Herausforderungen mit KI begegnen

(Bild: Siemens)

Die vielfältigen Produkte, die heute auf dem Markt sind, kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. Aber was sie alle gemeinsam haben, sind die elektronischen Komponenten. Deren Bezeichnungen können sich unterscheiden, zum Beispiel ist in der Automobilindustrie ein Prozessor eine ECU, in einem Mobiltelefon eine CPU. Aber egal, wie sie benannt werden, diese Komponenten werden alle auf die gleiche Weise konzipiert, hergestellt, getestet und im Endprodukt verbunden.

Elektronik kann der Chip auf der Platine, die Platine auf einem Modul, das Modul in einem System, das System in einem System von Systemen bedeuten – die Grundlage für jede dieser Hierarchieebenen ist allerdings stets der Chip. Unabhängig vom Produkt ist die Elektronik ausschlaggebend für die Gesamtlebensdauer jedes Systems. Chips sind Teile dieses Gefüges. Viele große Unternehmen entwickeln heute Produktsysteme, die in mehr als einer Branche Anwendung finden. Und die Komplexität von Geräten und Produkten wird in der nahen Zukunft wohl auch nicht nachlassen.

Die Herausforderungen von heute in der Elektronikindustrie

Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen in diesem Umfeld heute und in naher Zukunft? Neben dem Mangel an qualifizierten Fachkräften stehen Elektronikhersteller vor der Aufgabe, in neue Märkte zu expandieren und die hohe Qualität ihrer Produkte zu gewährleisten. Gleichzeitig haben sie mit zunehmender Komplexität, Volatilität und Resilienz der Lieferkette zu kämpfen und müssen ihren CO2-Fußabdruck intern und extern über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg reduzieren und managen. Sicherheit und Größe der Produkte stellen weitere Herausforderungen dar.

Zum Beispiel verfügt jedes tragbare elektronische Gerät über eine Batterie, nicht nur Fahrzeuge, Flugzeuge oder Drohnen. Batterien sind allgegenwärtig und werden für unterschiedliche Einsatzzwecke in unterschiedlichen Größen und Materialien benötigt. Die verwendeten Stückzahlen sind in der Unterhaltungselektronik im Vergleich zu anderen Branchen und Märkten enorm. Die Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich werden oft übersehen oder als selbstverständlich angesehen.

Ohne Apple jetzt an den Pranger zu stellen, aber die jüngste Überhitzung des iPhone 15 war ein Softwareproblem, kein Hardwareproblem. Es war nicht die Elektronik. Nach der Produktfreigabe verwendeten einige Nutzer Apps, die die Batterie und die Schaltkreise überlasteten. Dieses Problem wurde bei der Softwaresimulation der Hardware nicht berücksichtigt. Hätte man bei den Simulationen jedoch auch selten auftretende Fälle wie diesen – die Auswirkungen von Software auf die Hardware – berücksichtigt, wäre das Problem vor der Veröffentlichung erkannt worden und man würde jetzt nicht darüber sprechen.

Heute ist es schwierig, Simulationen durchzuführen und sicherzustellen, dass die richtige Version der Software mit der richtigen Version der Hardware gekoppelt ist. Beispielsweise kann die Software aktualisiert werden, aber die Simulation wurde auf der Hardware durchgeführt, ohne dass deren Design oder Komponenten auf dem neuesten Stand waren. Dies ist ein Synchronisierungsproblem, das durch das Produktlebenszyklus- und Datenmanagement behoben werden kann.

Aber selbst angesichts solcher Herausforderungen kann die Softwareorientierung den Produktherstellern neue Märkte erschließen, da sie Funktionen und Möglichkeiten bietet, die im Laufe des Lebenszyklus des Produkts hinzugefügt und optimiert werden können.

Das Potenzial von KI

Die Elektronikindustrie ist weiterhin mit den Auswirkungen der globalen Veränderungen der letzten drei Jahre beschäftigt; einige davon sind bislang ungelöst, aber neue Chancen tun sich am Horizont auf. Augmented- und Virtual-Reality-Technologien sowie Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Produkte herstellen, drastisch zu verändern.

KI ist nicht neu – EDA-Unternehmen nutzen KI und ML bereits seit Jahren, um komplexe Aufgaben und Analysen zu unterstützen. KI durchläuft allerdings eine bedeutende Weiterentwicklung, da sie zunehmend in das Metaversum und die Cloud eingebettet ist. Eine der größten Herausforderungen bleibt jedoch sicherzustellen, dass die richtigen Algorithmen implementiert werden, um die einzigartigen Bedürfnisse jedes der Bereiche zu erfüllen: Software, Elektrik und Mechanik.

