Automatic Rework bei Ersa

State-of-the-art Rework-System im Einsatz: Fortschrittliche Technologie ermöglicht präzise Reparaturen und Upgrades von Elektronikbaugruppen und unterstützt die Nachhaltigkeit durch das Minimieren von Elektroschrott. (Bild: Ersa)

Es gibt viele Ursachen für die Nacharbeit an elektronischen Baugruppen. Sie sind so vielfältig wie die Elektronik selbst. Folgende Gründe treten häufig auf und führen zum Rework:

  • Es liegt ein Defekt am Bauteil vor.
  • Es wurde das falsche Bauteil bestückt.
  • Das Bauteil wurde in der falschen Orientierung bestückt.
  • Ein Bauteil wurde schlecht gelötet (Brücken, offene Lötstellen usw.).
  • Ein Bauteil ist falsch programmiert.
  • Ein Bauteil wird für die Wiederverwertung gesichert (Recycling).
  • An der Baugruppe wird eine Änderung vorgenommen (Redesign).
  • Baugruppe wird als Muster aufgebaut und ein oder mehrere Bauteile werden nachbestückt (Prototyping).
  • An der Baugruppe werden Tests vorgenommen, z.B. Kreuztausch (Testing).
  • Daten eines Bauteils aus einer defekten Baugruppe müssen gesichert werden (Forensik).
  • Leistungsfähigere, kompatible Bauteile in einer Schaltung einsetzen (Upgrading).

In der Regel ist es das Ziel der Hersteller oder Anwender, den Ausschuss an Platinen zu minimieren, um Kosten zu sparen. Mittlerweile rücken aber auch Aspekte der Nachhaltigkeit stärker in den Fokus. Denn die Vermeidung von Elektroschrott spart nicht nur Geld, sondern schont auch Ressourcen und die Umwelt. Trotz verbliebener Vorbehalte in einigen Branchen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass qualifizierte Nacharbeit technisch wie wirtschaftlich sinnvoll ist. In allen Fällen ist es Ziel der Nacharbeit, eine funktionsfähige und zuverlässige Baugruppe zu erhalten.

HR 600 XL erweiterbar mit Auto Scavenger und vergrößerter Untenheizung
HR 600 XL erweiterbar mit Auto Scavenger und vergrößerter Untenheizung (Bild: Ersa)

Im Video: Ersa Rework System - Auto Scavenger für effektive Lotentfernung bei der Bauteilreparatur

Für eine erfolgreiche Baugruppenreparatur werden sowohl Fachkenntnis hinsichtlich Lötprozess als auch die notwendige Ausrüstung benötigt. Seit einigen Jahren zeichnet sich hierbei ein deutlicher Trend zur weiteren Automatisierung der Abläufe ab. Qualifiziertes Personal ist auch in der Elektronikproduktion immer schwieriger zu finden, die Rework-Systeme sollen möglichst viele Aufgaben automatisch ausführen können.

Automatisierter Reparatur-Ablauf

Über Jahre hinweg war die professionelle Baugruppenreparatur nur etwas für absolute Experten. Bei Reworkgeräten einiger Hersteller musste man umfangreiche Messungen durchführen, bevor man sich an die erste Live-Reparatur heranwagen konnte. Ersa hat diese Schwachstelle früh erkannt und für die Aus- und Einlötprozesse die Temperaturregelung unmittelbar am Bauteil eingeführt. Somit ist nach Vorgabe eines Sollprofils bereits bei der ersten zu reparierenden Platine ein sicherer Wärmeprozess gewährleistet. Die Temperatur wird dem Profil nachgeführt und das Zielbauteil automatisch entnommen.

