Dieter G. Weiss vor einem Microchip auf einer Leiterplatte. Auf dem Chip sind 3 grüne Pfeile abgebildet, die Recycling symbolisieren.

Zum 1.4.2023 ist Dieter Weiss seit 45 Jahren in unterschiedlichsten Funktionen in der Elektronik-Industrie unterwegs und kam dabei mit verschiedenen Produkten in Berührung. Im Interview beschreibt er seine Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit und woran es noch klemmt. (Bild: in4ma / Adobe Stock – bluedesign)

„Nachhaltigkeit beginnt bei Dir – jeder kann beitragen!“ Unter dieser Überschrift veröffentlichte Dieter Weiss, mit der auf EMS spezialisierten Marktforschungmarke in4ma 2021, einen Gastbeitrag. Ihm selbst liegt das Thema sehr am Herzen. Das zeigt auch die Tatsache, dass er sich Zeit für die Fragen am Karnevalswochenende nahm. „Dies bedeutet nicht, dass ich das Thema humoristisch finde, es ist mir wirklich sehr ernst“, schreibt er in seiner Mail zu diesem Interview. Zudem stellt er klar, dass er eine „polarisierende Persönlichkeit“ ist und er sich nicht davor scheut, „einigen Leuten gehörig auf die Füße zu steigen“. Der Grund: „Ich glaube, dass ich für manche die einzige Sprache bin, die sie verstehen, um die Ernsthaftigkeit zu begreifen.“

Aber überzeugen Sie sich selbst.

In einem Gastbeitrag sagten Sie: „Nachhaltigkeit beginnt bei Dir – jeder kann beitragen!“ Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit allgemein?

Beim Begriff „Sustainability“ oder Nachhaltigkeit muss man zwischen vier Bereichen unterscheiden:

  • Umwelt
  • Gesundheit
  • Energie
  • Diversität

Ihrer Fragestellung entnehme ich, dass Sie primär das Thema Umwelt interessiert. Ich möchte im ersten Punkt jedoch auf das Thema Diversität eingehen, weil dazu viel Unsinn geschrieben wird. Man liest meist Alibiphrasen in den Geschäftsberichten der EMS-Unternehmen. Da wird z.B. stolz berichtet, dass die Quote an weiblichen Mitarbeitern deutlich über 50% liege! Wie sieht es denn im Management bzw. der Geschäftsführung aus? Entschuldigung, aber für wie blöde halten diese Firmen eigentlich den Leser? Es ist doch hinreichend bekannt, dass bei optischen Kontrollen sowie bei manuellen Bestückungen und Montagearbeiten Frauen eine wesentlich bessere Motorik und Geduld haben als männliche Mitarbeiter. Dies dann als glorreiche Leistung zum Thema Diversität darzustellen, grenzt schon an Frechheit.

Zur Person: Dieter G. Weiss

Dieter Weiss verfügt über 45 Jahre Berufserfahrung als Chemie-Ingenieur und Betriebswirt in der Elektronik-Industrie. Zudem war er 12 Jahre lang öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Elektronik-Industrie und hat in dieser Zeit primär Gerichtsprozesse für deutsche Gerichte bearbeitet. Er ist mit seiner Firma Gründer der Marke in4ma (information 4 manufacturers), die qualifizierte Marktforschung über die europäische EMS/ODM-Industrie betreibt und die der OEM-Industrie mit dem EMS-Scout bei der Suche nach dem richtigen Fertigungsdienstleistungspartner hilft.

Wie aber sieht es mit dem Umweltaspekt im Bereich Elektronik aus?

Nehmen wir die ROHS-Compliance, die die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten beschränkt. Das ist alles kalter Kaffee und heute eine Selbstverständlichkeit - aber definitiv nicht mehr als glorreiche Errungenschaft darzustellen. Der wesentliche Schritt war die Bleifreiheit und das liegt schon Jahrzehnte zurück. Die Mehrheit der Produkte wird heute bleifrei gelötet. Leider gibt es noch immer Ausnahmen bei wehrtechnischen Produkten, einzelnen Produkten im Aviation, Space and Defense (AS&D)-Bereich sowie bei der Bahntechnik. Verständlich ist das nicht, denn hier sitzen teils Beamte, von denen niemand die Umstellung auf bleifrei verantworten will. Manche Leute müssten einfach gezwungen werden.

