Noch kann sich der VDMA freuen, sorgte der Euroraum für Schwung zum Jahresende 2016. Im November 2016 übertraf der Auftragseingang im Maschinen- und Anlagenbau sein Vorjahresniveau um real 5 Prozent. Sowohl die Inlandsnachfrage (plus 3 Prozent) als auch die Bestellungen aus dem Ausland (plus 5 Prozent) trugen zu diesem Wachstum bei. Besonders erfreulich war der Zuwachs der Auftragseingänge aus den Euro-Partnerländern um 7 Prozent. Denn hier hatte in den Monaten zuvor häufig Flaute geherrscht. „Dieser Anstieg kommt keineswegs überraschend, denn seit August 2016 zieht der Einkaufsmanagerindex der Eurozone wieder an“, erläuterte VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann.
Das Plus im Bestelleingang sei „ein erster Reflex auf die kräftige Erholung dieses Geschäftsklimaindikators. Im Drei-Monats-Vergleich (September bis November) resultierte ein Minus der Bestellungen um real 2 Prozent zum Vorjahr. Während die Aufträge aus dem Inland um 2 Prozent zulegen konnten, sanken die Bestellungen aus dem Ausland in dieser Periode um 4 Prozent. In den ersten elf Monaten des Jahres erreichte die Produktion im Maschinenbau mit plus 0,1 Prozent einen kleinen Zuwachs gegenüber dem Vorjahreswert. „Die bereits im Hebst 2015 aufgestellte Prognose einer Stagnation in 2016 bleibt daher auch weiterhin realistisch“, resümiert Wortmann.
Die Abschottungspolitik der USA sorgt für Unruhe
Doch mit seiner rasanten Abschottungspolitik treibt der kaum in Amt und Würden getretene US-Präsident erfahrenen Europapolitikern die Sorgenfalten ins Gesicht. Der harsche Ton gegenüber der EU lässt die Frage zu, ob der starke Mann in Washington auf eine Spaltung der EU setzt. Seine polternde Art fällt in eine hochsensible Phase der EU, die deutlich geschwächt ist. Die britische Premierministerin hat in einer Grundsatzrede nicht nur den harten Bexitaustritt angekündigt, sondern auch die europäischen Partner unter Druck gesetzt.
Auch das Erstarken von Rechtspopulisten in zahlreichen Mitgliedsländern schwächt die Einheit Europas. Und an den äußeren Rändern der EU schwelen Krisenherde, während sich Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem geplanten Präsidialsystem auf die Alleinherrschaft vorbereitet, wodurch die Demokratie in der Türkei in die Knie gezwungen wird.
Bereits in der ersten Amtswoche hat der US-Präsident das Freihandelsabkommen TPP gestoppt, die Neuverhandlung von Nafta angekündigt und sowohl US-amerikanischen (Ford) als auch ausländischen Unternehmen wie etwa BMW, die ihre Produkte anderswo herstellen und in den USA verkaufen, mit heftigen Strafzöllen gedroht. Dass es ihm mit den Protektionismus ernst ist, hat er am Handelspartner Argentinien gezeigt, als er bereits am ersten Arbeitstag über das US-Landwirtschaftsministerium die erst im vergangenen Dezember 2016 erteilte Erlaubnis auf Eis legte, mit der argentinische Firmen Zitronen in die USA exportieren dürfen. Argentinien und die USA lieferten sich in der Vergangenheit einen erbitternden Handelskrieg. Unbestritten, dass dieser auch weiterhin toben wird.
In Anbetracht dessen ist der VDMA davon überzeugt, dass Donald Trump mit dem Feuer spielt, verdeutlicht VDMA-Präsident Carl Martin Welcker: „Die Androhung von Strafzöllen, egal für welche Industrie und welches Land, sorgt für weitere Investitionszurückhaltung, die im Maschinenbau bereits spürbar wird. US-Präsident Trump will ausländische Unternehmen zu Investitionen in seinem Land zwingen. Letztlich bedeuten Zölle und Protektionismus jedoch, dass Produkte insbesondere in den USA teurer werden.“ Für Welcker steht außer Frage, dass auf diesem Wege Kostenvorteile für die US-Wirtschaft verlorengingen, die auf Produktion und Zulieferung aus anderen Ländern beruhten. „Der amerikanische Senat und das Repräsentantenhaus sollten alles dafür tun, diesen wirtschaftspolitischen Kurs des neuen Präsidenten rasch zu ändern“, mahnt er und unterstreicht: „Trump rüttelt mit seinen Worten an den bisherigen Gewissheiten der transatlantischen Beziehungen. Europa ist gefordert, mit einer Mischung aus Ruhe und Klarheit die Stimme der Vernunft zu übernehmen.“ Eine Welt mit weniger Handel bedeutet zumindest teilweise höhere Preise für viele Produkte.