Gleichzeitig verfügen die automatischen Rework-Systeme von Ersa über eine ausgefeilte Systematik, um neue Bauteile präzise auf der Baugruppe zu platzieren. Dazu werden Bauteilanschlüsse und die Landeflächen auf der Platine mit Hilfe von Kameras aufgenommen und die Zielposition berechnet. Ein präzises Achssystem sorgt für die exakte Positionierung des neuen Bauteils. Inzwischen hat sich sogar eine vorgelagerte, automatisierte Benetzung der Bauteile mit Flussmittel oder Lotpaste zum Standard entwickelt. Der Anlagenbediener muss lediglich die Baugruppe und das neue Zielbauteil bereitstellen sowie den zugeordneten Datensatz auswählen, um den Prozess zu starten. Während der einzelnen Prozessschritte, die das Gerät autonom ausführt, kann sich der Operator anderen Aufgaben widmen.

Erweiterungsfähige Rework-Plattform

In der Kommunikationselektronik und der IT-Infrastruktur entstehen – wie in vielen Bereichen der Elektronik – immer leistungsfähigere Platinen mit hochwertigen Bauteilen. Besonders in den genannten Bereichen macht sich eine erfolgreiche Reparatur sehr schnell bezahlt. Zu diesem Zweck hat Ersa seine Rework-Plattform HR 600 XL so konzipiert, dass sie modular erweiterbar ist.

Draufsicht HR 600 XL mit erweiterter Untenheizung
Draufsicht HR 600 XL mit erweiterter Untenheizung zur Bearbeitung besonders großer Baugruppen. (Bild: Ersa)

Die Bearbeitung großer Baugruppen wurde mit der erweiterbaren Untenheizung und einer dazu passenden Leiterplatten-Aufnahme auf Board-Größen von bis zu 650 x 1.250 mm ausgelegt. Die Matrixheizung erlaubt es, die enorme Heizungsfläche den Abmessungen der Baugruppe anzupassen und die Leistungsverteilung der Vorheizung exakt auf die Anwendung zu dimensionieren.

Mit Hilfe von wechselbaren Heizköpfen kann das System an die jeweiligen Kundenbedürfnisse angepasst werden. Die Anwender können sich für unterschiedliche Heißkopfgrößen entscheiden – je nach Bauteilgröße und Energiebedarf. Mit dem größten Heizkopf mit 150 x 120 mm Wirkfläche und 2.800 Watt Gesamtleistung können sowohl sehr große Bauteile aus- und eingelötet als auch ein besonders schonender Prozess im Bereich Upgrading durchgeführt werden. Einige OEM-Hersteller verfolgen die Strategie, bestehende Baugruppen durch die Ausstattung mit leistungsfähigeren Bauteilen upzugraden. Hierbei ist zu beachten, dass die Baugruppe möglichst schonend behandelt wird und so wenige zusätzliche Wärmeprozesse wie möglich durchlaufen muss. Mit einem großen Heizkopf und einer Doppeldüse können zwei Bauteile in einem gemeinsamen Wärmeprozess ausgelötet werden. Anschließend werden die Anschlussflächen beider Bauteile vorbereitet, zwei neue Komponenten platziert und diese wiederum mit einem gemeinsamen Wärmeprozess eingelötet. Neben der schonenden Behandlung der Materialien spart dieses Vorgehen auch Prozesszeit und erhöht so die Produktivität.

XL-Heinkopf Ersa HR 600 XL
Links: Der XL-Heizkopf des Ersa HR 600 XL eignet sich für Bauteile bis zu 150 x 120 mm Kantenlänge oder zum gleichzeitigen Aus- oder Einlöten von zwei BGA-Bauteilen.Rechts: Die Vakuum-Doppeldüse am Heizkopf des HR 600 XL erlaubt es, zwei Bauteile in einem Prozess zu entlöten. (Bild: Ersa)

