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Das Garagentor per Smartphone öffnen, die Glühbirne mit einem Klick dimmen oder auf dem Heimweg die Heizung ansteuern: Immer mehr Elektrogeräte sind smart und vernetzt. Nur durch das eng verknüpfte Zusammenspiel von Betriebssystemen mit der Hardware lassen sich Funktionen steuern und Informationen nach außen kommunizieren. Beim Kauf eines Produkts hofft man auf eine möglichst lange Nutzungsdauer. Was aber, wenn es trotz funktionsfähiger Hardware unbrauchbar wird? In einer Studie für das Umweltbundesamt untersuchte das Fraunhofer IZM mit Partnern die Ursachen für softwarebedingte Obsoleszenz und leitet Handlungsoptionen für die Politik ab.

Seit einigen Jahren steigt die Anzahl von smarten Elektrogeräten und vernetzten Systemen im Alltag und den Haushalten rasant an. Damit nimmt auch das Risiko von Software-Obsoleszenz zu, das heißt, der Verkürzung der Nutzungs- und Lebensdauer eines technisch funktionalen Geräts aufgrund von Software. Verkürzte Produktlebensdauern stellen wiederum ein Umweltproblem dar, daher ist umweltpolitisches Handeln geboten.

Mit steigender Digitalisierung wächst das Risiko software-basierter Obsoleszenz.
Mit steigender Digitalisierung wächst das Risiko software-basierter Obsoleszenz. (Bild: Technische Universität Berlin)

Mit dem Fokus auf Obsoleszenzrisiken im Bereich Kompatibilität, Funktionalität und Sicherheit wurden sowohl empirische Fälle von Software-Obsoleszenz als auch exemplarische Fälle unterschiedlicher Wirkungszusammenhänge von Software und Hardware untersucht. Es zeigt sich, dass Software-Obsoleszenz öffentlich bereits wahrgenommen wird, aber noch nicht weit verbreitet ist. Dennoch zeigen Trendanalysen, dass vor allem SmartHome-Systeme und damit komplexe Obsoleszenzrisiken in den nächsten Jahren zunehmen werden. Die größte Herausforderung besteht jedoch nicht in technisch-physikalischer Hinsicht, sondern vor allem in den wirtschaftlichen und organisationalen Bedingungen, die zum frühzeitigen Ausfall der Software sowie ganzer Produktsysteme führen, wie das Einstellen von technischem Support oder die fehlende Kompatibilität verschiedener Systeme. Regulatorische Maßnahmen, wie die Definition von Mindestanforderungen an Software für den Marktzugang und die Verpflichtung zu Transparenz auf Seiten der Anbieter, sind somit genauso nötige wie wirkungsvolle politische Instrumente. Gleichzeitig besteht weiterhin Forschungsbedarf, vor allem im Hinblick auf technische, wirtschaftliche und rechtliche Folgenabschätzungen.

Was bedeutet softwarebedingte Obsoleszenz ?

Es fehlt bisher an einer formalen Definition von Software-Obsoleszenz, und das Phänomen ist derzeit nur wenig wissenschaftlich untersucht. In der vorhandenen Fachliteratur konnten bis heute zwar bereits verschiedene zentrale Wirkprinzipien identifiziert werden, eine generelle Definition zur besseren Ab- und Eingrenzung des Forschungsgegenstands und des Problemfelds fehlt bisher jedoch. Außerdem muss beachtet werden, dass Software keinem direkt beobachtbaren physischen Verschleiß unterliegt. Software-Obsoleszenz ist daher ein Sammelbegriff für Phänomene, bei denen die Qualität einer Software bis zu einem Grad abnimmt, bei der das mit ihr verbundene Produktsystem für eine signifikante Anzahl von Nutzenden nicht mehr hinreichend seine zugedachte Funktion erfüllt. Software-Obsoleszenz wird ausgelöst durch die Software selbst (direkt) oder sich ändernden Anforderungen an die funktionalen und nicht-funktionalen Eigenschaften der Software (indirekt).

