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(Bild: AdobeStock_589278019_Artofinnovation)

Dieses für die Zukunft so wichtige Themenspektrum wurde auf dem 1. Green Electronics Forum vom 14.-15. Juni 2023 in der Zeche Zollverein in Essen behandelt. Gastgeber der Veranstaltung waren MTM Ruhrzinn, Kolb Cleaning Technology, Stannol und der ZVEI.

Kann man die falschen Dinge richtiger machen?

Dabei gab der durchaus kontroverse Vortrag von Prof. Dr. Michael Braungart zum Thema „Cradle to Cradle als Innovationschance“ am 14. Juni den Startschuss. Michael Braungart ist ein deutscher Verfahrenstechniker und Chemiker, der sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einsetzt. Er entwickelte zusammen mit William McDonough das Cradle-to-Cradle-Konzept, das auf der Idee der Kreislaufwirtschaft basiert. Das Cradle-to-Cradle-Konzept unterscheidet zwischen biologischen und technischen Kreisläufen. Biologische Kreisläufe sind solche, in denen organische Stoffe wie Lebensmittel, Pflanzen und Tiere in den natürlichen Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Technische Kreisläufe sind solche, in denen anorganische Stoffe wie Metalle, Kunststoffe und Glas wiederverwendet werden können. Braungarts Vision ist eine Welt, in der es keine Abfälle gibt, sondern nur noch Rohstoffe, die in Kreisläufen wiederverwendet werden können. „Biologische Kreisläufe lassen keinen Abfall zurück, die biologischen Abfallprodukte sind somit Rohstoff für neue Schöpfungen, beispielsweise Dünger. Demnach können auch in Wirtschaft und Gesellschaft Kreisläufe so gestaltet werden, dass Ressourcen im Idealfall immer wieder verwendet werden können“, erklärte der Umweltpionier. Seine These: „..wir beschäftigen uns immer noch zu sehr mit dem Verbessern der "falschen" Dinge (Recycling, Optimierung, Effizienz), aber schlussendlich muss die Frage sein: Tun wir eigentlich die richtigen Dinge?! “ Braungarts Ziel ist es, Produkte und Produktionsprozesse so zu gestalten, dass sie in biologischen und technischen Kreisläufen funktionieren. Das bedeutet, dass Produkte so konzipiert sein sollen, dass sie entweder kompostierbar sind oder sich durch mechanische oder chemische Prozesse wiederverwerten lassen. So könnten beispielsweise Lebensmittelverpackungen aus kompostierbarem Material hergestellt werden, während Kleidungsstücke aus recycelten Materialien gefertigt werden könnten. Dieser Ansatz führte zu vielen Diskussionen unter den rund 90 Teilnehmern. Tun wir genug und könnte man sein Geschäftsmodel gänzlich umdenken, um das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken? Bei heiß Gegrilltem und kalten Getränken wurden daher an diesem Vorabend schon reichlich Ideen ausgetauscht.

Prof. Dr. Michael Braungart
Prof. Dr. Michael Braungart sorgte mit seiner Aussage "kann man die falschen Dinge richtiger machen?" für nachdenkliche Gespräche am Vorabend in der Zeche Zollverein Essen. (Bild: Hüthig/Petra Gottwald)

Warum nicht die Welt retten?

Oder anders gesagt: Von den Vorreitern lernen – so das Credo des Impulsvortrags zu Beginn des zweiten Tags von Lisa Reehten. Inhaltsstarke und authentische Aussagen über die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten stärken das Image des Unternehmens. Unpräzise Formulierungen und falsch verwendete Begrifflichkeiten können dagegen zum Vorwurf des „Greenwashing“ führen. Was sollte man in der Nachhaltigkeitskommunikation in jedem Fall vermeiden? Wo ist Vorsicht geboten? Und wieso ist es überhaupt so wichtig, in Sachen Nachhaltigkeit nicht nur zu handeln, sondern auch darüber zu reden? Lisa Reehten, Geschäftsführerin von Bosch Climate Solutions, einer Ausgründung des Industrieriesen Bosch, präsentierte gekonnt Beispiele gelungener interner und externer Kommunikation. Laut ihrer Aussage ist es durchaus möglich, einen CO₂-Fußabdruck für ein KMU in 4-8 Wochen zu erstellen. Ihr Unternehmen hilft vorwiegend Mittelständlern dabei, ihren CO₂-Ausstoß und den eigenen Energieverbrauch zu verringern.