Zusätzliche Funktionen für Restlot und Messung

Für die Plattform HR 600 XL stehen inzwischen zusätzliche Funktionen zur Verfügung, die einen weiteren Fortschritt für die automatisierten Abläufe darstellen. Sie sind auch an bestehenden Systemen nachrüstbar. Nach dem Entlöten eines Bauteils muss in der Regel verbliebenes Restlot von der Platine entfernt werden. Mit dem „Auto Scavenger“-Modul steht dafür nun eine voll integrierte Funktionseinheit zur Verfügung. Unmittelbar nach Entfernen des Bauteils wird die Absaugdüse des Auto Scavenger über der Platine abgesenkt und das Restlot automatisch kontaktlos abgesaugt. Hierbei wird die Baugruppe mittels Untenheizung auf Temperatur gehalten und über eine Heißgasdüse das verbliebene Lot umgeschmolzen. Da der Auto Scavenger ein eigenständiges Modul ist, entfällt für den Anwender die Rüstzeit.

„Auto Scavenger“-Modul am HR 600 XL
„Auto Scavenger“-Modul am HR 600 XL (links) zur berührungslosen Restlotentfernung auf einer Baugruppe. (Bild: Ersa)

Und auch bei der Temperatur-Erfassung gibt es Neuigkeiten: Zusätzlich zu den bewährten und genauen Temperatursensoren (K-Typ-Thermoelemente) kann das System nun mit einem berührungslosen Sensor (Virtual Thermocouple, kurz Virtual-TC) ausgestattet werden, um die Lötprozesse exakt zu regeln. Dabei liegt die Raffinesse im Detail: Üblicherweise messen optische Sensoren unterschiedliche Temperaturen – je nachdem, wie die Oberfläche des Bauteils beschaffen ist. Ersa beschreitet daher einen sicheren Weg und lernt den Virtual-TC initial auf die Temperatur eines Referenz-Thermoelements ein. Alle nachfolgenden Lötvorgänge an der gleichen Baugruppe werden dann unter Verwendung des berührungslosen Sensors sicher gefahren. Hier entsteht vor allem für Kunden, die viele gleiche Baugruppen bearbeiten, ein enormer Vorteil, denn das wiederholte Anlegen eines Thermoelements kann künftig entfallen.

Abheben eines BGA
V.l.n.r.: Abheben eines BGA – Beginn und Fortschritt der Lotabsaugung bis zur vollständigen Entfernung (Bild: Ersa)

Über die systemübergreifende Software-Plattform HRSoft 2 werden alle Ersa Rework-Geräte gesteuert und bedient. Sämtliche Prozessparameter werden zentral gespeichert und es bestehen Schnittstellen zu Manufacturing-Execution-Systemen (MES), um Prozessdaten auszutauschen. Somit ist der Weg zur weiteren Automatisierung von Rework-Prozessen klar vorgezeichnet und wird von Ersa als einem führenden Hersteller in diesem Produktsegment konsequent weiterverfolgt. Auf der productronica 2023 in München werden diese Neuerungen sowohl für das HR 600 XL zu sehen sein und gleichzeitig am HR 600 P präsentiert. Dieses neue, hochautomatisierte Rework-System richtet sich an Kunden mit besonders kleinen Bauteilen bis zur Chipgröße 01005. Alles in allem ist Ersa beim Thema Rework bestens aufgestellt und bietet neben automatisierten Systemen auch teilautomatisierte bzw. handgeführte Rework-Systeme – so sind alle Anwendungen in puncto Rework je nach Bedarf optimal abgedeckt!

productronica 2023: Halle A4, Stand 162/171

Highlights Automatisierung:

  • geregelte „Closed loop“-Lötprozesse
  • automatische Bauteilplatzierung
  • automatische Flux-Dip-Funktion
  • Doppeldüse für Prozessoptimierung
  • Restlot-Entfernung mit Auto Scavenger
  • berührungslose Temperaturmessung mit Virtual Thermocouple
  • HRSoft 2 – Prozessführung und Prozessdatenerfassung mit MES-Anbindung
Jörg Nolte, Ersa
(Bild: Ersa)

Jörg Nolte

Produktmanager Rework & Inspektion, Ersa GmbH, Wertheim

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