Zunächst widersprüchlich sind die Anforderungen an ein hygienisches Touchsystem. Zum einen soll es ständig verfügbar sein, zum anderen vor jedem Benutzer frisch desinfiziert sein. Dann soll es ohne Verbrauchsmaterialien wie Folien oder Spray auskommen, weil zum Austausch oder Nachfüllen Personal gebraucht wird. Dazu soll es keinem Verschleiß unterliegen, damit auch nach vielen Bedienvorgängen immer noch derselbe Schutz wie direkt nach der Inbetriebnahme besteht. Ideen, die auf dem Einsatz eines flüssigen Desinfektionsmittels oder einer präparierten Folie basieren, wurden daher verworfen. Die Bestrahlung mit UV-C-Licht ging als Favorit hervor, sobald das Kriterium der permanenten Verfügbarkeit des Touchscreens gelöst war.
Berührungsloser Touchscreen zum Nachrüsten
Die aktuelle Situation mit Corona führt dazu, dass Anwender immer zögerlicher werden, Oberflächen zu berühren. Mit dem „Flying Touch“ stellt Hy-Line eine weitere Lösung zur berührungslosen und keimfreien Eingabe vor. In sicherem, aber definiertem Abstand vom Display löst der Sensor die Touchfunktion aus.
UV-C-Strahlung muss abgeschirmt werden
Wegen ihrer Schädlichkeit für Menschen muss die UV-C-Strahlung sorgfältig abgeschirmt werden. Um ein Terminal (das heißt den Touchscreen oder die Eingabetastatur) mithilfe von UV-C-Strahlung effektiv zu desinfizieren, muss die Desinfektion nach jedem Bediener erfolgen. Das Bedienfeld könnte unter einer Haube verdeckt mit UV-C-Strahlung bestrahlt werden. Der folgende Bediener müsste also warten, bis die Desinfektion beendet ist. Bei stark frequentierten Terminals wie zum Beispiel Fahrkartenautomaten ist das nicht hinnehmbar.
Als Voraussetzung müssen die Oberflächen auch die Bestrahlung mit UV-Licht vertragen. Bei einem Touchscreen und einem darunterliegenden Display ist dies zum Beispiel nicht gegeben, da die Folien des Touch-Sensors vergilben und der Polfilter des Displays durch die Bestrahlung seine Effektivität verliert, das heißt der Kontrast des Displays nachlässt.
Quellen für UV-C-Strahlung
Die kurzwellige UV-Strahlung war bis vor kurzem die Domäne der Gasentladungslampen. Sie decken immer noch den Großteil der Anwendungen ab, besonders dort, wo es um hohe Leistungen geht. Für Anwendungen wie Luft- oder Wasserdesinfektion muss innerhalb einer kurzen Zeit eine hervorragende Abtötung der Bakterien und Viren möglich sein. Die Dosis ergibt sich aus der Einwirkzeit und der Intensität. Mit speziellen Halbleitermaterialien erzeugen LEDs Strahlungen mit einem ausgeprägten Spektrum im UV-C-Bereich.
Was ist eigentlich UV-Strahlung?
UV-Strahlung ist für das menschliche Auge nicht sichtbar, aber nicht ungefährlich. Nivea, ein Hersteller von Sonnenschutzmitteln, beschreibt die Auswirkungen von UV-A und UV-B-Strahlung auf die Haut: UV-A-Strahlen lassen die Haut frühzeitig altern, und UV-B-Strahlen erzeugen Sonnenbrand. Während sich die Wellenlängen sichtbaren Lichts zwischen 780 (rot) und 380 nm (violett) bewegen, liegt die Wellenlänge von UV-Licht noch darunter. UV-A mit 380 bis 315 nm schließt direkt an den sichtbaren Bereich an, UV-B folgt mit 315 bis 280 nm. Noch kürzere Wellenlängen bis herab zu 100 nm werden als UV-C klassifiziert. Hersteller von UV-C-Quellen wie Heraeus Noblelight geben an, dass sie die DNA von Mikroorganismen zerstört und lebende Zellen inaktiviert. Diese Eigenschaft wird zur Desinfektion von Luft und Trinkwasser genutzt. Auch Gegenstände und Oberflächen lassen sich wirkungsvoll desinfizieren, was im pharma- und medizinischen Bereich und bei der Verarbeitung von Lebensmitteln genutzt wird.