Ein weiteres Beispiel sind polybromierte Biphenyle (PBBP), wie sie früher als Flammschutzmittel in Basismaterialien für Leiterplatten insbesondere in Fernost eingesetzt wurden, die heute komplett mehrheitlich durch Tetrabrombisphenol-A (TBBPA) ersetzt sind. Allerdings ist auch dieser Stoff nicht zu unterschätzen, denn er ist krebserregend. Es gibt immer wieder Anläufe, diesen Stoff zu ersetzen, aber ein erfolgreiches Substitut ist mir nicht bekannt. Das Problem mit dem Stoff kommt primär erst mit der Entsorgung, bei der teilweise unkontrolliert auf Deponien entsorgt bzw. verbrannt wird. Hierbei entstehen Dioxine und Furane, zudem besteht die Gefahr, dass TBBPA in öffentliche Gewässer gelangt. TBBPA ist bioakkumulativ, heißt, es wird im menschlichen bzw. tierischen Körper nicht abgebaut, sondern reichert sich in der Leber an. Da aber die UL-Spezifikation UL 94 für elektronische Baugruppen die Klassifizierung V-0 verlangt, kommt man um diese Flammschutzmittel nicht herum. Es gibt Untersuchungen, dass PBBP und TBBPA in Fischen nachgewiesen wurden und somit über die Ernährung auch in den Menschen gelangen.

Der Dodd-Frank-Act bzw. Konflikt-Mineralien, in der Elektronik primär Tantal, Wolfram, Zinn und Gold sind ein weiteres Thema. Insbesondere Zinn und Gold kommen mit den Leiterplatten zu den EMS-Unternehmen. Da holt man sich dann die Bestätigung vom Leiterplattenhersteller. Während europäische Leiterplattenhersteller diese Vorgaben über ihre europäischen Chemikalienlieferanten beziehungsweise über europäische Recycling-Unternehmen für Zinn bekommen – die auch einen Überblick über die Herkunft der von ihnen eingesetzten Materialien haben – habe ich große Bedenken bei Leiterplatten aus Fernost, insbesondere China. Meine jahrzehntelange Erfahrung mit China lautet: Die unterschreiben alles, Hauptsache man kann Umsatz damit machen. Sie können das gerne als Vorurteil verurteilen, meine praktische Erfahrung ist definitiv anders.

Hintergründe: Was steckt hinter dem Dodd-Frank Act und RoHS?

Konfliktmineralien/Dodd-Frank-Act

Der Dodd-Frank-Act (Absatz 1502) gibt vor, dass die Unternehmen, die an der amerikanischen Börse notiert sind, jährlich einen Bericht zur Herkunft der von ihnen eingesetzten Materialien Zinn, Wolfram, Gold und Tantal abgeben müssen.

RoHS

Die Restriction of certain Hazardous Substances in Electronical Equipment (kurz: 2011/65/EU (RoHS II)) – früher bekannt unter 2002/95/EG (RoHS) – definieren die EG-Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, um die Umweltbelastung zu verringern. Ein Beispiel ist die Verbreitung von bleifreien Lötverfahren.

Können Sie ein Beispiel für Ihre Sicht auf die chinesische Mentalität bei diesem Thema nennen?