Etwa ein gutes Drittel des amerikanischen Marktvolumens wird durch den Import von Maschinen gedeckt. Denn in vielen Maschinenbausektoren gibt es kein international wettbewerbsfähiges US-Angebot mehr, berichtet der VDMA. Maschinenlieferungen aus Deutschland liegen an vierter Stelle und haben einen wesentlichen Anteil an der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie. „Unsicherheit führt zu Investitionszurückhaltung. Erste Vorboten dafür könnten die Maschinenlieferungen in die USA sein, deren Rückgang sich im Herbst 2016 noch beschleunigt hat“, prognostiziert daher Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer vom VDMA. Von Januar bis Oktober 2016 gingen die Exporte in die USA um 3,4 Prozent zurück, im Zeitraum August bis Oktober sanken die Maschinenausfuhren sogar um 5,8 Prozent.
„Die Vereinigten Staaten werden auch 2017 der größte Einzel-Exportmarkt für den deutschen Maschinenbau bleiben. Und niemand kann sagen, welchen Einfluss der neue amerikanische Präsident jetzt schon auf den Welthandel hat“, bekräftigt Brodtmann. „Sicher ist aber, dass Protektionismus und neue Handelsschranken am Ende weder den USA noch den Handelspartnern der Vereinigten Staaten neue Arbeitsplätze oder zusätzliches Wachstum bringen werden. Insofern spielt Präsident Trump mit dem Feuer“, ist er sich sicher. Dennoch: Die USA bleiben auch 2017 größter Absatzmarkt für den Maschinenbau.
Halbleiter: Reifer Markt, mäßiges Wachstum
Stefan zur Verth wagt indes nicht den Blick in die Glaskugel, hinsichtlich dessen, wie sich die derzeitige US-Politik auf den Halbleitermarkt auswirken wird. Vielmehr sieht er in China den neuen Stern am Halbleiterfirmament, da sich das Reich der Mitte anschickt, im hohen Tempo hochqualifizierte Akademiker auszubilden, wobei etwa 50 Prozent aus den MINT-Fächern kommen werden. Dadurch würde China in die Lage versetzt, den Weltmarktanteil deutlich ausbauen zu können: „Im Jahr 2000 hatten chinesische Firmen noch 0 Prozent Anteil am Halbleiter-Weltmarkt, in 2015 waren es bereits 3 Prozent, mit steigender Tendenz“, erläutert Vorsitzende der Fachgruppe Halbleiter-Bauelemente im ZVEI-Fachverband Electronic Components and Systems.
Weltweit stagniert der Mikroelektronikumsatz im Jahr 2016 bei fast 335 Mrd. Dollar zum Jahresende. Für 2017 rechnet zur Verth wieder mit einer Umsatzsteigerung von 3,3 Prozent auf knapp 346 Mrd. Dollar. „Der Halbleitermarkt hat sich mittlerweile zu einem sogenannten ‚reifen Markt‘ entwickelt. Dessen Wachstumsraten sind im Wesentlichen von neuen Applikationen und von der konjunkturellen Entwicklung abhängig“, erläutert zur Verth. „Seit 2010 beobachten wir ein gemitteltes jährliches Wachstum von knapp 2 Prozent.“
Hingegen sieht zur Verth eine Delle in der Umsatzentwicklung des deutschen Halbleitermarkts: Für 2016 erwartet er einen Rückgang um 4,4 Prozent auf 11,4 Mrd. Euro. „Mit einem nahezu gleichgroßen Rückgang auf Dollarbasis von 4 Prozent geht der deutsche Halbleitermarkt im Jahr 2016 voraussichtlich stärker zurück als der weltweit stagnierende Halbleitermarkt.“ Für 2017 rechnet zur Verth mit einem Inlands-Wachstum von gut 3 Prozent auf knapp 12 Mrd. Euro. In der Region Europa/Naher Osten/Afrika (EMEA) weist der Halbleitermarkt im laufenden Jahr einen Umsatzrückgang von voraussichtlich 5 Prozent auf knapp über 32,5 Mrd. Dollar aus. 2017 kann dieser Halbleitermarkt um 3 Prozent auf gut 33,5 Mrd. Dollar wachsen, gibt sich zur Verth optimistisch.