Lösung eines hygienischen Touchscreens
Um negative Auswirkungen der Bestrahlung auf Folien und Polfilter zu vermeiden, wirkt sie nicht direkt auf die Oberfläche von Display und Touchscreen. Mithilfe der Infrarot-Touchtechnologie kann der Touchsensor im Abstand zum Display montiert werden. Dazwischen wird eine bewegliche Scheibe eingebracht, die die direkte Berührung der Display-Oberfläche durch den Bediener verhindert und gleichzeitig das Display gegen Vandalismus schützt. Die Detektion des Touch-Ereignisses findet räumlich davor statt (Bild 1).
Nähert der Bediener dem Display seinen Finger, unterbricht er bereits vor der Berührung den Strahlengang des Infrarot-Sensors, und ein Touchereignis wird ausgelöst. Er muss dazu das Deckglas nicht berühren.
Das Deckglas ist doppelt so groß wie der aktive Anzeigebereich. Während also ein Teil für die Bedienung zugänglich ist, ist der zweite Teil verdeckt. Nachdem der Bediener den Vorgang, also zum Beispiel das Lösen einer Fahrkarte oder der Eingabe von Check-in-Daten, beendet hat, fährt der offene, potenziell infizierte Teil des Deckglases in einen verdeckten Bereich und wird dort mit UV-C-Strahlung desinfiziert (Bild 2).
Dadurch, dass das Deckglas das einzige bewegliche Teil ist, müssen keine Anschlussleitungen bewegt werden, die verschleißen würden. Im Falle eines Defekts oder Vandalismus ist die Scheibe kostengünstig austauschbar. Die Bewegung der Scheibe wird von einem separaten Controller gesteuert.
Was gegen Infektion an Touchscreens hilft
Entwicklungsstatus des hygienischen Touchscreens
Eine klinische Studie zum Nachweis der Wirksamkeit speziell auf Viren vom Corona-Typ wurde begonnen. Die Technologie wurde zum Patent angemeldet.
Ein funktionsfähiger Prototyp (Bild 3) wurde mit einem 7-Zoll-Display aufgebaut. Die möglichen Variationen sind vielfältig: Nicht nur ist die Diagonale frei wählbar, das Display kann auch hochkant im Porträt-Mode eingesetzt werden. Bei geringer Höhe der Frontplatte kann die UV-C-Desinfektion auch rechts und links daneben erfolgen. Das Hygienic-Terminal kann über eine Standard-Video-Schnittstelle wie zum Beispiel HDMI und USB für den Touchscreen an jeden Rechner angeschlossen werden.
Anwendungen für die Desinfektionslösung
Für die Desinfektionslösung gibt es ein breites Spektrum von Anwendungen. Die Zielmärkte sind öffentliche Terminals wie Verkaufsautomaten für Waren oder Fahrscheine, Geldautomaten, Point of Sales, Check-In/Check-Out-Terminals in Hotels und Flughäfen oder Mensch-Maschine-Schnittstellen in Gesundheitssystemen.
Berührungslose Touch-Lösung
Auch für andere Eingabe-Situationen, die ohne Verwendung der Hände funktionieren sollen, gibt es Möglichkeiten: Sind die Hände nicht mehr frei oder verschmutzt? Ist eine Berührung nicht erlaubt wie in der Lebensmittelherstellung oder im Chemielabor, oder möchte man aus hygienischen Gründen einen Touchscreen nicht berühren? Für alle Anwendungsfälle gibt es die passende berührungslose „Touch“-Lösung vom Flying Touch über die holografische Oberfläche bis hin zum Hygienic Touchscreen, der sich selbst desinfiziert.
Fazit
Mit einer dauerhaft keimfreien Glasoberfläche ist der Hygienic Touchscreen die Lösung für eine kontaktlose Bedienung. UV-C-Strahlung tötet Bakterien und Viren zuverlässig ab, sie muss allerdings von anderen Organismen, besonders den bedienenden Personen ferngehalten werden. Bei der hier vorgestellten Lösung wirkt die Strahlung auf eine Glasscheibe, die wechselweise in den Bedienbereich und einen verdeckten Desinfektionsbereich verschoben wird. Daher muss zur Desinfektion keine Bedienpause eingelegt werden. Die zum Patent angemeldete Lösung kommt somit ohne Verbrauchsmaterialien und Verschleiß aus. Eine klinische Studie, die die Wirksamkeit dieses Verfahrens nachweist, ist in Arbeit.
(neu)