Als vor 35 Jahren die Qualitätsmanagementnorm ISO 9000 eingeführt wurde, war ich selbst noch Qualitätsleiter eines deutschen Leiterplattenherstellers und wurde vom TÜV intensiv geprüft und regelrecht drangsaliert in Bezug auf genaue Formulierungen in den Spezifikationen, Arbeitsanweisungen und Prüfanweisungen. Dann besuchte ich Leiterplattenhersteller in Hong Kong und war überrascht, dass fast jeder Leiterplattenhersteller dort bereits ISO 9000 hatte. Und das, obwohl die Firmen von deutschen TÜV-Mitarbeitern geprüft wurden, die aber vermutlich kein Chinesisch konnten. Zudem sah ich dann auf der Straße Fahrzeuge von Malerbetrieben und Elektrikern, die alle mit der Aufschrift auf den Lieferwagen Werbung machten, dass man ISO 9000 zertifiziert sei. Wer es glaubt, wird selig.

Ich glaube nicht, dass die europäischen Kunden von Leiterplatten wirklich detailliert prüfen, ob chinesische Leiterplatten mit Zinn und Gold aus Quellen produziert wurden, die nicht zu den Konflikt-Quellen gehören.

Könnten die EMS die Herkunft einwandfrei prüfen?

Dazu las ich vor einigen Wochen einen Bericht eines Recycling-Betriebs, welcher sich damit brüstete, Gold mittels der Fremdverunreinigungen einwandfrei überprüfen zu können. Eine tolle Aussage, nur passt das nicht zu meiner Erfahrung in der Laboranalytik: Wenn Sie heute Leiterplatten mit einer Goldoberfläche einkaufen, ist diese Oberfläche in einem chemischen Nickelprozess (als Diffusionssperrschicht) und einer chemischen Goldschicht (ENIG) (Anm. d. Red.: Electroless Nickel Immersion Gold) produziert worden. Dies ist kein galvanischer Prozess, der Schichtdicken in beliebiger Dicke produzieren kann. Chemisch abgeschiedenes Gold ist ein sogenannter Austauschprozess, bei dem die Schichtdicke selbstkontrolliert auf eine Schichtdicke von 40 bis 120 nm limitiert ist. Das ist ungefähr 1/1000 der Dicke eines Menschenhaares. Mein Kenntnisstand besagt, dass in einer Röntgenfluoreszenzanalyse die Eindringtiefe des Röntgenstrahls so tief ist, dass nicht nur die Goldschicht, sondern auch die Nickelschicht und die darunter liegende Kupferschicht miterfasst wird. Ein eindeutiger Nachweis der Zusammensetzung des Goldes ist so nicht möglich. Ob dies mit dem chemischen Ablösen der Goldschicht und anschließender Analyse möglich ist, ist mir nicht bekannt.

Ich wage aber zu bezweifeln, dass ein eindeutiger Beweis für die Konformität in Bezug auf Konfliktmaterialien möglich ist, außer man kann die Herkunft anhand von Dokumenten eindeutig nachweisen, beziehungsweise jemals von den großen Kunden von Leiterplatten aus China konsequent durchgeführt wurde.

Zitat

Die Leiterplatte ist das größte Problem der Elektronikproduktion beim Thema Nachhaltigkeit.

Dieter G. Weiss, in4ma

Wo sehen Sie auf Materialebene einen Hebel für die Nachhaltigkeit in der Elektronik?

An dieser Stelle möchte ich mich weiter auf die Leiterplatte fokussieren. Das liegt an der Tatsache, dass dieses Bauteil für mich das größte Problem der Elektronikproduktion darstellt – aber das wird gerne geflissentlich verschwiegen, weil man dafür keine Lösung hat. Liest man gelegentlich über Elektronikrecycling, konzentrieren sich die Berichte ausschließlich auf das Recycling der Metalle auf der Leiterplatte und hier speziell Gold und Zinn. Dieses Recycling bringt einen echten Wertegewinn, denn diese Metalle sind so werthaltig, dass sich das Recycling rechnet. Was dann anschließend mit dem Basismaterial passiert, wird schlicht verschwiegen. Wiegen Sie mal eine bestückte Baugruppe, holen anschließend die Bauteile runter und schauen sich an was übrigbleibt. Es sind meist über 50%, außer Sie hatten dicke Trafos oder jede Menge Stecker und andere schwere Bauteile drauf.

