Ein freundlicher Fist Bump zwischen Mensch und Roboter und alles ist gut? In der Realität steht die Mensch-Roboter-Kollaboration noch vor einigen Herausforderungen.

Ein freundlicher Fist Bump zwischen Mensch und Roboter und alles ist gut? In der Realität steht die Mensch-Roboter-Kollaboration noch vor einigen Herausforderungen. (Bild: Adobe Stock - Alexander Limbach)

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Koexistenz ja, Kollaboration nein

Die hauptsächlichen Einsatzgebiete von Cobots sind aktuell in Bereichen, die Menschen zwar erledigen können, aber wo es effizienter oder sinnvoller ist, Roboter einzusetzen. Weidmüller etwa setzt Cobots von Universal Robots im Bestückungsprozess ein und entlastet damit Maschinenbediener von gewissen monotonen und ermüdenden Arbeiten. So kann die Effizienz gesteigert werden, ohne die Mitarbeiter zusätzlich zu belasten.

Auch neue Märkte können Cobots erschließen: Mit ihrer Hilfe kann es sich für Unternehmen eher lohnen, kleinere Stückzahlen zu produzieren, die als Fertigung von Hand zu unrentabel wären und für die sich allerdings auch die Anschaffung eines Roboters, der auf Serienstückzahlen ausgelegt ist, nicht lohnt.

 

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Cobots machen kleine Stückzahlen rentabel

Rentabilität steht aktuell natürlich noch mehr im Fokus der Unternehmen als sonst. Siemens gelang es, in seinem Erlanger Gerätewerk gerade die Produktion kleiner und mittlerer Stückzahlen mithilfe von Cobots wieder wirtschaftlich zu gestalten. Umschichten von Kartonagen oder Verpacken von Geräten – die Cobots übernehmen simple Tätigkeiten, die Mitarbeiter können sich den anspruchsvollen Aufgaben widmen.

Für den Erfolg der Cobots war es entscheidend, diese Mitarbeiter von Anfang an in die Automatisierung der Prozesse einzubinden. Nur mit der entsprechenden Akzeptanz kann die Einführung von Cobots gelingen. Ein weiterer Pluspunkt: Die Mitarbeiter, die die Prozesse täglich ausführen, haben mitunter die besten Ideen für Entlastung und Automatisierung.

Doch auch in diesem Beispiel koexistieren die Cobots eher, als dass sie kollaborieren. Zwar arbeiten die Roboter im selben Raum, aber es gibt keine Interaktion. Beispielweise legt der Cobot die Kartonagen an einem definierten Ort ab, anstatt sie einem Werker in die Hand zu geben. Denn bei allen Fähigkeiten können Roboter eines noch nicht: Das Verhalten der Menschen antizipieren. Nimmt der Werker das Stück wirklich entgegen? Ist die Person vielleicht gerade abgelenkt? Ein Roboter zeigt keine Empathie. Noch nicht.

 

Wissenstransfer mit KI

Die TU München forscht im Projekt KI.Fabrik daran, lernfähige und flexible Roboter zu schaffen, die mit Künstlicher Intelligenz lernen, Aufgaben selbstständig auszuführen. In dem Labor bringen die Wissenschaftler Robotern bei, sich gegenseitig Kabel zu reichen und Getriebeteile zusammenzusetzen. Über eine Softwareplattform stehen die neuen Fähigkeiten auch anderen Robotern zur Verfügung. So können die Roboter selbstständig voneinander lernen und ihr Wissen auch auf anderen Aufgaben anwenden.

Auch an der TU Clausthal arbeiten Wissenschaftler daran, Cobots für die direkte Interaktion mit Menschen zu befähigen. Das Projekt KEIKO (Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter) hat zum Ziel, einen Cobot dazu zu befähigen, dass er gemeinsam mit einem Menschen eine einfache Montagetätigkeit ausführt – Hand in Hand.

Das interdisziplinäre Projekt, an dem gemeinsam mit der Uni Göttingen gearbeitet wird, erforscht Emotion, Kognition und Verhalten von Menschen und wie Cobots lernen können, diese wahrzunehmen, vorherzusehen bzw. darauf zu reagieren. Ein Cobot soll dann in der Lage sein, Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen, Handlungsfehler zu erkennen und Bewegungen seiner Arbeitspartner vorhersagen zu können. Möglich wird letzteres beispielsweise durch Wearables, die Werker am Körper tragen und dem Cobot mittels Sensorik die Datenbasis liefern, die er braucht, um empathisch reagieren zu können.

