Das Soluboard vor (l.) und nach dem Kontakt mit heißem Wasser: Die organische Struktur löst sich beim Eintauchen in heißes Wasser auf und hinterlässt nur kompostierbares organisches Material sowie die auf der Leiterplatte verlöteten elektronischen Bauteile.

Das Soluboard vor (l.) und nach dem Kontakt mit heißem Wasser: Die organische Struktur löst sich beim Eintauchen in heißes Wasser auf und hinterlässt nur kompostierbares organisches Material sowie die auf der Leiterplatte verlöteten elektronischen Bauteile. (Bild: Infineon)

„Die Leiterplatte ist das größte Problem der Elektronikproduktion beim Thema Nachhaltigkeit“, gab Dieter Weiss in einem Interview über das Trendthema zu Protokoll. Er bezog sich dabei vor allem auf die kostengünstigen Leiterplatten aus Fernost. Dass sich auch die Industrie und die Forschung immer mehr mit dem Umweltschutz beschäftigen, zeigen die Beispiele von Infineon und der Grazer Forschungsgesellschaft Joanneum Research.

Infineon setzt auf wasserlösliche Leiterplatte

So setzt Infineon auf die Technologie von Jiva Materials, die mit Soluboard ein recycelbares und biologisch abbaubares Leiterplattensubstrat entwickelt haben. Es basiert auf Naturfasern und einem halogenfreien Polymer. Das pflanzliche PCB-Material von Soluboard wird aus Naturfasern hergestellt, die eine geringere CO2-Bilanz aufweisen als herkömmliche Glasfasern. Die organische Struktur ist von einem ungiftigen Polymer umgeben, das sich beim Eintauchen in heißes Wasser auflöst und nur kompostierbares organisches Material zurücklässt. Auf diese Weise wird nicht nur Leiterplattenabfall vermieden, sondern auch die auf die Leiterplatte gelöteten elektronischen Bauteile lassen sich einfacher recyceln. Mit dem Einsatz von Soluboard für Demo- und Evaluierungsboards will Infineon einen Beitrag zur Entwicklung nachhaltiger Designs in der Elektronikindustrie leisten.

„Zum ersten Mal wird ein recycelbares, biologisch abbaubares Leiterplattenmaterial für Designs in der Unterhaltungselektronik und in der Industrie eingesetzt – ein Meilenstein auf dem Weg in eine grünere Zukunft“, sagt Andreas Kopp, Leiter des Produktmanagements Discretes der Division Green Industrial Power von Infineon. „Wir forschen auch aktiv an der Wiederverwendbarkeit von diskreten Leistungsbauelementen am Ende ihrer Nutzungsdauer, was ein weiterer wichtiger Schritt zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft in der Elektronikindustrie wäre.“

„Die Einführung eines wasserbasierten Recyclingverfahrens kann zu einer höheren Effizienz bei der Rückgewinnung wertvoller Metalle führen“, sagt Jonathan Swanston, CEO und Mitbegründer von Jiva Materials. „Darüber hinaus würde der Wechsel von FR-4-Leiterplattenmaterialien zu Soluboard zu einer 60-prozentigen Reduzierung der Kohlenstoffemissionen führen – genauer gesagt können pro Quadratmeter Leiterplatte 10,5 kg Kohlenstoff und 620 g Kunststoff eingespart werden.“

Jonathan Swanston - CEO und Co Founder bei Jiva Materials erläutert die Technologie hinter der Leiterplatte

Derzeit setzt Infineon das biologisch abbaubare Material ein, um den CO 2-Fußabdruck von Demo- und Evaluierungsboards zu reduzieren. Das Unternehmen prüft aber auch die Möglichkeit, das Material für alle Boards zu verwenden, um die Elektronikindustrie nachhaltiger zu gestalten.

Infineon hat drei verschiedene Demo-Boards mit Soluboard-Technologie hergestellt und plant, das Angebot in den nächsten Jahren zu erweitern. Mehr als 500 Einheiten werden bereits genutzt, um das Portfolio des Unternehmens an diskreten Leistungshalbleitern zu präsentieren, darunter auch ein Board mit Komponenten speziell für Kühlschrankanwendungen. Auf Grundlage der Ergebnisse laufender Stresstests plant Infineon, Anleitungen für die Wiederverwendung und das Recycling von Leistungshalbleitern bereitzustellen, die von Soluboards entfernt wurden. Wird dies umgesetzt, könnte die Lebensdauer der elektronischen Komponenten erheblich verlängert werden.

Leiterplatten auf Papierbasis für mehr Nachhaltigkeit in der Elektronik

Das EU-Projekt „CircEl-Paper“ hat es sich zum Ziel gesetzt, Leiterplatten auf Papierbasis herzustellen. Dadurch könnte die Elektronik am Ende ihrer Lebensdauer im herkömmlichen Papiermüll entsorgt und auch wiederverwertet werden. Dafür werden am Grazer Institut für Sensorik, Photonik und Fertigungstechnologien der Forschungsgesellschaft Joanneum Research an der Entwicklung geeigneter Materialien gearbeitet. Der Grundstoff ist Zellulose – diese Basis muss jedoch so weiterentwickelt werden, dass sie den Ansprüchen der Elektroindustrie genügt.

„Wir entwickeln Hilfsstoffe, um das Papier stabil und kompatibel zu machen. Und wir entwickeln Tinten zum Drucken von leitfähigen Leiterbahnen sowie passive Komponenten wie Widerstände und Isolatoren“, erklärte Oliver Werzer, der am Institut für das Projekt verantwortlich ist. Ebenfalls mit im Boot ist das Institut LIFE, das die Nachhaltigkeit der neu entwickelten Materialien genau unter die Lupe nimmt.

Bereits letztes Jahr hatte ein österreichisches Forscherteam rund um Doris Danninger von der Johannes-Kepler-Universität Linz zum Beispiel eine Leiterplatte entwickelt, die auf dem Baumpilz Glänzender Lackporling basiert. Die Idee: Mit dem Pilz können bioabbaubare elektronische Leiterplatten entstehen, die sich in kürzester Zeit binnen mehrerer Wochen selbst zersetzen

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