Eckdaten
Eine bereits in der frühen Entwicklungsphase erstellte Anforderungsliste für das Endprodukt erleichtert die Auswahl des passenden Gehäuses. Erfahrene Gehäusehersteller helfen bei der Auslegung und Umsetzung der benötigten Hardware und können durch Simulationen frühzeitig Erkenntnisse über die kritischen Punkte gewinnen.
Nach der dritten digital geprägten industriellen Revolution wurde mit Industrie 4.0, zumindest künstlich, eine vierte Revolution angestoßen. Ob es sich wirklich um eine Revolution handelt, wird die Zukunft zeigen. Jedoch schon jetzt ist der stark gestiegene Einsatz von Embedded-Systemen und Industriecomputern (IPC) deutlich erkennbar. Ohne diese Systeme ist eine weitere digitale Revolution nicht denkbar. Hierfür müssen Systeme geschaffen werden, die entgegen einem handelsüblichen Computer besonderen Anforderungen genügen. Der breit gefächerte Einsatzbereich, angefangen von Robotik, Industrieautomation, Visualisierung bis hin zur Sicherheitstechnik verlangt ganzheitliche Lösungskonzepte, die in der Regel besonders widerstandsfähig gegen negative Umwelteinflüsse, elektromagnetische Störungen und Gefahren, wie Überhitzung, ausgelegt werden müssen. Da die schützende Hülle der Elektronik das Gehäuse ist, muss der Entwickler genau darauf ein besonderes Augenmerk legen.
Die Schutzart eines Gehäuses
Für den Einsatz von Embedded-Systemen oder anderen elektronischen Geräten unter erschwerten Umweltbedingungen ist es von besonderer Wichtigkeit, das Gehäuse mit entsprechender Schutzart zu wählen. Die Schutzart ist standardisiert und wird zum Beispiel in der DIN EN 60529 behandelt. Darin werden die Schutzarten mit einem IP-Code angegeben. IP bedeutet International Protection und wird auch oft als Ingress Protection entschlüsselt. Der IP-Code besteht aus zwei Ziffern, wobei die erste Ziffer für den Berührungs- und Fremdkörperschutz steht und die zweite Ziffer für den Wasserschutz. Der Einsatzort der Elektronik sollte immer frühzeitig berücksichtigt werden, um rechtzeitig das passende Gehäuse mit der passenden IP-Klasse zu wählen oder ein entsprechendes Gehäuse auszulegen. Ein hoher IP-Schutz wird bei Gehäusen oft durch Vermeidung von Öffnungen und durch spezielle Dichtungen aus Polyurethan oder Chloroprene erreicht.
Elektromagnetische Verträglichkeit
Nicht nur Wasser und Staub gefährden den langfristigen Einsatz von Embedded-Systemen, sondern auch elektromagnetische Felder, auch bekannt als Elektrosmog, der durch den gestiegenen Einsatz von Elektronik eine immer größere Rolle spielt. Vor allem Systeme, welche sicherheitsrelevante Aufgaben übernehmen, müssen besonders sensibel betrachtet werden. Die europäische EMV-Richtlinie 2014/30/EU beschreibt die Fähigkeit von elektrischen Betriebsmitteln, in einer elektromagnetischen Umwelt zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst Störungen zu verursachen, die für andere Betriebsmittel unannehmbar wären.
Dieser Aspekt ist für die CE-Kennzeichnung eines Produktes unabdingbar. Aus diesem Grund ist die Wahl eines Gehäuses mit einer hohen Schirmdämpfung von Anfang an wichtig. Für solche Einsätze sind Metallgehäuse prädestiniert, die elektrisch leitend und im Idealfall aus einem ferromagnetischen Material, das eine hohe magnetische Permeabilität besitzt, bestehen. Schlitze und andere Öffnungen sind durch elektrisch leitende Dichtungen oder Gitterelemente abzudichten.