Um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen, kann sie nicht als eigenständiges Tool eingesetzt werden, sondern muss in die Digitalisierungsstrategie eines Unternehmens integriert werden. Indem sie KI in ihre gesamte digitale Transformation einbinden, können Unternehmen sicherstellen, dass sie die richtige Kombination aus Benutzerfreundlichkeit, Überprüfbarkeit und Analyse integriert haben, um echte Verbesserungen in Engineering-Prozesse zu bringen – Design, Tests, Verifizierung, Fertigung und schließlich das Erreichen des Reifegrads der Closed-Loop-Optimierung.

Auf dem Weg zur digitalen Transformationsreife

Aus Sicht der Kunden geht es darum zu sehen, was kurz- und langfristig realistisch erreichbar ist. Die Nutzung des digitalen Zwillings, um Domänen zu verbinden und den gesamten Produktlebenszyklus zu verwalten, ist ein schrittweiser Entwicklungsprozess: man nimmt die verfügbaren Technologien, integriert diese, definiert die Lücken und geht schrittweise vor.

Kürzlich haben meine Kollegen und ich einige Zeit damit verbracht, eine Roadmap für die digitale Transformation zu entwickeln, die sich auf fünf wichtige Meilensteine konzentriert (Bild 1): Konfiguration, Konnektivität, Automatisierung, generative Gestaltung und Closed-Loop-Optimierung.

Die digitale Transformation umfasst fünf wichtige Meilensteine
Die digitale Transformation umfasst fünf wichtige Meilensteine: Konfiguration, Konnektivität, Automatisierung, generative Gestaltung und Closed-Loop-Optimierung. (Bild: Siemens)

Viele Unternehmen in der Elektronikbranche sind in den frühen Phasen der Konfiguration und Konnektivität ins Stocken geraten. Konfiguration ist der Wechsel von einem dokumentenbasierten zu einem modellbasierten Datenframework. Bei der Konnektivität beginnen Unternehmen, Silos aufzubrechen und modellbasierte Daten über Domänen hinweg zu vernetzen. Während diese Schritte entscheidend sind, um das volle Potenzial der digitalen Transformation zu realisieren, müssen Unternehmen weiterhin auf ein höheres Maß an Digitalisierung hinarbeiten, insbesondere um den wachsenden Einfluss der KI zu nutzen.

Die höheren Stufen der Digitalisierung – Automatisierung, generatives Design und Closed-Loop-Optimierung – nutzen KI, um Engineering-Prozesse vollständig zu transformieren, beginnend mit der Automatisierung alltäglicher Aufgaben. Mit zunehmender Reife der digitalen Transformation können Unternehmen die Automatisierung weiterentwickeln, damit diese komplexere Aufgaben übernehmen kann, um schließlich Stufe vier, das generative Design, zu erreichen, auf der KI den digitalen Zwilling und Unternehmensdaten nutzen könnte, um Entwürfe von ganzen Teilsystemen und schließlich sogar Produkten zu erstellen. Sie könnte Simulationen verwenden, um das Produkt durch einen geschlossenen Prozess der Generierung, Bewertung und Iteration zu führen, bevor ein oder mehrere optimierte Designs den Ingenieuren für die endgültige Entscheidung vorgelegt werden.

2024 und darüber hinaus

Neben der anhaltenden Zunahme der Geräte- und Produktkomplexität dürfte sich die Volatilität in der Lieferkette in den nächsten Jahren weiterhin enorm auf die Weltwirtschaft und die Fertigung auswirken. Geopolitische Disruptionen bringen neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen mit sich. Da Unternehmen ihre Produktion zurückholen und in neue Gebiete wie Indien und Vietnam verlagern, öffnen sich auch die Märkte für die Erschließung neuer Kunden.

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Durch die Digitalisierung werden Unternehmen nicht nur in der Lage sein, die steigende Nachfrage der Verbraucher nach Nachhaltigkeit zu erfüllen, sondern sie werden dies auch in eine Chance verwandeln können. (Bild: Gettyimages/pcess609)

Sicherheit und Datenherkunft sowie eine zuverlässige Rückverfolgbarkeit aus genealogischer Sicht sind und bleiben eine Herausforderung, die mit Nachhaltigkeit und Compliance einhergeht, wenn Unternehmen auf der Grundlage unterschiedlicher Vorschriften nachweisen müssen, dass sie konform und nachhaltig sind. Dies hängt auch mit den sich ändernden Erwartungen der Kunden zusammen, die mehr von Unternehmen fordern – nämlich, dass diese gute „Bürger der Gesellschaft“ sind und ihre Auswirkungen auf die globale Umwelt als Teil ihres Geschäftsergebnisses berücksichtigen. Es ist zwar eine Herausforderung, aber auch eine Chance aus geschäftlicher Sicht, da Technologieunternehmen und Elektronikhersteller lernen, wie sie durch Nachhaltigkeit Geld sparen können.

Alan Porter, Siemens
(Bild: Siemens)

Alan Porter

Global Vice-President Electronics, Siemens Digital Industries Software

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