche Art Rückmeldung ist gefordert: stark oder schwach, Puls oder Dauer-Vibration, mit welcher Frequenz? Beim Erfassen der Betätigungskraft können dem Bediener differenzierte Reaktionen übermittelt werden. So kann die Drehzahl eines Antriebs dosiert werden. Alternativ kann eine Mindestkraft definiert sein, ab der eine Betätigung als zulässig erkannt wird.
Funktionsprinzip der haptischen Rückmeldung
Die Auswertung des Touchscreens und die Erfassung von Touch-Ereignissen übernimmt der Touch-Controller. Das an das Hostsystem übertragene Protokoll mit den Touch-Koordinaten wird von einem Mikrocontroller „mitgehört“. Er kann bei dem passenden Touch-Ereignis den Aktuator über einen Verstärker mit einem beliebigen Muster ansteuern und so dem Anwender eine haptische Rückmeldung geben. Das System arbeitet autark ohne die Mitwirkung des Hostrechners und dessen Betriebssystem. Dadurch ist die Latenz gering, was für ein unmittelbares haptisches Erlebnis des Anwenders erforderlich ist.
Alternativ kann der Host-Rechner die Auswertung und Ansteuerung des Verstärkers mit dem Aktuator übernehmen. Ein Vorteil ist, dass je nach Bildschirminhalt neue Flächen aktiv sind und unterschiedliche Anregungsmuster ausgelöst werden können.
Bild 3 zeigt ein Beispiel für eine Implementierung. Der Aufbau besteht aus einem Display mit kapazitivem Touch-Sensor, einem Deckglas und einem Rahmen, der die gesamte Baugruppe trägt. Die mechanische Anregung lässt das System vibrieren. Sie ist nicht auf einen einzelnen Aktuator beschränkt, es können auch mehrere auf der Fläche verteilt sein, die separat angesteuert werden können, um eine Ortsabhängigkeit zu simulieren.
Aktuatoren: ERM, LRA und Piezo
Wird eine aktive haptische Rückmeldung gewünscht, muss die Mechanik des Systems konstruktiv dafür ausgelegt werden, insbesondere muss sie flexibel und abgedichtet aufgehängt sein. Bei der Konstruktion der Mechanik muss die spätere Einbaulage des Systems beachtet werden: für horizontalen Einbau in einem Tisch ist eine andere Konstruktion erforderlich als für die vertikale in einem Bedienpanel. Im Folgenden soll ein System mit einem PCAP-Touch-Sensor betrachtet werden.
- In vielen mobilen Geräte (Mobiltelefonen) wird ein kleiner Elektromotor eingesetzt, der auf der Welle eine Unwuchtmasse trägt. Wird an den Motor eine Spannung angelegt, bewegt er die Masse, deren Unwucht eine Vibration erzeugt. Das System wird auch als ERM = Eccentric Rotating Mass bezeichnet. Die Ansprech- und Abfallzeiten sind groß, sie hängen von der Hochlauf- und Bremszeit des Motors ab. Daher eignet sich diese Technologie am besten für einfache Benachrichtigungen. Die Rückmeldung ist undifferenziert und zeigt lediglich an, dass ein Touch-Ereignis erkannt wurde.
- Etwas aufwendiger ist ein linearer Aktuator, bei dem ein schwingend gelagerter Anker in einem elektromagnetischen Feld in Resonanz gebracht wird und eine laterale Bewegung vollführt. Der LRA = Linear Resonant Aktuator regt eine Oberflächenschwingung an. Die Amplitude kann durch Variation der angelegten Spannung variiert werden, die Frequenz ist innerhalb der Grenzen variabel. Die Technologie eignet sich daher für etwas differenziertere haptische Meldungen. Das Ansprechverhalten ist schneller als das des Unwuchtmotors.