Sensorik/Aktorik ist eine europäische Stärke
Weltweit das größte Wachstum von über 20 Prozent zeigte im Jahr 2016 das Halbleiter-Produktsegment Sensorik/Aktorik. In den kommenden Jahren wird dieses Segment weiterhin am stärksten zunehmen. Stefan von Verth begründet dies damit, dass der Automobilbereich in den letzten Jahren zwar nur einstellig gewachsen sei, aber dafür stabil im positiven Bereich.
Die höher werdende Elektrifizierung des Autos, aber auch die wachsende Nachfrage nach Elektroautos beflügele – zumindest zart – den hiesigen Halbleitermarkt, erläutert er und macht auf einen weiteren Marktsegment aufmerksam: „Sensoren stellen ein Bindeglied zwischen der ‚realen‘ Welt und der Elektronik dar. Durch zunehmende Abbildung der ‚realen‘ Welt in der Elektronik wie IoT und Industrie 4.0 liegt die Wachstumserwartung von Sensoren oberhalb anderer Produktbereiche.“ Nahezu jeden zweiten Sensor/Aktor liefern derzeit Unternehmen mit Firmensitz in Europa. Allerdings hat dieses Segment 2016 mit knapp 11 Mrd. US-Dollar noch den kleinsten Anteil am weltweiten Halbleitermarkt.
Japan und die Region EMEA stellen mit einem Anteil von jeweils zehn Prozent die umsatzschwächsten Regionen des gesamten Halbleitermarkts dar. „Der Marktanteil unserer Region ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Jedoch hat der europäische Markt gute Chancen, sich auf diesem Niveau zu stabilisieren“, so zur Verth. Mit über 60 Prozent Weltmarktanteil ist Asien/Pazifik auch im Jahr 2016 weiterhin die umsatzstärkste Region, wovon alleine auf China mit 32 Prozentpunkten mittlerweile die Hälfte dieses Anteils entfällt. Die zweitstärkste Region Nord- und Südamerika hat mit 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht Marktanteile verloren.
Leiterplatten auf stabilem Niveau
Keine Frage: Die Musik spielt in Asien, mehr noch in China, wenn es um die Massenproduktion von Leiterplatten geht. Michael Gasch, Branchenanalyst und Geschäftsführer von Data4PCB. „Die europäische Leiterplattenindustrie ist gekennzeichnet durch kleine und mittelständische Betriebe, wovon etwa 80 Prozent einen jährlichen Umsatz von weniger als 10 Mio. Euro generieren. Sie tragen jedoch 30 Prozent zum europaweiten Umsatz bei“, erläutert er.
Demnach ist der Umsatz für komplexe Leiterplatten wie HDI, flexible und Starrflex-Leiterplatten in Europa seit 2010 von 488 Mio. Euro auf 588 Mio. Euro. gestiegen. Wenngleich die Leiterplatte stets und auch weiterhin ein sehr individuelles, auf die Endapplikation adaptiertes Produkt bleiben wird, gestalten sich die Ausblicke und Trendanalysen durch wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten immer schwieriger, gibt Gasch zu bedenken.
Die momentane US-Politik, der harte Brexitaustritt und die anhaltenden Krisenherde im Nahen Osten können das Konsumverhalten und damit die Nachfrage beeinflussen. „Die Jahre 2016 und 2017 werden sowohl auf globaler als auch europäischer Ebene in etwa dem Jahr 2015 ähneln“, wagt er die Prognose.
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