Unkonventionelle Energieerzeugung mit Socken, Algen, Tänzern und Toiletten in einem umweltfreundlichen, futuristischen Szenario"

Energie lässt sich nicht nur aus Kohle und Gas oder Wind und Wasser erzeugen. Wir zeigen Lösungen, mit denen Sie womöglich nicht gerechnet haben. (Bild: Dalle 3 / OpenAI)

In der Welt von heute, die immer energiehungriger wird, ist die Menschheit immer wieder auf der Suche nach innovativen und nachhaltigen Energiequellen. Ob die Weiterentwicklung der regenerative Energien, wie Wind, Wasser und Sonne oder "neue" Ansätze wie die Kernfusion, all das zielt oft auf Strom- bzw. Energiegewinnung im großen Maßstab ab. Auf der anderen Seite haben Wissenschaftler, Ingenieure und sogar Laien begonnen, über den Tellerrand zu blicken und sich ungewöhnliche, ja bizarre Methoden der Energiegewinnung auszudenken und zu erforschen. Manche davon passen sogar in Schuhe...

Diese kreativen Ansätze brechen mit traditionellen Paradigmen und eröffnen faszinierende Möglichkeiten, Energie aus der alltäglichen Umgebung zu gewinnen. Das Spektrum der unkonventionellen Energiequellen reicht von der Nutzung der kinetischen Energie tanzender Menschen über die Stromerzeugung aus der biologischen Aktivität von Mikroorganismen bis hin zu innovativen Methoden, die Körperwärme von Pendlern oder sogar die Energie von Hühnern auf Laufbändern in Strom umzuwandeln. Diese Methoden mögen auf den ersten Blick kurios erscheinen, doch sie beleuchten einen wichtigen Aspekt unserer Zukunft: die Notwendigkeit und das Potenzial kreativer Lösungen für die Energieherausforderungen des 21. Im Folgenden stellen wir einige der ungewöhnlichsten Methoden vor, mit denen Forscher und Innovatoren versuchen, die Art und Weise, wie wir über Energie denken und sie erzeugen, neu zu definieren. Viel Spaß beim Lesen.

Energiequelle Mensch: Mit Urin Strom erzeugen

Forscher des Bristol Robotics Laboratory arbeiten seit 17 Jahren an der Entwicklung mikrobieller Brennstoffzellen, die aus organischen Abfällen, insbesondere menschlichem Urin, Strom erzeugen können.Die Technologie basiert auf lebenden Mikroorganismen, die Nährstoffe im Urin abbauen und dabei elektrische Energie erzeugen.

Die Forschung begann mit der Idee, autonome Roboter zu bauen, die ohne Batterien oder Solarzellen auskommen, und führte zu der Entdeckung, dass Urin, der zu 95 % aus Wasser besteht und wichtige Kohlenhydrate enthält, eine effiziente Energiequelle für diese Brennstoffzellen darstellt.Die Zellen nutzen Bakterien, die sich von den Kohlenhydraten ernähren und beim Abbau Elektronen freisetzen, die wiederum Strom erzeugen.

Ein praktisches Beispiel für die Anwendung dieser Technologie wurde auf dem Glastonbury Festival getestet, wo die Brennstoffzellen zur Stromerzeugung eingesetzt wurden. Ein weiteres beeindruckendes Projekt ist die Installation eines Prototyps in einer Schule in Nairobi, wo die Technologie Licht für den Toilettenbereich liefert und so die Sicherheit der dort übernachtenden Kinder erhöht.

Die Vision der Forscher ist, dass in Zukunft jeder Haushalt, ob in Entwicklungs- oder Industrieländern, diese Technologie nutzen kann, um selbst Energie zu erzeugen. Dieses innovative Konzept zeigt ein enormes Potenzial, unsere Ausscheidungen sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig einen Beitrag zur nachhaltigen Energiegewinnung zu leisten.

