Europa auf einem Chip

EMS-Scout gibt einen Überblick über die EMS-Branche in der DACH-Region und umfasst 665 EMS-Dienstleiter. (Quelle: www.ems-scout.de) (Bild: in4ma)

Egal wie Sie es nennen, ob vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0, smart factory es wird viel darüber geredet. Manche sehen es aber auch ironisch und vergleichen es mit Sex bei Jugendlichen: Jeder redet darüber, jeder weiß wie es geht aber keiner hat es bisher gemacht. Dabei passiert mehr als die meisten mitbekommen. So sind in den letzten Jahren Einkaufsplattformen entstanden, die eine Veränderung in diversen Geschäftsprozessen einläuten. Plattformen wie die von Fictiv (Metall, Plastik), Xometry (Metallteile) und 3-D Hubs (CNC, 3D, Blech, Spritzguss) wurden von Ingenieuren und Einkaufsfachleuten unterstützt und machen einen sich verstärkenden Trend bemerkbar: Produktionsdienstleister, die für andere die Produkte fertigen. In der Elektronik sind dies die sogenannten EMS, Electronic Manufacturing Service Unternehmen.

Was EMS mit Apple zu tun hat

Diese Dienstleistung erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei den produzierenden Unternehmen, die elektronische Bauteile in ihren Produkten haben. Heute werden in Europa noch ca. 62% aller elektronischen Baugruppen von den OEMs selbst produziert. Allerdings setzt ein Wandel ein, denn die EMS produzieren die Produkte in den meisten Fällen günstiger und verbessern damit das Ergebnis der, reduzieren den erforderlichen Kapitalbedarf für Maschinen und Anlagen, und erlauben es den Firmen, sich auf die Bereiche Produktentwicklung und Produktvermarktung zu konzentrieren. Zudem sind die EMS-Dienstleister nicht nur Produktionsdienstleister, sondern haben vielfach Engineering-Abteilungen mit vielen Elektronikspezialisten (E²MS), die es erlauben Produkte zu verbessern, zu redesignen und weiter zu entwickeln. Nicht umsonst lassen multinationale Unternehmen wie Apple oder Hewlett-Packard schon lange ihre Produkte von EMS-Unternehmen produzieren, konzentrieren sich auf die Produktvermarktung und fahren glänzende Gewinne ein.

Erst nach Fernost – jetzt wieder zurück

Diese Entwicklung hat vor ca. 20 Jahren dazu geführt, dass insbesondere Produkte mit hohen Stückzahlen und geringen Varianten verstärkt an EMS-Unternehmen nach Fernost gingen. Sowohl der Handelskrieg zwischen USA und China als auch die Pandemie haben zu einem Umdenken geführt – ihr Übriges taten die Explosion der Transportkosten in Verbindung mit reduzierten Transportkapazitäten und damit längeren Transportzeiten.

Diese Erkenntnis hat zu einem neuen Denken geführt, dem Reshoring. Europäische Unternehmen holen ihre Elektronikprodukte ganz oder teilweise zurück aus Fernost. Dabei können sie zudem in Europa auf große EMS-Unternehmen zurückgreifen, die nicht nur in Europa produzieren, sondern in Fernost auch über alternative Produktionsstandorte in Indien, Sri Lanka und Malaysia verfügen. Nicht zu vergessen sind die Europäischen EMS-Unternehmen, die Zweigwerke in Marokko und Tunesien haben und dort problemlos mit den Preisen von Produktionsunternehmen in China konkurrieren können.

Karte für die EMS-Dienstleister in der DACH-Region
Wer macht wo was? Die Karte von EMS-Scout verschafft einen interaktiven Einblick in die EMS-Branche. (Quelle: www.ems-scout.de)

665 EMS-Unternehmen auf einen Blick

Wenn ein Unternehmen seine Produkte in Europa produzieren lassen will, sollte es den Markt kennen. Viele Unternehmen kennen teilweise nicht einmal die großen EMS-Unternehmen in Europa. Ob das fehlendes Interesse in der Vergangenheit oder unzureichendes Marketing der EMS war, sei dahingestellt. Die Einkäufer von heute arbeiten auch anders als vor 20 Jahren. Hier hat ein Paradigmenwechsel eingesetzt: 50% aller Einkäufer sind unter 40 Jahre alt und arbeiten und leben komplett digital. Digitale Plattformen sind das, was diese Einkäufer suchen oder zumindest vollständige Übersichten über den Markt im Internet.

Dem hat sich das Marktforschungsunternehmen in4ma zusammen mit dem Hamburger Unternehmensberater matthias holsten e² consulting GmbH angenommen und den EMS-Scout ins Leben gerufen (www.ems-scout.de), der erstmals alle 665 EMS-Unternehmen in D-A-CH gelistet. Dazu können die einzelnen Unternehmen ihre spezifischen Fertigungsschwerpunkte, Kapazitäten, Marktsegmente, Zertifizierungen eintragen lassen und suchende OEM können nach diversen Kriterien, etwa Entfernung, Zertifizierung, Umsatzgröße, und verschiedenen anderen Kriterien einen Suchauftrag starten und erhalten dann eine Liste der in Frage kommenden Fertigungsdienstleister. Mit dieser Vorauswahl können sich Interessierte sicher sein, einen guten ersten Überblick zu haben. Dann können sie in der Kontaktaufnahme mit den Firmen den endgültigen Lieferanten festlegen.

Update vom 11.4.2023

In4ma hat den EMS-Scout um einen virtuellen Marktplatz für elektronische Bauelemente erweitert, der Anfang 2023 freigeschaltet wurde. Hier können Unternehmen überschüssige Bauelemente einstellen und zum Kauf anbieten. Das Einstellen der Bauelemente ist kostenlos. Der Marktplatz ist nicht als Dauereinrichtung geplant, sondern dient ausschließlich der Unterstützung der EMS-Industrie beim Reduzieren der Bestände an Roh- Hilfs- und Betriebsstoffen.

Der Autor

Dieter G. Weiss, Gründer des EMS-Scout-Portals

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