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Die Kosten für smart plastics fallen im Vergleich zu den Stillstandszeiten in der Produktion nicht ins Gewicht. (Bild: Redaktion IEE)

Auf die Schnelle

Das Wesentlliche in 20 Sek.

  • Zustandsüberwachung kostet nur den Bruchteil einer Energiekette
  • Designstudien müssen zuerst auf Messen bestehen
  • Schlauchpakete für 400 Roboter-Kinematiken lassen sich online konfigurieren

Herr Ottersbach, auf Messen zeigt Igus immer wieder auch interessante Designstudien. Wie ist denn deren Status?

Jörg Ottersbach: Wir zeigen immer viel Neues auf Messen. Nicht nur, um den Markt über unsere marktreifen Produkte zu informieren. Manche Exponate sind Studien und zeigen, was im Bereich der Energieführung möglich ist. Wir stellen unsere Ideen gerne auf den Prüfstand und bekommen immer wieder interessantes Feedback. Das Beste, was uns passieren kann, ist, dass kritische Besucher uns das Optimierungspotenzial aufzeigen.

Und was passiert damit?

Jörg Ottersbach: Im Nachgang schauen wir uns an, wer und wie viele Besucher sich für ein Produkt interessiert haben. Danach legen wir unsere Prioritäten und Entwicklungs-Ressourcen fest. Manchmal ergeben sich in der Diskussion mit Kunden bereits auf der Messe komplett neue Projekte, die wir dann zusammen entwickeln.

Was war denn eine dieser Designstudien?

Jörg Ottersbach: Die Pull-E-Chain ist ein typischer Erlkönig. Das ist ein komplett neues Konzept einer Leitungsführung, die nicht mehr wie eine normale Energieführungskette funktioniert. Hier werden die Führungselemente, in denen die Leitungen sicher verlegt sind, über Seile und Umlenkungen gezogen. Diese Studie kam sehr gut an. Aber wir haben noch unsere Hausaufgaben zu machen und beispielsweise die Materialkombinationen und das finale Design zu testen. Am Ende geht es darum, die Technik zu verbessern und die Lebensdauer der e-Kette und damit der bewegten Anwendung zu erhöhen.

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Wir gehen gerne auch mit Prototypen und Studien auf die Messe. Redaktion IEE

Betrifft die erhöhte Lebensdauer auch die Varianten mit den ausfahrbaren Bolzen?

Jörg Ottersbach: Sie sprechen von der logchain, bei der sich die Gelenkbolzen herausdrehen, in der Führungsrinne einklemmen und von selbst halten. Ursprünglich für MRTs oder CTs für so genannte C-Bögen-Applikationen entwickelt, hat sich deren Potenzial in der Diskussion mit Anwendern erst richtig gezeigt, zum Beispiel auch in der Intralogistik. Bei vertikalen Drehbewegungen bringt das sehr große Vorteile, weil wir einfachere Rinnenkonzepte nutzen können. Auch bei langen Verfahrwegen hat diese Lösung ihren Reiz, da sich die Kettenglieder wunderbar oben verriegeln und praktisch freischwebend hängen. Erst wenn ein Kettenglied in den Radius einfährt, gleiten die Bolzen wieder in das Gelenk zurück.

Lässt sich dieses Prinzip auch auf andere Kettenvarianten adaptieren?

Jörg Ottersbach: Stand heute ist das Produkt noch in der Entwicklung. Kunden, mit denen wir zusammenarbeiten, haben daher durchaus noch Einfluss auf das Design auch was die Dimensionen, Teilungen oder Bolzendurchmesser betrifft. Eine Kompatibilität zu den bestehenden Ketten besteht aber erst einmal nicht.

Auf Seite 2: Was igus alles überwacht

Wie wird das Thema smart plastics, also der intelligenten Energieketten seitens der Kunden aufgenommen?

Jörg Ottersbach: Sehr gut, gerade bei neuralgischen Anwendungen wie in der Automobilindustrie und in Applikationen, bei denen eine 100-prozentige Anlagenverfügbarkeit ein Muss sind, weil sonst hohe Produktionsausfälle und lange Stillstandzeiten entstehen würden. Hier wird fast alles, was an Sicherheitskomponenten zur Verfügung steht, genutzt.

Generell sehen wir, dass es immer mehr Unternehmen gibt, die ihre Produktion konsequent intelligent, Industrie 4.0-tauglich machen. Bei denen stoßen wir auch auf offene Ohren, was die Überwachung und Datenanalyse der Ketten angeht.

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Das Beste, was uns passieren kann sind kritische Besucher, die unsere Prototypen zerreißen. Redaktion IEE

Und was überwacht Igus?

Jörg Ottersbach: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen haben wir auf unserer Homepage einen Lebensdauerrechner, mit dem sich bereits im Vorfeld mit wenigen Parametern die Lebensdauer der verschiedenen Lösungen sehr genau bestimmen lassen. Das ist im Prinzip der erste Schritt, die Verfügbarkeit der Energiekette zu optimieren.

Die nächste Stufe sind die intelligenten Systeme, wie wir sie etwa in der Energiekette P4.1 implementieren. Wir haben dazu ein Kettenglied mit Sensor entwickelt, der das Lagerspiel misst. Mechanisch ist die Bolzen/Bohrungsverbindung an einem Kettenglied eine Lagerstelle mit einem Kunststoffgleitlager; das Lagerspiel zwischen zwei Gliedern somit ein Maß für den Verschleiß. Ab einem gewissen Spiel wird es dann Zeit, über eine Wartung oder den kompletten Austausch nachzudenken.