 

Mit Pipi Strom erzeugen

Die an der Anode angesiedelten Mikroorganismen verarbeiten die zur Verfügung gestellten Kohlenstoffverbindungen und geben die im Zellinneren entstehenden Elektronen an die Anode ab. Die Elektronen werden an die Kathode übertragen, wo durch die Reduktion von Protonen Wasserstoff (H2) produziert wird.
Die an der Anode angesiedelten Mikroorganismen verarbeiten die zur Verfügung gestellten Kohlenstoffverbindungen und geben die im Zellinneren entstehenden Elektronen an die Anode ab. Die Elektronen werden an die Kathode übertragen, wo durch die Reduktion von Protonen Wasserstoff (H2) produziert wird. (Bild: Max Hackbarth)

Auch Forscher des KIT in Karlsruhe arbeiten an der Technologie. So wurde auf der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim eine Spezialtoilette vorgestellt, die Strom aus dem Urin der Besucher erzeugt. Dieses Projekt, unterstützt durch das Umweltministerium Baden-Württemberg mit einer Fördersumme von 300.000 Euro, ist das Ergebnis einer fünfjährigen Forschungsarbeit des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg.

Zudem zielt das Projekt PeePower darauf ab, grünen Wasserstoff und Plattformchemikalien effizient aus Urin zu gewinnen. Dafür entwicklen die Forscher einen Prozess, der sich die hohe Konzentration biologisch abbaubarer Kohlenstoffverbindungen im Urin zunutze macht. Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist ein speziell entwickelter Reaktor, der mikrobielle Elektrolyse betreibt, um Wasserstoff aus Urin zu extrahieren. Dieser Ansatz nutzt elektroaktive Bakterien, insbesondere die Spezies Shewanella oneidensis und Geobacter sulfurreducens, die in der Lage sind, kohlenstoffhaltige Verbindungen abzubauen und dabei Elektronen zu produzieren. Diese Elektronen werden dann zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt.

Das Projekt stellt einen innovativen Weg dar, organische Abfallprodukte in wertvolle Ressourcen umzuwandeln und könnte zukünftig beispielsweise in Bürogebäuden oder Kläranlagen zur nachhaltigen Energiegewinnung eingesetzt werden.

PeePower! - Strom aus Biokatalyse

Tanzende Füße: Wenn aus Bewegung Energie wird

In einigen Nachtclubs und Sporteinrichtungen wurden innovative Böden installiert, die die kinetische Energie der Bewegungen von tanzenden oder laufenden Menschen in elektrische Energie umwandeln. Der „Energy Dancefloor“ besteht aus kleinen Platten, die bei jedem Schritt leicht nachgeben. Zudem nutzt diese Technologie piezoelektrische Materialien, die unter Druck eine elektrische Spannung erzeugen. Die so erzeugte Energie wird genutzt, um einen Teil der Beleuchtung oder andere elektrische Geräte in den Einrichtungen zu betreiben. Dieses Konzept nicht nur fördert eine nachhaltige Energiegewinnung, sondern motiviert auch die Besucher, sich aktiver zu bewegen.

Tanzen bis der Strom fließt

Wie kann menschliche Wärme zum Heizen genutzt werden?

Im Zentrum dieser Innovation steht der Hauptbahnhof von Stockholm, Schwedens größter und verkehrsreichster Eisenbahnknotenpunkt. Die Menschenmassen, die sich dort täglich bewegen, erzeugen eine beträchtliche Menge an Körperwärme. Ingenieure haben eine Methode entwickelt, diese Wärme einzufangen und zur Beheizung eines Bürogebäudes auf der anderen Straßenseite zu nutzen. Jeder Mensch erzeugt etwa 100 Watt Körperwärme, die in geschlossenen Räumen schnell ansteigt. Die Ingenieure der Stockholmer Immobiliengesellschaft nutzen Wärmetauscher im Lüftungssystem des Bahnhofs, um die Körperwärme in heißes Wasser umzuwandeln. Dieses heiße Wasser wird dann in das Heizsystem des nahe gelegenen Gebäudes gepumpt, um es zu erwärmen. Diese Methode ist nicht nur umweltfreundlich, sondern senkt auch die Energiekosten des Bürogebäudes um bis zu 25%.