Ich kenne heute nur einen Recyclingbetrieb im Harz, der wirklich ernsthaft an dem Thema arbeitet und es mit diversen Verfahren geschafft hat, die verschiedenen Fraktionen voneinander zu trennen; also auch die Glasfasern und das Epoxidharz der Leiterplatte. Probleme bereiten aber minimale Metallanteile im Epoxidharz, die eine Wiederverwendung als Basismaterial-Rezyklat heute verhindern und somit nur ein Downcycling möglich ist. Zudem landen bei dieser Firma weniger als 1% des Baugruppenabfalls. Befassen Sie sich mal intensiv mit dem Thema, wo der angeblich so toll wieder von den Elektrofachgeschäften (>400m² Ladenfläche) eingesammelte Elektro- und Elektronikschrott landet.

Da werden grob die werthaltigen Metalle rausgeholt, mehr nicht. Unsere tollen Klimaaktivisten sollten sich vielleicht mal an ein Elektronik-Altgerät drankleben, dann gibt es eventuell den Urlaub in Afrika anschließend kostenlos inklusive. Ein unbequemes Thema, nicht wahr? Aber so sind eben polarisierende Menschen wie ich, wir legen den Finger immer in die Wunde und immer dort, wo es am meisten weh tut.

Welchen Teil kann EMS zur nachhaltigen Elektronik beitragen?

Lassen Sie mich dazu erst einmal die Maßnahmen zum Thema Umweltschutz in drei Untergruppen einteilen:

  • Lebensdauer von Produkten
  • Wiederverwendbarkeit von Bauteilen
  • Abfallreduzierung durch Miniaturisierung

Das Problem bei Punkt 1 – auch wenn niemand es zugibt – viele Produkte haben heute eine gezielt eingebaute maximale Lebensdauer. Das fängt schon mit Produkten an, die eine fest installierte Batterie haben, die nicht austauschbar ist. Der Endverbraucher ist gezwungen, das Produkt wegzuwerfen, wenn die Batterie leer ist. Ein weiterer Schwachpunkt sind häufig die Kondensatoren. Ausgetrocknete Elektrolytkondensatoren oder sich aufblätternde Wickelkondensatoren gehören dazu. Ich selbst hatte einen Ein-Platinen-Computer mit Touchdisplay für eine Smart-Home-Anwendung, bei dem sich die Wickelkondensatoren nach sieben Jahren aufgeblättert haben. Der Hersteller hat sich geweigert die Kondensatoren auszutauschen und ich habe auch keinen Elektroniker gefunden, der mir helfen wollte. Also musste ich eine neue Platine mit Display kaufen. Zudem macht sich heute kein Kundendienst mehr die Mühe, bei der Reparatur einer Elektronik die Platine genauer anzuschauen, es wird sofort ausgetauscht.

Hier kommen auch die EMS ins Spiel: Viele bestücken heute nicht mehr nur Leiterplatten, sondern erstellen auch das Design und die Entflechtung der Schaltung. Damit nehmen sie auch Einfluss auf die Lebensdauer des Produkts. Sicher können Sie nicht alleine entscheiden und müssen sich die Genehmigung des Kunden einholen, aber ich wage zu bezweifeln, dass diesem Gesichtspunkt große Beachtung geschenkt wird.

Wie steht es um die Wiederverwendbarkeit von Bauteilen?

Das Thema Wiederverwendbarkeit ist gerade besonders aktuell, nachdem es im letzten Jahr eine Verknappung von Halbleitern gab. Da haben die EMS-Unternehmen teilweise viel Kreativität entwickelt, um an Halbleiter zu kommen. So kenne ich einen Fall, bei dem es massenhaft Demoplatinen für ein gewisses Projekt gab, die ein EMS sich besorgt hat, um die Halbleiter darauf auszulöten und dann in eine wichtige Kundenschaltung einzubauen. Gerüchteweise haben auch die Russen kriegsbedingt Haushaltsgeräte aus dem Westen aufgekauft, um wichtige Bauelemente, die im Rahmen der Handelssanktionen nicht mehr verfügbar waren, auszulöten und für wehrtechnische Produkte zu verwenden.