Als drei zentrale Wirkungskategorien legen die Forschenden nun bei der Analyse der einzelnen Produktgruppen die Sicherheit, Funktion und Kompatibilität des Systems fest. Wird eine dieser Funktionen beeinträchtigt, wird von softwarebasierter Obsoleszenz gesprochen. Die unterschiedlichen Einzelfälle weisen die Forschenden auf einen Zielkonflikt des Phänomens hin: Durch neue Anforderungen an das Gerät befindet sich die Software und damit das Gesamtsystem in ständiger Veränderung. Doch genau dabei können unsichtbare Mängel entstehen.

Software-Obsoleszenz als kommendes Problem

Bisher legte die Forschungs-Community bei Lebensdaueruntersuchungen ihr Augenmerk auf Alterungs- und Verschleißprozesse der elektronischen Bauteile, die Software blieb so gut wie unbeobachtet. Doch auch die Software kann Grund dafür sein, dass die Lebensdauer von Elektronikgeräten verkürzt wird und somit zum steigenden Elektroschrott beiträgt.

Der Grundgedanke ist folgender: Eine Software hat eine bestimmte Qualität und Funktionen, die sie erfüllen soll. Ändern sich jedoch Anforderungen, zum Beispiel zu anderen Geräten oder Sicherheitsanforderungen, können sich diese qualitativen und funktionalen Aspekte verändern – und unter Umständen verschlechtern.

Im Bereich der Consumer-Elektronik (Haushaltselektronik, IKT, Unterhaltungselektronik) wurden für die vorliegende Studie verschiedene Fälle von softwarebedingter Obsoleszenz identifiziert und einer explorativen Analyse unterzogen. Es wurden insgesamt fünf empirische Fälle untersucht:

  • Softwaregesteuerte Zählwerke bei Druckern
  • Trade-up Programme bei Bluetooth-Lautsprechern unter Einsatz von softwaregesteuerten Abschaltvorrichtungen („kill switch“)
  • Softwarebasierte Performance-Degradierung bei Smartphones
  • Unterstützungszeitraum und Supportende bei Smartphone-Software
  • End-of-Life von cloud-basierten Plattformen

Das Team des Fraunhofer IZM analysierte Einzelfälle der Software-Obsoleszenz in verschiedenen Produktgruppen: Von einer wenig kompatiblen und gerätespezifischen Software für ein smartes Thermostat bis hin zu Software-Updates von Smartphone-Anbietern, die versprechen, die Batterielebensdauer älterer Modelle zu verbessern. Das sogenannte Batterygate führte in einigen Fällen jedoch zur Verschlechterung der gesamten Software-Performance der betroffenen Smartphones.

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Eine vergleichende Betrachtung des Smartphone-Marktes zeigt, dass die Zeiträume für den Softwaresupport generell sehr unterschiedlich sind. In einem spezifischen Fall konnte gezeigt werden, dass ein Hersteller die Unterstützung für eine Cloud-Plattform innerhalb eines Monats nach Ankündigung eingestellt hat, ohne den Nutzer eine hinreichende Begründung oder Alternativen für die mit dem Betrieb verbundenen Geräte anzubieten. (Bild: AdobeStock_611274468_cristianstorto)

Wahrnehmungen und Erfahrungen von Konsumenten

Im Projekt sollte festgestellt werden, wie häufig Nutzer smarter Geräte in ihrem Alltag tatsächlich Erfahrungen mit Fällen von softwarebedingter Obsoleszenz erleben und wie sie damit umgehen. Hierzu wurden zwei Datenquellen genutzt und ausgewertet: Zum einen wurden Nutzer-Foren und Produktrezensionen im Internet untersucht, in denen selbsterlebte Fälle von softwarebedingter Obsoleszenz berichtet und diskutiert werden. Zum anderen wurde eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Personen zwischen 18 und 75 Jahren per Online-Fragebogen zu aktuell im Haushalt eingesetzten smarten Elektronikprodukten, geplanten Anschaffungen, wahrgenommenen Verschlechterungen sowie Praktiken im Umgang mit Problemen und Erwartungen an Produkte durchgeführt.