Mit unserem Sensorsystem weiß der Anwender jederzeit, wie lange er noch die Anlage betreiben kann, ohne einen Ausfall befürchten zu müssen; sind es nur noch drei Monate, sechs Monate oder doch noch zwei Jahre. Wir geben den Kunden mit smart plastics damit die Option, von Intervall-orientierten Austauschaktionen mit hohen Sicherheitszuschlägen wegzukommen, aber trotzdem die Sicherheit zu haben, dass die Anlage betriebssicher läuft.

Wo sitzen die Sensoren?

Jörg Ottersbach: Wir kennen die Stelle an der E-Kette, die am meisten belastet ist – vorne am Mitnehmer. Und an dieser Stelle bringen wir die Sensorik ein und messen kontinuierlich die Lagerstelle aus.

Welches Messverfahren nutzen Sie hier?

Jörg Ottersbach: Wir haben verschiedene Optionen. Bei langen Kranapplikationen messen wir beispielsweise die Zug- und Schubkräfte am Mitnehmer über ein Push Pullforce Detection System, kurz: PPDS.

Da wir seitens des Markts viel Resonanz hinsichtlich Industrie 4.0 spüren, haben wir Anfang des Jahres eine eigene Business Unit gegründet. Deren Hauptaufgabe es ist, die passenden Komponenten zu entwickeln, zu adaptieren und zu vermarkten.

Lässt sich das Sensorglied in bestehende Applikationen nachrüsten?

Jörg Ottersbach: Mechanisch geht das problemlos. Nur, es macht keinen Sinn, ein neues Glied ohne Verschleißerscheinungen mit einer alten Kette zu kombinieren. Die Messwerte würden dem tatsächlichen Zustand nicht entsprechen – zumindest bei der Bolzen/Bohrung-Messung. Bei der Zug-Schubkraft-Überwachung würde es hingegen funktionieren und ist auch zu empfehlen.

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Die Roboterhersteller haben ein enormes Wachstum, gerade in der Automobilindustrie wurde und wird aktuell viel investiert. Redaktion

Diese Features haben sicher ihren Preis. Ist der Kunde auch bereit, diesen zu bezahlen?

Jörg Ottersbach: Gerade in kritischen Anwendungen sind das die Kunden. Wenn ich einen Anlagenstillstand in einem Automobilwerk dagegen rechne sind die Kosten für eine Überwachung äußerst überschaubar. Bei großen e-Ketten, bei langen Verfahrwegen, fällt diese Investition kaum ins Gewicht, bietet aber sehr hohe zusätzliche Sicherheit.

Sind die letztes Jahr vorgestellten flexiblen Trennstege schon als Produkt verfügbar?

Jörg Ottersbach: Die Lean-Trennstege kommen sehr gut an, weil sie enorm viel Montagezeit einsparen. Wir haben das hochgerechnet und kommen teilweise auf 50 Prozent Zeitgewinn: Einfach die Leitungen in die Kette legen, Trennstege setzen und den flexiblen Fachboden einklipsen. Danach kann der Monteur sofort mit der zweiten Lage beginnen. Aktuell haben wir 15 Größen verfügbar.

Spüren Sie eigentlich auch den Hype in der Roboterszene?

Jörg Ottersbach: Die Roboterhersteller haben ein enormes Wachstum, gerade in der Automobilindustrie wurde und wird aktuell viel investiert.

Wir haben die letzten Jahre in diesen Bereich sehr viel investiert und mit namhaften Automobilherstellern Produkte zusammen entwickelt. In Workshops haben wir die bestehenden Probleme analysiert und beseitigt. Dabei sind tolle Produkte wie die triflex TRLF- und TRCF-Ketten für die dreidimensionale Bewegung am Roboter entstanden. Beide verkaufen wir inzwischen serienmäßig.

Um die Konfiguration zu erleichtern, haben wir zudem mit QuickRobot ein neues Konfigurationsprogramm online gestellt. Mit dem Tool lässt sich mit wenigen Klicks das Schlauchpaket für einen Robotertyp festlegen. Die Anwender bekommen danach eine komplette Stückliste samt STEP-Dateien der einzelnen Produkte und einer Visualisierung der Konfiguration. Wer will kann sofort eine Anfrage starten oder in den Onlineshop gehen und gleich bestellen.

Ist das nicht ein Mammut-Projekt?

Jörg Ottersbach: Momentan haben wir dort rund 400 Robotermodelle verfügbar. Wir wollen das mittelfristig aber noch auf mehr als das Doppelte erweitern. Dann werden wir auch die in Europa etwas unbekannteren asiatischen Roboteranbieter implementiert haben.

Was dürfen wir auf der SPS IPC Drives denn an Erlkönigen erwarten?

Jörg Ottersbach: Das Schöne an Erlkönigen ist ja, dass man gespannt sein kann, wie sie schließlich auf einer Messe ausgestellt werden und welche Spezifikationen sie am Ende haben. Daher nur so viel: Auf der SPS IPC Drives werden wir neben den e-Ketten vor allem das Augenmerk des Besuchers auf neue hochflexible Leitungen und konfektionierte Systeme lenken. Langweilig wird es auf dem Igus Stand also ganz bestimmt nicht.

Das Interview führte Chefredakteur Stefan Kuppinger

 

SPS IPC Drives 2018: Halle 4, Stand 310

(sk)

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