Die Technologie basiert auf dem bekannten Prinzip des Wärmetauschers, das hier in einer neuen Form angewendet wird. Die Innovation besteht darin, dass die Energie nicht nur innerhalb eines Gebäudes, sondern zwischen zwei verschiedenen Gebäuden übertragen wird. Täglich passieren Hunderttausende Menschen den Stockholmer Hauptbahnhof, deren Körperwärme zusammen mit der Wärme, die sie beim Essen und Trinken abgeben, genutzt wird.

Wie Schweden die menschliche Körperwärme in nutzbare Energie umwandelt

Wie sich mit Socken Handys laden lassen

2018 stellte die damals 16-jährigen Lara Lorenz aus Österreich ihre innovative Idee zur Energiegewinnung vor. Sie entwickelte im Rahmen des Wettbewerbs "Jugend gründet" das potenzielle Startup-Unternehmen Flut Equities, mit dem Ziel, Socken herzustellen, die nicht nur wärmen, sondern auch Handys kabellos laden können. Die Idee kam ihr, als sie feststellte, dass ihr Handy oft nicht aufgeladen war, wenn sie es eilig hatte.

Lara hatte damals bereits drei Prototypen dieser Socken entwickelt. Diese nutzen einen in die Sohle eingebetteten, nanogroßen Chip, der den Druck, der beim Gehen entsteht, in Strom umwandelt. Durch im Socken eingearbeitete Kupferfäden wird dieser Strom dann geleitet, um das Handy kabellos aufzuladen. Um das Gesundheitsrisiko zu minimieren, steht Lara in Kontakt mit einem Professor, der an einem Strahlenschutz für die Socken arbeitet. Obwohl die Idee vielversprechend ist und Lara bereits den Stromfluss in den Socken nachweisen konnte, steht die effektive Übertragung des Stroms auf das Handy noch aus – bis heute.

An dieser Stelle schließt sich übrigens ein Kreis: Britische Wissenschaftler des Bristol BioEnergy Centers an der University of the West of England haben Spezialsocken kreeirt, die mit mikrobiellen Brennstoffzellen (MFCs) ausgestattet sind. Diese Socken können durch den Druck der Sohle Urin durch ein System von Röhrchen leiten, wo er von Mikroorganismen verarbeitet wird. Diese Mikroben setzen aus dem Urin Energie frei. Die Technologie hat bereits das Potenzial bewiesen, genug Strom zu erzeugen, um einen Notfallsender zu betreiben, der regelmäßig Signale senden kann. Dies könnte in Notfallsituationen für die Übermittlung von GPS-Koordinaten an Rettungskräfte genutzt werden.

Socken, die Handys laden

Können Schallwellen in elektrische Energie umgewandelt werden?

Einige Wissenschaftler haben die Idee erforscht, Schallwellen, wie Schreie, in elektrische Energie umzuwandeln. Dies basiert auf der Idee, dass Schallwellen Vibrationen erzeugen können, die dann für die Stromerzeugung genutzt werden könnten. So entwickelten Forscher von der Queen Mary University of London QMUL in Zusammenarbeit mit Microsoft, einen Nanogenerator, der Lärm in Strom umwandelt. Dafür stellen sie piezoelektrische ZnO-Nanostäbchen auf flexiblen Substraten her, die sie mit dem p-Typ-Halbleiterpolymer poly(3,4-ethylenedioxythiophene) polystyrene sulfonate (PEDOT:PSS) kombinieren, um ein p-n-Übergangsbauelement herzustellen. Diese Bauelemente geben eine Spannung ab, wenn das Substrat gebogen wird, d.h. sie gewinnen mechanische Energie.  