Diese Geschichte hat mich daran erinnert, dass man häufiger hört, dass Science-Fiction-Filme viele Dinge vorwegnehmen, die später in der Realität zu finden sind. Dazu gehört zum Beispiel „Star Wars Episode 1“, bei dem sich Anakin Skywalker eben geschickt aus Elektronikschrott neue Roboter zusammenbaut beziehungsweise damit Raumschiffe repariert. Gäbe es ihn, er wäre vermutlich Ehrenmitglied der Solderpunks.

Es wird vermutlich noch Generationen dauern, bis wir Produkte in einzelnen Modulen designen, bei denen die Teile problemlos untereinander ausgetauscht werden können und so zur Wiederverwendbarkeit von Elektronikprodukten beitragen.

Wie kann Miniaturisierung Elektroabfall reduzieren?

Das Thema der Miniaturisierung liegt mir besonders am Herzen, weil es eigentlich so einfach umzusetzen ist. Um dies zu veranschaulichen, brauche ich ein paar Zahlen: Viele Leiterplatten sind heute immer noch mit einer Standarddicke von 1,5 mm spezifiziert. Als ich das Thema vor 23 Jahren erstmals in einem Fachartikel aufgegriffen habe, waren es fast 100%. Das Basismaterial für doppelseitige Leiterplatten mit einer Enddicke von 1,5 mm wird dabei aus 8 Lagen eines 7628er Prepregs aufgebaut, wobei das 7628er Glasgewebe ein Nenngewicht von 200 g/m² hat. Der Harzgehalt liegt bei diesen Prepregs bei ca. 43%. Eine doppelseitige Leiterplatte nur noch mit einer Dicke von 0,7-0,8 mm zu spezifizieren würde bedeuten, dass nur noch 4 7628er Prepregs nötig sind. Damit hat man je m² Leiterplatte 800 g Glasgewebe und ca. 660 g Epoxidharz eingespart. Das ist sicherlich keine ultimative Lösung für Leiterplattenabfälle, reduziert aber den Abfall um 50% bzw. 1,46 kg Abfall je m² Leiterplatte. (Anm. der Red.: 2021 wurden laut Prismark etwa 700 Millionen m² Leiterplatten produziert. Angenommen, bei 50 % davon würde die oben vorgeschlagene Dicke umgesetzt, entspräche das einer Einsparung von über 5 Millionen kg Abfall)

Wenn Sie sagen, es ist „eigentlich“ einfach umzusetzen, warum sind wir dann nicht weiter?

Es gibt zu diesem Thema immer noch viele Bremser, insbesondere auch bei den ganz großen OEMs in Deutschland. Die dümmste Ausrede, die ich in dem Zusammenhang in meinem Berufsleben gehört habe, war, dass die Baugruppen, die in Schaltschränken verbaut werden, in den Einschubleisten wackeln würden. Menschen, die nur wissen was nicht geht, sind das größte Problem bei der Verbesserung des Umweltschutzes. Solche Mitarbeiter habe ich früher in meiner aktiven Zeit als Unternehmer versucht schnell loszuwerden in der Hoffnung, dass sie dann ihr Unwesen beim Wettbewerb treiben. Das ist mir teilweise auch geglückt.

Zitat

Menschen, die nur wissen was nicht geht, sind das größte Problem bei der Verbesserung des Umweltschutzes.

Dieter G. Weiss, in4ma

Welche Möglichkeiten der Miniaturisierung gibt es noch in der Elektronik?