Wie klappt die Energiewende im Gebäudebestand? Pascal Biesenbach vom Start Up Viadukt beschäftigt sich mit der Bewertung von Immobilien an Hand von cooler Software und intelligenten Datenverknüpfungen (Solardatenbank, Denkmaldatenbank etc.). Mittels eines Gebäudedashboards für den CO₂-Ausstoß unter www.energiequartier.de können Immobilienbesitzer sozusagen in Echtzeit sehen, wie Energie in den jeweiligen Gebäuden eingesetzt wird und wo Einsparpotenziale zu heben sind.

Im Anschluss stellte Stephanie Kopp (Wissenschaftliche Referentin beim Rat für Nachhaltige Entwicklung) den Deutschen Nachhaltigkeitskodex und die aktuellen Berichtspflichten mit Schwerpunkt auf den CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive ) vor. Hintergrund ist, dass die Europäische Kommission Unternehmen stärker vorschreiben will, wie sie ihre globalen Wertschöpfungsketten zu überwachen haben.

Multimetallgewinnung bei Leiterplatten

Elektronikschrotte haben es ihm angetan. Andreas Nolte von Aurubis weiß, wo im Recycling echte Schätze liegen – und wie man sie heben kann. Zum Bespiel kann man beim Leiterplattenrecycling wertvolles Kupfer wiedergewinnen, auch wenn die komplexe Zusammensetzung viele kostenintensive Schritte nach sich zieht. Die Recyclingtechnologie ermöglicht es, komplexe metallhaltige Wertstoffe zu bearbeiten und in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Damit unterstützt das Recycling die Schonung natürlicher Ressourcen sowie das Bestreben von Aurubis, neben Kupfer-Rohstoffen verstärkt komplexe sekundäre Rohstoffe einzusetzen.

Moderatorin Sabrina Nickel. Die Referenten von links nach rechts: Dr. Gerhard Aust, Quentin Zapf, Andreas Nolte, Lisa Reehten, Stephanie Kopp, Michael Künsebeck, Manfred Amberger.
Moderatorin Sabrina Nickel (li) führte gekonnt durchs Programm. Die Referenten von links nach rechts: Dr. Gerhard Aust, Quentin Zapf, Andreas Nolte, Lisa Reehten, Stephanie Kopp, Michael Künsebeck, Manfred Amberger. (Bild: Hüthig/Petra Gottwald)

Nachhaltige EMS-Unternehmen

Fest in der Unternehmensphilosophie verankert sind die Themen Ressourcenschonung und Umweltschutz bei den EMS-Firmen Zollner und Prettl Group. Manfred Amberger, Senior Vice President Marketing & Sales bei Zollner berichtete über den Ansatz, dass Baugruppen zukünftig so designt werden, dass ihre Lebensdauer verlängert wird, um sie dann am Ende recyceln zu können. Bei Prettl wurde 2020 eine Selbstverpflichtung zum Klimaschutz mit der Initiative GoZero ins Leben gerufen. Dr. Gerhard Aust und Quentin Zapf von Prettl beschrieben recht leidenschaftlich den Weg der Unternehmensgruppe zur Klimaneutralität in den vier Bereichen Energieeffizienz, regenerative Energien, Grünstrom und Kompensationsmaßnahmen. Im Anschluss erörterte Michael Künsebeck von in4ma den aktuellen Stand der Nachhaltigkeit in der EMS-Landschaft.

Das war das Green Electronics Forum 2023

Als Fazit lässt sich sicher festhalten: Die Elektronikbranche ist sich ihrer Verantwortung im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bewusst. Viele haben schon Prozesse im Unternehmen etabliert und die ersten Schritte getan. Wer dies noch nicht getan hat - einfach mal machen! Denn, da sind sich alle Teilnehmer einig - das schaffen wir nur gemeinsam!

Die Autorin: Dipl. Ing. Dipl. Wirt. Ing (FH) Petra Gottwald

Petra Gottwald / Redaktion all-electronics
(Bild: Petra Gottwald)

Die Doppel-Ingenieurin (Textiltechnik und Wirtschaft) hat nur ein Ziel: Sie möchte Menschen für technische Themen begeistern - ob sie wollen oder nicht. So kommt es schon 'mal vor, dass sie ihren Freunden die komplexe Herstellung einer Leiterplatte in einer packenden Story erzählt oder wie man Elektronik in Textilien einbaut. Privat düst sie auf leisen Sohlen durch die Gegend, denn sie hat seit 2016 ein Faible für Elektromobilität und will mit ihrem Wissen Interessierten die Reichweitenangst beim voll-elektrischen Fahren nehmen.

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