- Piezo-Kristalle haben die Eigenschaft, dass sie zwischen mechanischer Energie und elektrischer Spannung vermitteln. Sie werden mit einem Metall-Streifen verklebt. Legt man eine (Wechsel-) Spannung an, bewegen sie den Metallstreifen. Dieser Effekt wird ausgenutzt, um die Oberfläche mit einem Piezo-Aktuator zum Schwingen anzuregen. Durch Variation von Amplitude und Frequenz des Ansteuersignals lässt sich die haptische Rückmeldung sehr gut modulieren. Wegen der geringen Masse sind Ansprech- und Abfallzeiten sehr niedrig. Ein Nachteil ist die Ansteuerspannung der Piezos, die verglichen mit sonst im System vorhandenen Spannungen hoch ist. Gegenüber den anderen Technologien benötigt ein Piezo-Element nur eine geringe Bautiefe.
Touchscreens mit Haptik
Der Artikel beschreibt, wie bei Touchscreens, deren Technologie keine Bestätigung der Berührung an den Bediener gibt (wie z. B. PCAP und Infrarot), eine Rückmeldung realisiert werden kann. Begriffe wie aktive und passive Haptik werden erläutert. Von der Funktionsweise der haptischen Rückmeldung ausgehend werden bekannte Prinzipien wie Unwuchtmotor, Elektromagnet, Piezokristall, Ultraschall und Oberflächenhaptik vorgestellt und einander gegenübergestellt.
Während die oben beschriebenen Verfahren hauptsächlich eingesetzt werden, um eine periodische Vibration zu erzielen, kann mithilfe eines Hubmagneten eine größere Auslenkung und damit die Simulation einer mechanischen Taste mit Schnappscheibe nachgebildet werden.
Tabelle 1 zeigt die technischen Daten der unterschiedlichen Technologien im Vergleich.
Eine neue Dimension: Messung der Betätigungskraft
Die Betätigungskraft kann gemessen werden, um spezielle Aktionen (Bild 1) auszulösen. Das Host-System kann erst bei festerem Druck auf den Touch-Sensor das erkannte Touch-Ereignis an das System weiterreichen. Damit wird der ergonomische Nachteil der PCAP-Technologie, die Oberfläche zu berühren, ohne ein Ereignis auszulösen, eliminiert. Alternativ kann auch eine „Second-Touch“-Funktion implementiert werden. Während z. B. im Mailprogramm der erste Kontakt eine schnelle Vorschau der Kopfzeilen einer Mail ermöglicht, führt der feste Druck dazu, dass die Mail geöffnet wird.
Zur Messung der Kraft wird ein Kraft-Sensor (Bild 5) hinzugefügt. Die Messung der Betätigungskraft erfordert eine flexible Aufhängung des Touch-Subsystems. Der zurückgelegte Weg wird von der Empfindlichkeit des Sensors bestimmt und braucht nur wenige Mikrometer zu betragen. Als Sensoren haben sich bewährt:
- Dehnungsmessstreifen, die eine durch die Kraft bewirkte Dehnung in eine Widerstandsänderung umsetzen
- kapazitive Sensoren, die auf die Änderung der Distanz zwischen Touch-Sensor und Halterung mit einer Kapazitätsänderung reagieren
- Piezo-Sensoren, die bei Durchbiegung eine elektrische Spannung abgeben. Sie können mit passender Ansteuerung auch gleichzeitig als Aktor verwendet werden.
Für einfache Ansprüche, ohne den Sensor flexibel und abgedichtet integrieren zu müssen, genügt es, die Kraft indirekt durch Bestimmung der Auflagefläche eines Fingers zu schätzen. Je höher die Betätigungskraft, desto breiter wird der Finger und damit die Auflagefläche. Dieses Verfahren kann nur als grober Anhaltspunkt dienen, da die Form und Nachgiebigkeit des Fingers individuell und kulturell unterschiedlich sind.