Es ist nicht nur die Basismaterialdicke, die Ansatzpunkte bietet, sondern auch die Größe der Schaltung selbst. Als Anfang der 90er Jahre die SMT-Technologie eingeführt wurde, wurden die Schaltungen schon zwangsläufig kleiner. Aber dieser Weg ist bei weitem noch nicht ausgereizt. Die weitere Reduzierung von Leiterbreiten und Abständen in Verbindung mit Blind- und Buried Vias reduziert die Schaltung in X/Y-Richtung teilweise massiv. War vor 30 Jahren der Standard bei 300 µm, ist er heute zwischen 100 und 150 µm und vereinzelt bei 25 bis 50 µm. Auch bei den SMD-Bauteilen haben sich die Bauformen massiv weiter reduziert und viele EMS beherrschen bereits die Baugröße 01005 nach EIA-Standard.

Aber auch bei kompletten Modulen bzw. Systemen hat die Technik bewiesen, dass es kleiner geht. Zum Beispiel im Bereich der Konsumelektronik, wo vor 40 Jahren Stereoanlagen verkauft wurden, die in Standardmodulen mit Abmessungen von 42x28x12cm verbaut waren und eine Anlage aus Tuner, Verstärker und Kassettendeck (später CD-Player)-Modulen bestand. Machte man das Gehäuse ab, war man verwundert, wie klein die Elektronik darin war. Es galt die Philosophie, man müsse die Geräte so groß bauen, um eine gewisse Wertigkeit vorzutäuschen. Auch bei Standard-PCs haben viele Menschen noch die großen Trümmer unter dem Schreibtisch stehen – vielleicht sogar noch mit Floppy Disk-Laufwerk. Es gibt definitiv auch heute noch Geräte, die bewusst größer gebaut werden, um dem Kunden eine gewisse Wertigkeit zu suggerieren.

Zudem besteht die Möglichkeit des Re-Designs von Schaltungen, um noch mehr Funktionen auf die Halbleiterebene zu packen. Teilweise ist hier auch über den Einsatz von ASICs nachzudenken, allerdings läuft das dann konträr zur Wiederverwendbarkeit von Bauteilen. Hier können Ihnen aber Halbleiterspezialisten noch jede Menge weitere Möglichkeiten aufzeigen, ich selbst bin da zu lange aus dem Geschäft raus.

Wie hat die EMS-Branche in Ihren fast 45 Berufsjahren ihre Position zur Nachhaltigkeit geändert?

Leider sind meine Erfahrungen, dass Veränderungen immer mindestens eine Generation dauern. Da ich schon einige Generationen hinter mir habe – ich gehöre zur Generation der Baby-Boomer, die heute für alles Negative verantwortlich gemacht werden – habe ich hier einiges gesehen. Es würde jedoch einen Roman füllen, um dies alles aufzuführen.

Was ist Ihrer Meinung nach das größte Problem, das nachhaltige Elektronik bisher verhindert hat?

Die Profitgier der OEMs, wo die meisten Produkte und Marketingstrategien entwickelt werden. Das Apple iPhone war für mich immer ein gutes Beispiel. Bedenken Sie mal, wie viele ehemalige Geräte dieses Mobiltelefon heute beinhaltet und stellen sich den Berg an Geräten neben dem iPhone vor. Es gibt kein besseres Beispiel wie man Elektronikschrott reduzieren kann. Dann aber kommt der Profitmaximierungsgedanke von Apple und die Aktivitäten der Marketingabteilung, dem Endkunden zu suggerieren, dass er spätestens alle zwei Jahre ein neues Gerät braucht. Dies schafft man, indem man immer mehr Features hinzufügt, gleichzeitig mehr Apps entwickelt, die Software immer komplexer gestaltet und so die Speicherkapazität irgendwann am Ende ist und sich der Konsument gezwungen fühlt, ein neues Gerät zu kaufen. In Summe hat der Elektronikschrott für die substituierten Produkte zwar abgenommen, dafür aber der Schrott an Mobiltelefonen exponentiell zugenommen.