Leitfaden für Risikobewertung

Doch noch ist es nicht so weit und die Cobots studieren derzeit die Empathie in den Forschungslaboren der Universitäten. Bis es soweit ist, dass die Roboter wirklich mit Menschen in der Produktion kollaborieren und auf sie Rücksicht nehmen können, spielt die Risikobewertung bei der Einsatzplanung eine besondere Rolle.

Oft werden Cobots eingesetzt, um die Mitarbeiter buchstäblich zu entlasten – bewegen sich die Roboter dann mit diesen Lasten durch denselben Raum wie Menschen, muss deren Sicherheit zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. Für Unternehmen, den Einsatz dieser Helfer noch scheuen, hat der VDMA gemeinsam mit dem Fraunhofer IGCV einen Leitfaden für die Einführung von Cobots in der Produktion verfasst. Der "Leitfaden für den ortsflexiblen Einsatz von kollaborativen Robotern" kann hier heruntergeladen werden. Er hilft unter anderem bei der individuellen Bewertung von Risiko und wie sich dieses jeweils mindern lässt. Denn gerade Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Positionen von Fachkräften zu besetzen, können von Cobots profitieren. Nehmen Cobots den Werkern monotone Arbeiten ab und können diese sich anderen Aufgaben zuwenden, kann das manche Lücke schließen.

Cobots schließen Fachkräfte-Lücken

Diese Erfahrung machte auch Zeiss im Metrology Tech Center. Eine Automatisierungslösung mit Cobot hat die Maschinenauslastung von 50 % auf 90 % erhöht. Der Grund: Vorher wurden die Messmaschinen mit manuellen Systemen beladen, die jeweils von einem Bediener kontrolliert wurden. Dieser stand somit für andere Aufgaben nicht zur Verfügung. Nun übernimmt ein Cobot die Bestückung von drei Maschinen, die Bediener sind dieser repetitiven Aufgabe entbunden.

Eine verbesserte Zusammenarbeit in der Produktion wird auch durch neue Antriebe erreicht. Festo hat im letzten Jahr den ersten Cobot mit Pneumatik-Antrieb vorgestellt, der ab Herbst 2023 für Pilotkunden erhältlich sein soll (siehe Interview S. 32). Dieser Roboter ist laut Hersteller nicht nur besonders einfach zu bedienen und flexibel im Einsatz, sondern dank seines Antriebs so nachgiebig wie eine menschliche Hand. Ähnlich sensibel präsentiert Schneider Electric sein Modell Lexium, das Drehmoment und Drehzahl konstant überwacht und deshalb laut Hersteller zu besonders vorsichtigen Bewegungen in der Lage ist und Kollisionen mit Menschen erkennen kann.

Noch sind Cobots also nur dabei statt mittendrin. Betrachtet man ihr Marktwachstum, die Entwicklung von KI und den Bedarf der Unternehmen, werden die kollaborativen Roboter ihrem Namen jedoch bald wirklich gerecht werden.

Lösen Roboter das demografische Problem?

Die Antwort ist ein eindeutiges Ja: Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien vom Herbst 2022 sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem demografischen Wandel und der Automatisierung: Länder mit besonders niedrigem Bevölkerungswachstum haben nämlich gleichzeitig die höchste Dichte an Industrierobotern pro Arbeitskraft, wie sich herausgestellt hat. An der Spitze steht Südkorea mit einer Roboterdichte von 1000 Robotersystemen pro 10.000 Mitarbeitern - und einer besonders niedrigen Geburtenrate von 0,8 Kindern pro Frau. Auf den Plätzen 2 und 3 liegen Singapur und Japan mit 1,1 und 1,3 Geburten. Weltweit betrachtet, lag die Geburtenrate 2021 bei 2,3. Klaus Prettner und Ana Lucia Abeliansky vom WU Department of Economics kommen in ihrer Studie jedenfalls zu der Erkenntnis, dass jeder Rückgang des Bevölkerungswachstums um ein Prozent das Wachstum der Roboterdichte um zwei Prozent erhöht.

 

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