Die Anwendungsmöglichkeiten dieses Nanogenerators sind vielfältig und reichen von der Medizintechnik, wo er Herzschrittmacher lebenslang mit Energie versorgen könnte, bis zur Umwandlung von Verkehrslärm in elektrische Energie durch beschichtete Lärmschutzwände.

Einen anderen Ansatz haben Marc Serra-Garcia, Raumfahrtingenieur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), und ETH-Geophysikprofessor Johan Robertsson, gewählt. Ihr Generator nutzt die Bewegung von mikrostrukturierten Siliziumplättchen, die durch Schallwellen in Schwingung versetzt werden, um Strom zu erzeugen. Dieser Ansatz vermeidet den Einsatz von giftigen Schwermetallen oder seltenen Erden und macht den Generator umweltfreundlich sowie nachhaltig. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig, etwa die Überwachung von Gebäuden und stillgelegten Bohrlöchern. Dort könnten die Sensoren Gasverluste anzeigen, wenn es zu unerwarteten Schwingungen kommt. Dadurch werden die Generatoren aktiviert, versorgen die Sensoren mit Strom, welche dann ein Signal abgeben. Weitere Möglichkeiten sind medizinische Geräten wie Gehörschnecke-Implantaten, die eine dauerhafte Energieversorgung benötigen, ohne die Umwelt mit Batterieabfällen zu belasten.

Dabei ist die IDee, Geräte durch Schallwellen anzutreiben, schon viele Jahre alt. Eines der ersten Geräte geht auf Prof. Alfred M. Mayer vom Stephens Institute of Technology in Hoboken, New Jersey, zurück, der 1876 sein Sound-Wheel erfand, später aber einem Österreicher namens V. Dvorak den Vorrang einräumte, der das gleiche Gerät einige Monate zuvor unabhängig erfunden hatte.

Das Instrument besteht aus vier kleinen, aufeinander abgestimmten Resonatoren, die in Form eines kleinen Kreuzes auf einer Drehachse befestigt und ausbalanciert sind. Wenn es in die Nähe einer Quelle eines Dauertons gebracht wird, der genau die Tonhöhe hat, auf die die Resonatoren abgestimmt sind, wie z.B. eine elektrisch angetriebene Stimmgabel, bewirkt die Reaktion der stationären Welle, die sich im Inneren jedes Resonators bildet, gegen das geschlossene Ende, dass sich das Rad "rückwärts" zu drehen beginnt.

Photovoltaik in Bio: Strom aus Algen

In einem Pionierprojekt in Hamburg wird die Biophotovoltaik genutzt, um Strom aus Algen zu gewinnen. Ein Schlüsselaspekt bei der Entwicklung dieser Technologie ist die Photosynthese von Mikroalgen. Die Mikroalgen nehmen bei Licht CO2 und H2O auf und wandeln diese in Glukose und O2 um. Die bei der Photosynthese freigesetzten Elektronen lassen sich ableiten und zur Stromerzeugung nutzen. Das "Algenhaus Hamburg" dient als Demonstrationsobjekt für diese Technologie. Hier werden Algen in speziellen Glaselementen gezüchtet und gleichzeitig zur Wärmegewinnung genutzt. Das Projekt befindet sich zwar noch in der Pilotphase, zeigt aber das Potenzial der Algenbiotechnologie für den Energiesektor.

Die EU blickt optimistisch auf diese Form der Stromerzeugung, die im Labor bereits erfolgreich umgesetzt wurde, wenn auch bisher nur in kleinen Mengen. Experten gehen davon aus, dass es noch mehr als ein Jahrzehnt dauern wird, bis diese Technologie für die kommerzielle Stromerzeugung einsatzbereit ist. Die Biophotovoltaik steht daher als vielversprechende Alternative zu fossilen Brennstoffen und konventioneller Photovoltaik im Fokus der Forschung und könnte langfristig zur Diversifizierung der Stromerzeugung beitragen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Algen bei der Stromerzeugung zehn- bis hundertmal produktiver sein könnten als herkömmliche Bioenergiepflanzen.

Sie möchten gerne weiterlesen?