Ohne Elektronik kein „normales“ Leben, denn elektronische Geräte, ob groß oder klein, sind unwiderruflich Bestandteil unseres Lebens. Ihre begrenzte Lebensdauer und ihre oft unsachgemäße Entsorgung erfordern jedoch nachhaltige Konzepte, um eine grüne elektronische Zukunft zu verwirklichen. Ein Ziel von Forschungsvorhaben sollte daher sein, sich auf die Substitution nicht abbaubarer und schwer zu recycelnder Materialien zu konzentrieren, um entweder den biologischen Abbau oder ein einfaches Recycling elektronischer Geräte zu ermöglichen. Nachhaltige Alternativen aus Pflanzen oder Pilzen könnten an dieser Stelle helfen. Aus diesem Grund hat nun ein österreichisches Forscherteam rund um Doris Danninger von der Johannes-Kepler-Universität Linz zum Beispiel eine Leiterplatte entwickelt, die auf dem Baumpilz Glänzender Lackporling basiert. Erste Tests verliefen bereits vielversprechend und das Team stellte seine Ergebnisse nun im Wissenschaftsmagazin Science Advances vor.
Nur 5 Inhaltsstoffe braucht es für die Bio-Leiterplatten
Stabile Leiterplatten bestehen normalerweise aus einem elektrisch isolierendem Material mit daran haftenden, leitenden Verbindungen, den sogenannten Leiterbahnen. Als isolierendes Material ist faserverstärkter Kunststoff üblich. Die Leiterbahnen werden zumeist aus einer dünnen Schicht Kupfer geätzt. Mit dem Pilz können hingegen bioabbaubare elektronische Leiterplatten entstehen, die sich in kürzester Zeit binnen mehrerer Wochen selbst zersetzen. Dabei nutzten die Forscher nicht den Pilz an sich, sondern sein unterirdisches Myzel, ein Geflecht aus feinen Pilzfäden, die den gesamten Boden durchziehen.
Das Verfahren zur Herstellung der pilzbasierten Leiterplatte klingt einfach. Zur Herstellung vermischten die Forscher Buchenspäne mit Dinkelvollkornmehl, Gips und Mehl und erhitzten das Ganze auf 25°C. Nachdem die Mischung abgekühlt war, fügten sie die Spore des Baumpilzes Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum) hinzu und lagerten das Ganze in einer Kiste. Innerhalb von vier Wochen wuchs in der Kiste ein Gewebe aus Pilzfasern, ein sogenanntes Myzel, mit einer papierähnlichen, weichen und, je nach Reifungsgrad, weißen bis bräunlichen Haut. Danach ist die Hautbildung abgeschlossen, und der Wachstumsprozess kommt zum Stillstand. Anschließend wurde die bräunliche Haut vom Myzel abgezogen, getrocknet, gepresst und zugeschnitten.
Elektronische Schaltkreise auf Mycelium-Haut
In der weiteren Verarbeitung werden Leiterbahnen konstruiert, indem die Myzeloberfläche durch physikalische Gasphasenabscheidung von dünnen Metallschichten und anschließende Laserablation metallisiert werden. Die mit diesem Ansatz hergestellten Leiterbahnen können hohe Stromdichten von bis zu 333 A/mm² aushalten, bevor es zu Elektrodenausfällen aufgrund von Überhitzung kommt (Abb. S5 und S6). Neben der hohen Leitfähigkeit sorgen das Fehlen von Krusten und die insgesamt geringe Dicke für eine hohe Flexibilität der hergestellten Leiterbahnen. Das zyklische Biegen einer einzelnen Cu-Au-Leiterbahn zwischen einem Biegeradius von 22,5 und 5 mm ist für mehr als 2000 Biegezyklen mit einem nur geringen Anstieg des Widerstands von 18,1 % möglich. Der Forschungsbericht besagt zudem, dass komplexe Leiterbahngeometrien realisiert werden können, dass die metallisierte Myzelhaut die Eigenschaft bezieht, solch extremen Verformungen mit angemessenen Widerstandssteigerungen standzuhalten. Die Oberflächenmontage von Elektronik auf passiven Bauteilen kann auf MycelioTronic-Bauteilen ohne größere Leistungseinbußen bei Verformung durchgeführt werden.
Laut Aussage des Forscherteams weist die Myzelhaut eine hohe thermische Stabilität auf, die das Löten elektronischer Komponenten ermöglicht. Auf diese Weise können zum Beispiel flexible Sensorplatinen hergestellt werden, die aufgrund ihrer Formanpassungsfähigkeit nicht auf eine planare Geometrie beschränkt sind. Das Verfahren sei besonders einfach, verbrauche deutlich weniger Energie und Wasser als die Leiterplattenproduktion aus konventionellen Materialien und auch als jene aus Papier oder Baumwolle. Zudem komme es ohne schädliche Chemikalien aus und die Leiterplatten seien komplett kompostierbar.
Auch nachhaltige Batterien sind möglich
Die Pilzmyzelien können auch zur Herstellung von Batterien verwendet werden. Je nach Batteriechemie muss ein Material jedoch unterschiedliche Anforderungen erfüllen, um als Separator geeignet zu sein. Kommerzielle Lithium-Ionen-Batterien verwenden meist Polyolefinpolymer-Separatoren, da sie hervorragende mechanische Eigenschaften aufweisen, chemisch stabil gegenüber der Lithiumchemie sind und mit ausreichend kleinen Porengrößen hergestellt werden können, um Sicherheitsmechanismen einzubauen. Allerdings handelt es sich dabei um nicht erneuerbare Erdölprodukte, die sowohl teuer als auch in Bezug auf die Umweltauswirkungen ungünstig sind. Die Verwendung von Biomaterialien als Batterieseparatoren ist noch sehr begrenzt und muss im Hinblick auf einen Übergang zu mehr und nachhaltigeren tragbaren Energiequellen zunehmen. Hautseparatoren aus Myzel können eine umweltfreundliche Alternative darstellen, da sie auf natürliche Weise angebaut werden können und wenig Ressourcen verbrauchen.
Mit ihrer hochporösen Struktur kann die Myzelhaut große Mengen an Flüssigkeit aufsaugen und ist in Kombination mit einer stark ionenleitenden Elektrolytlösung ein vielversprechender Kandidat für die Realisierung nachhaltiger Batterieseparatoren. Bei solch einer Batterie kann sowohl die Membran zwischen den Polen als auch die Hülle aus dem Myzel des Glänzenden Lackporlings bestehen.