Auf der nächsten Seite geht es um die thermische Auslegung
Es ist bereits jedem versierten Elektroniker bekannt, dass die Lebensdauer von Halbleitern mit steigender Betriebstemperatur drastisch verkürzt wird und dadurch logischerweise das Risiko für einen Totalausfall mit eventuell fatalen Folgen steigt. Je nach Einsatzort können Temperaturschwankungen zwischen -40 bis +60 °C auftreten, die für manche Systeme problematisch werden. Die Hardware an einem Embedded-System kann über eine Temperaturüberwachung und eine automatische Abschaltung geschützt werden. Jedoch ist bei diesen Systemen nicht der Selbstschutz maßgebend, sondern die Zuverlässigkeit bei einem 24/7-Dauerbetrieb. Um ungeplante Ausfälle zu vermeiden, ist ein durchdachtes thermisches Management notwendig, welches das System vor kritischen Temperaturen schützt. Dieses kann mittels einer Heizung oder einer Kühlung erfolgen, wobei die Letztere die Regel ist.
Bei einer Kühlung wird zwischen aktiver und passiver Kühlung unterschieden. Ein passiv gekühltes System besteht vorwiegend aus einem Gehäuse und einem integrierten Kühlkörper. Durch die Rippengeometrie ergibt sich eine Oberflächenvergrößerung, die die aufgenommene Wärmeenergie an die Umgebung abgibt. Für die Anbindung von verlustreichen Bauteilen, wie zum Beispiel Prozessor oder Spannungswandler, und dem Wärmetransport werden Kupferplatten (englisch heatspreader) in Kombination mit Wärmeleitrohren (englisch heatpipes) eingesetzt. Passivgekühlte Systeme sind durch die fehlenden Lüfter geräuschlos und können wegen der fehlenden Lüftungsöffnungen so gut wie wartungsfrei betrieben werden.
Alternativ zur passiven Kühlung bietet sich die aktive Kühlung von Embedded-Systemen mittels Lüfter oder Flüssigkeit an. Hierbei wird auch von einer erzwungenen Konvektion gesprochen. Durch den Einsatz von Lüftern wird die kühlere Umgebungsluft ins Gehäuse und die erwärmte Luft aus dem Gehäuse an die Umgebung abgegeben. Nachteilig ist die zusätzliche Überwachung der aktiven Komponenten wie Lüfter oder Pumpen. Des Weiteren müssen Wartungen durchgeführt werden, bei denen gegebenenfalls die Filterelemente getauscht werden müssen, die bei Vernachlässigung zu Störungen oder Ausfällen führen.
Für eine möglichst optimale Wärmeübertragung, beispielsweise vom Prozessor zum Kühlkörper, ist eine direkte Verbindung notwendig, die im Idealfall aus einer Kette von Komponenten besteht, die einen niedrigen Wärmewiderstand besitzen. Hierzu ist die Wahl des richtigen Wärmeleitmaterials sehr wichtig, um den Wärmeübergangswiderstand möglichst niedrig zu halten. Die Auswahl von Wärmeleitmaterialien ist so groß wie noch nie zuvor. Pasten und Folien mit unterschiedlichen Eigenschaften stehen für nahezu jede Applikation zur Auswahl. Hier empfiehlt es sich bei der Auswahl der passenden Lösung einen Experten zu Rate zu ziehen.
Das Risiko einer thermischen Fehlauslegung lässt sich durch eine thermische Simulation stark verringern. Moderne Simulationssoftware analysiert mittels 3D-Daten am Computer das System unter realitätsnahen Bedingungen. Dadurch lassen sich Systeme im Voraus evaluieren und thermisch kritische Stellen frühzeitig erkennen.
Schock- und Vibrationsfestigkeit
Der Einsatz von Embedded-Systemen bei mobilen Anwendungen wie in der Automobilbranche, bei der Bahn oder der Luftfahrt bringen weitere Anforderungen, wie die Schock- und Vibrationsfestigkeit, mit sich. Die Schockprüfung ist nach IEC 60068-2-27 und die Vibrationsprüfung nach IEC 60068-2-6 genormt. Auf speziellen Prüfständen lassen sich unterschiedliche extreme Situationen nachstellen, bei denen das Gehäuse und die Elektronik an die Grenzen gebracht werden. Hierzu kommen die Gehäuse samt Elektronik auf einen Schwingungserreger und werden zum Beispiel elektrodynamisch bei 5 bis 2700 Hz getestet. Gehäuse, die dynamischen Kräften ausgesetzt sind, werden durch zusätzliche Dämpferelemente im Inneren und zusätzlichen Schraubensicherungen robust ausgelegt.
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