Die Auswertung der Forenbeiträge und Produktrezensionen zeigen, dass smarte Geräte, die nur in Verbindung mit Server-Infrastruktur funktionieren oder auf Smartphone-Apps zur Steuerung angewiesen sind, zum Teil spontan unbenutzbar werden, in Einzelfällen bereits kurz nach dem Kauf. Aus Sicht der Nutzer kommunizieren der Hersteller bzw. Anbieter jedoch nicht ausreichend transparent die Gründe für den Ausfall. Zudem wird vermutet, dass häufig technische Gründe für softwarebedingte Obsoleszenz vorgeschoben werden, die von außen nicht überprüfbar und für Nutzer somit unbefriedigend sind. Nutzer berichten, dass smarte Geräte oft besonders gut im Zusammenspiel mit anderen Geräten desselben Herstellers funktionieren. Dadurch können jedoch Lock-In-Effekte entstehen, welche die Kompatibilität mit anderen Systemen verringert und zu einer Herstellerabhängigkeit führt. Zudem befürchten Nutzer die Obsoleszenz einer großen Anzahl von Geräten im Haushalt, wenn sich Standards und Schnittstellen verändern.

Während die Informationen aus den Online-Foren und Produktrezensionen aufschlussreiche Einblicke in spezifische Wahrnehmungen und Erlebnisse geben, kann eine Repräsentativbefragung zeigen, wie häufig softwarebedingte Obsoleszenz mit welchen Konsequenzen erlebt wird. Die im Projekt umgesetzte Befragung zeigt, dass Software-Obsoleszenz (noch) kein weit verbreitetes Problem ist. Dies kann zum einen daran liegen, dass die am stärksten verbreiteten digitalen bzw. vernetzten Geräte, wie Smartphones, Internet-Router, PCs und Smart-TVs oft nur einige wenige Jahre genutzt und häufig ausgetauscht werden, bevor größere Probleme auftreten. Die Umfrage zeigt jedoch auch, dass andere – in der Regel eher lange genutzte und langlebige - Produkte wie Saugroboter, Beleuchtung und Sicherheitsprodukte die am häufigsten geplanten Anschaffungen smarter Geräte sind. Das bedeutet, dass sich das Problem softwarebedingter Obsoleszenz ähnlich wie auf Basis der Marktentwicklungsanalyse angenommen, in Zukunft eher verstärken wird.

Wo tauchte Batterygate zum ersten Mal auf?

Wikipedia versteht unter einem Batterygate die absichtliche Verlangsamung der Prozessorleistung von gewissen Apples iPhones, um zu verhindern, dass Mobiltelefone mit schwachen Akkus bei hoher Belastung abgeschaltet werden. Hintergrund ist, dass im Dezember 2017, nach mehr als einem Jahr voller Zuverlässigkeitsprobleme und Spekulationen, Apple bestätigte, dass das Unternehmen die Leistung des iPhones absichtlich verlangsamt, um Stromspitzen zu vermeiden, die das Telefon zum Absturz bringen.

Zu Beginn der Studie befragte das Team Verbraucher. Sichtbar wurde, dass sich 60 % der Befragten ein größeres Verständnis rund um konkrete Obsoleszenz-Risiken von Software wünschen. Warum die Software als Katalysator für Verschleißprozesse ein blinder Fleck ist, erklären sich die Experten wie folgt: Bisher sind die meisten Elektronikgeräte nicht von einer extremen Software-Abhängigkeit betroffen. Prognosen der Studie zeigen jedoch, dass sich dieser Trend rasant ändern wird: Der schnell wachsende Markt im Bereich der Smart Homes, aber auch die Etablierung des autonomen Fahrens werden viele Devices mit Zusatzfunktionalitäten und starkem Software-Bezug hervorbringen. Auch im öffentlichen Raum nimmt die Vernetzung beispielsweise in Form von digitalisierten Lichtanlagen oder smarter Verkehrssteuerung zu.