Meiner Meinung nach kann mehr Nachhaltigkeit nur über ein verändertes Bewusstsein schon bei den Konsumenten erzeugt werden. Das schafft man bei älteren Menschen kaum noch, sondern muss bereits in den Schulen ansetzen und dort die Problematik des ungebremsten Konsums und die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit an praktischen Beispielen aufzeigen.

Kann nachhaltige Elektronik überhaupt bezahlbar sein?

Definitiv, oft ist sie sogar preiswerter – wenn auch nicht auf den ersten Blick. Fragen Sie einmal eine gut situierte Hausfrau – also keine, die jeden Cent umdrehen muss – welche Haushaltsgeräte sie am liebsten kauft. In meinem Bekanntenkreis ist das eine einstimmige Meinung, nämlich Geräte aus Gütersloh, sprich Miele. Insbesondere die Waschmaschinen genießen einen extrem guten Ruf bezüglich Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Natürlich sind die Geräte bis zu 100% teurer als Billigware, aber sie halten eben auch teilweise bis zu 4- bis 5-mal so lange. Als meine Schwiegermutter starb, holten wir aus ihrem Haushalt eine Waschmaschine aus Gütersloh, die war 40 Jahre alt und funktionierte einwandfrei. Da war in den 40 Jahren nur einmal eine Pumpe ausgetauscht worden, ansonsten nichts. Diese Maschine habe ich sogar noch für 50 Euro verkaufen können. Das ist Nachhaltigkeit! In der Erstanschaffung muss man durchaus mehr Geld für nachhaltige Geräte ausgeben, aber wenn diese Geräte dann eine extrem lange Lebensdauer haben und ich nicht jede neue Entwicklung mitmache – etwa die Waschmaschine von unterwegs mittels Handys einzuschalten –, dann spart man viel Geld und schützt die Umwelt.

Und ja, auch hier muss ich wieder auf dem Thema Miniaturisierung rumreiten: Wenn Elektronik kleiner wird, dann werden zwar einzelne Bauteile teurer, aber dafür andere, z.B. Leiterplatten, Gehäuse etc., billiger. Nehme ich dann noch die Entsorgungskosten in die Rechnung mit rein, wird es in Summe immer billiger sein. Positiver Nebeneffekt: auch die Schrottmengen werden dadurch weniger.

Wie ist Ihre Meinung zur Initiative der Solderpunks?

Ich finde grundsätzlich alle Initiativen gut, die zur Verbesserung der Umweltproblematik beitragen. Leider haben die Ansätze der Solderpunks bei weitem nicht die Durchschlagkraft, die wir benötigen, um die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz zu verbessern. Wir müssen den Umweltgedanken in allen Mitarbeitern implementieren, die in dieser Industrie arbeiten. Aber wie gesagt, meiner Erfahrung nach dauert das leider eine ganze Generation.

Dementsprechend muss ich aber die Umweltaktivisten, die sich auf Straßen festkleben auf das Schärfste verurteilen. Das ist nur Protest, ohne selbst zu Verbesserungen beizutragen. Da werden zudem literweise organische Lösungsmittel auf die Straße gekippt, um den Kleber aufzulösen. Schon alleine für diese Umweltverschmutzung gehören die Leute verklagt, auch wenn es die Ordnungskräfte sind, die die Lösungsmittel benutzen.

Ein viel besserer Ansatz für die jungen Leute wäre es, Ingenieurswissenschaften oder Naturwissenschaften zu studieren und dann in die Betriebe zu gehen und aktiv an Verbesserungen mitzuarbeiten. Sich auf der Straße festzukleben, bewirkt außer Verkehrsstau nichts und ist einfach nur eine sinnlose Aktion. Zudem gibt es auch bei Verbänden Initiativen, bei denen man mitarbeiten kann, so z.B. die „IPC Strategic Initiative: Sustainability“

Haben Sie Hoffnung, wenn Sie an die Zukunft denken?

Wer keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft mehr hat, der sollte sich erschießen, denn solch ein Gedanke ist doch nicht zu ertragen. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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