Komplette haptische Integration
Die komplette haptische Integration umfasst die Kraftmessung und die haptische Rückmeldung durch Vibration, siehe Bild 6. Mechanische Komponenten hierfür sind neben dem Touch-Sensor ein Sensor zur Messung der Betätigungskraft und ein haptischer Antrieb. Auf elektronischer Seite kommen Schaltungen zum Adaptieren des Kraft-Signals und Treiber-Schaltungen zur Ansteuerung der Anregung hinzu.
Bild 7 zeigt die mechanische Ausführung eines kompletten haptischen Systems, bei dem sowohl die Betätigungskraft gemessen als auch die Oberfläche in Vibration versetzt wird. Der herkömmliche Touch-Controller, der Touch-Ereignisse in Koordinaten umsetzt, muss durch einen Mikrocontroller ergänzt werden, der die Kraft misst und das Anregungsmuster an einen Verstärker gibt.
Piezo-Eigenschaften ausgenutzt
Ein Piezo-Kristall arbeitet bidirektional: Wird es mechanisch belastet, erzeugt es eine Spannung. Wird eine Spannung angelegt, bewegt es sich. Der erste Effekt wird z. B. bei Feuerzeugen ausgenutzt, um das Gas zu entzünden, oder bei Piezo-Mikrofonen. Der zweite Effekt wandelt bei Piezo-Lautsprechern das Audio-Signal in Schall um. Bei einem Touch-System mit Kraftmessung und haptischer Rückmeldung kann derselbe Piezo nacheinander sowohl zur Kraftmessung als auch zur Anregung verwendet werden, siehe Bild 8. Im ersten Schritt erfasst der Sensor die Kraft und im zweiten sorgt eine Spannung für die Auslenkung.
Während das Funktionsprinzip einfach ist, liegt der Aufwand in der technischen Realisierung. Die bei der Kraftmessung abgegebene Spannung liegt im Millivolt-Bereich, während zur Anregung Spannungen bis zu 100 V erforderlich sind.
Haptische Rückmeldung: Eine Zusammenfassung
Die haptische Rückmeldung bietet ein neues Benutzererlebnis, indem sie den Tastsinn einsetzt, um nicht nur eine Aktion auszulösen, sondern auch eine Rückmeldung an den Bediener zu geben. Damit wird die „blinde“ Bedienung ohne Blickkontakt mit dem Touchscreen möglich. Die Messung der Betätigungskraft erlaubt weitere Aktionen, wie z. B. das Ertasten der Bedienelemente oder das Auslösen des Touchscreens erst nach Aufbringen einer Kraft. Es stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung, die je nach Anwendungsfall ihre Stärken ausspielen können.
Im Vergleich mit einem normalen Touch-Terminal muss der Integrator einen erhöhten Aufwand in Mechanik und Elektronik leisten. Die Glasfront muss schwimmend aufgehängt und gegenüber Staub und Feuchtigkeit abgedichtet werden. Schaltungen zur Auswertung der Betätigungskraft und zur Ansteuerung des haptischen Elements müssen entwickelt werden. Bei der Abstimmung mit den Anwendern ist es hilfreich, festzulegen, welche Parameter der haptischen Rückmeldung als realistisch „erfühlt“ werden.
Die Messung der Kraft ergibt einen Mehrwert zur reinen haptischen Anregung. Sie ermöglicht eine neue Ebene zwischen den digitalen Zuständen „Touch-Ereignis erkannt“ und „kein Touch-Ereignis erkannt“. Für die optimale User Experience ist eine geringe Latenz nötig, damit die Rückmeldung unmittelbar einer Aktion des Anwenders zugeordnet werden kann.
Die haptische Rückmeldung ist eine sinnvolle Ergänzung für einen Touchscreen, wenn der Aufwand der Aufgabenstellung angemessen ist. Für genau definierte Anwendungen mit hohen Stückzahlen lohnt sich der erhöhte Aufwand in Mechanik und Elektronik. In jedem Fall muss das User Interface diesen Mehrwert der Ergonomie an den Anwender vermitteln. (neu)
Autor
Rudolf Sosnowsky, CTO Hy-Line