Festgehalten werden kann aber ganz klar: Während üblicherweise davon ausgegangen wird, ein Update würde die Nutzungsqualität steigern, kann dieses potenziell zu langfristigen Verschlechterungen der Performance oder zum Verlust einzelner Funktionalitäten führen. „Man denkt immer, die Software könnte nicht verschleißen, sie rostet ja nicht, aber wenn ein Smartphone nach zwei Nutzungsjahren keinen Software-Support mehr erhält, ist das aus Engineering-Sicht eine Katastrophe. Wenn wir die Prinzipien des Ökodesigns auf die Software anwenden, könnten wir zu einer Entschleunigung und längerer Produktlebensdauer gelangen“, so Erik Poppe, Projektverantwortlicher an der TU Berlin.

Marina Köhn, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundeamt und für die Themen Green-IT verantwortlich, geht noch weiter: „Die Studie des Fraunhofer IZM, der TU Berlin und des Öko-Instituts e.V. weist uns deutlich darauf hin, mit welchen Problemen wir durch die Vernetzung von Produkten in Zukunft rechnen müssen. Software darf nicht dazu beitragen, dass Produkte nicht mehr nutzbar sind und sich das Elektronikschrott-Aufkommen zusätzlich erhöht. Hersteller müssen in die Pflicht genommen werden, ihre Produkte so zu designen, dass sie ausreichend lange genutzt werden können. Geschäftsmodelle, die dem entgegenwirken, müssen untersagt werden. Außerdem müssen Konsumenten beim Kauf eines Produktes darüber informiert werden, welche Abhängigkeiten mit anderen Geräten und Diensten bestehen und bei Änderungen muss der Hersteller die Zustimmung des Nutzenden einholen.“

Ableitung umweltpolitischer Maßnahmen

Die Verkürzung der Lebensdauer von Produkten durch softwarebedingte Obsoleszenz ist sowohl ein Thema des Ressourcenschutzes als auch ein Thema des Verbraucherschutzes. Daher sind grundsätzlich alle produktpolitischen Instrumente, die diese beiden Themen adressieren, geeignet, das Problem der softwarebedingten Obsoleszenz einzudämmen.

Abschließend leiteten die Forschenden Handlungsempfehlungen für die staatliche Regulierung ab, die die Lebensdauer von Produkten mittels Software verlängern, statt reduzieren sollen. Der Flickenteppich aus Anregungen fokussiert sich auf drei zentrale Aspekte: Zum einen sollen die Mindestanforderungen für den Marktzugang spezifiziert und damit eine Mindestnutzungsdauer gewährleistet werden. Dafür sollen Geräte auch ohne externe Abhängigkeiten betrieben werden können. Sicherheitsrelevante Updates sollen für mindestens zehn Jahre bereitgestellt werden. Außerdem sollen Schnittstellen zur Stärkung der Kompatibilität und Interoperabilität von Systemen entstehen. Als zweite Anforderung nennt die Studie Maßnahmen für mehr Transparenz. So sollen etwa Hersteller die Abhängigkeiten von softwarebetriebenen Produkten und den garantierten Supportzeitrahmen verpflichtend benennen müssen. Zuletzt sollen Ökoinnovationen wie nachhaltige Softwareentwicklung gefördert werden.

„Zusätzlich zu den Handlungsempfehlungen für das Umweltbundeamt war uns wichtig, dass das Projekt fachlichen Austausch angeregt hat. Softwarebasierte Obsoleszenz muss als Hürde für nachhaltigen Elektronikkonsum sichtbar werden. Das gilt nicht nur für die Fachwelt: Ziel ist es, die Awareness der Nutzer zu steigern, so dass man sich schon vor dem Kauf überlegt, was nach dem Kauf passiert.“, so Jan Druschke, Nachhaltigkeitsexperte vom Fraunhofer IZM.

Petra Gottwald
(Bild: Hüthig)

Petra Gottwald

Chefredakteurin productronic und all-electronics, nach Unterlagen von Fraunhofer IZM und Umweltbundesamt

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