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Mit unseren Edge-Gateways decken wir die komplette Bandbreite an Feldbussen und Industrial Ethernet ab (Bild: Redaktion IEE)

Herr Döring, an Edge Devices und Cloud haben wir uns gewöhnt. Aber was bitte ist denn Ihr HMS Hub?

Thilo Döring: Das ist ein Kernelement unserer Edge-Connectivity-Lösung. Als eine Art Middleware vermittelt der Hub zwischen den Edge Gateways, den Kommunikationsinfrastrukturen im Feld und der Cloud Connectivity. Im Zentrum des Hubs steht wiederum der Edge Broker, der die verschlüsselten Datenverbindungen vom Feld bis ins Datenportal sicherstellt und kontrolliert.

Eine Middleware braucht vor allem eins: diverse Konnektoren sowohl nach oben in Richtung Cloud wie auch zum Feld. Scada, SPS, MES oder auch ein Feldbus-Master ‒ das sind doch alles potenzielle Datenquellen.

Thilo Döring: Das ist korrekt. Im ersten Schritt fokussieren wir uns hinsichtlich Konnektivität zum HMS Hub auf unsere Anybus Edge Gateways. Natürlich bleibt es nicht dabei. Mit den Produkten von Ewon und Ixxat erschließen wir einen großen Teil der industriellen Datenquellen und können diese Informationen in unseren Hub integrieren. Darüber hinaus planen wir, auch 3rd-Party-Geräte über unser Protokoll anzubinden.

Welches Protokoll ist das?

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HMS Hub mit Broker und Edge-Gateways mit Sequencer sind die Kernelemente unserer Lösung Redaktopn IEE

Thilo Döring: Das ist das Kolibri-Protokoll, das wir von Beck-IPC in 2018 übernehmen konnten, ein auf Effizienz und sichere Übertragung getrimmtes Protokoll. Wir haben damit schon über vier Millionen Geräte erfolgreich angebunden. Das können nicht viele von sich behaupten. Cloudseitig unterstützen wir 3rd-Party-Lösungen über sogenannte Agents, falls andere Clouds über unseren Hub mit Daten zu versorgen sind.

Für welche Clouds gibt es bereits Agenten?

Thilo Döring: Realisiert haben wir die Anbindung an Microsoft Azure. In Arbeit ist MindSphere, weitere folgen. Unser Ziel ist, mit der Middleware unseren Kunden eine Möglichkeit zu geben, ihre Daten schnell und einfach weiterzuverarbeiten, ohne dass programmiert werden muss. Die Konfiguration erfolgt wiederum über unsere Konnektoren.

Clouds, Edge Devices, wie ist denn deren Akzeptanz im Markt?

Cloud-Anbindung per IIoT-Middleware

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HMS

Die vielfältigen Szenarien einer möglichen Anbindung an die Cloud – Datenvorverarbeitung ja/nein, Steuerungsfunktionen ja/nein, MindSphere, SAP oder eigene Cloud – verlangen einen ­flexiblen Lösungsansatz.

Thilo Döring: Das ist sehr unterschiedlich und hängt von der ­Unternehmensphilosophie ab und welche Strategie ein Unternehmen hat. Die einen wollen unbedingt eine Private Cloud, weil sie ihre Daten im Haus halten wollen und Security-Bedenken haben. Anderen sind die Security-Maßnahmen der Cloud-Betreiber genug. Diese Firmen sehen die Vorteile und haben kein Problem damit, ihre Produktionsdaten in der Cloud zu speichern. Mit unserer flexiblen Lösung aus HMS Hub mit dem Broker, dem Portal, den Edge Gagteways mit dem neuen Sequencer und Software wollen wir denjenigen helfen, die noch nicht wissen welche Digitalisierungsstrategie sie am Ende verfolgen werden. Wer will, kann die komplette Plattform inklusive Cloud von HMS beziehen oder einfach auch nur Bestandteile, bei Bedarf auch als OEM-Lösung. Die komplette Plattform, von den Geräten bis zum Portal, sind dann entsprechend gelabelt.

Und HMS unterstützt demnach jetzt alle Wege in die Cloud und alle Spiel­arten der Cloud-Plattformen?

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Wir wollen auch künstliche Intelligenz auf der Edge-Ebene etablieren. Redaktion IEE

Thilo Döring: Wir unterstützen die komplette Bandbreite, ange­fangen bei Komplett-Lösungen vor Ort, auch bekannt unter dem Begriff ‚On-Premise‘. Wir transferieren die Daten aber auch gerne in unsere eigene Cloud oder eine 3rd-Party-Cloud. Das Thema Security spielt dabei immer eine zentrale Rolle. Deshalb haben wir mit dem Kolibri-Protokoll eine End-to-End-Verschlüsselung implementiert, die einen hohen Sicherheitsstandard erfüllt.

Eine sichere Datenübertragung ist das eine. Es nutzt nur nichts, wenn die Cloud gehackt wurde.

Thilo Döring: Die Cloud-Daten an sich sind ebenfalls verschlüsselt. Daher braucht man keine Bedenken mehr zu haben. Selbst wenn die Cloud gehackt werden würde, die Daten selbst sind immer noch verschlüsselt. Hinzu kommen die heute üblichen Authentifizierungsmechanismen beim Einloggen in eine Cloud.

In welchen Bauformen sind die Edge Gateways verfügbar?

Thilo Döring: Wir haben Geräte im klassischen Formfaktor für die Hutschiene, die es in Varianten für eine Vielzahl von industriellen Netzwerken wie Profinet oder Ethernet/IP für die Southbound-Anbindung oder LAN, WLAN oder LTE für die Northbound geben wird. In Summe stehen 50 Gateways zur Verfügung, die jeglichen Anwendungsfall abdecken. Zusätzlich wird es auch eine reine Software-Version geben, die Kunden direkt in ihre Hardware integrieren können. Praktisch ist das eine Bibliothek, mit der über das Kolibri-Protokoll die sichere Vermittlung von Daten an den HMS Hub realisiert wird.

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Redaktion IEE

Funktioniert das auch mit einer Steuerung oder einer Soft-SPS?

Thilo Döring: Theoretisch ja. Wir wollen uns aber nicht in Richtung einer SPS entwickeln und letztendlich Steuerungsfunktionen in den Edge Gateways implementieren. Wir denken in eine andere Richtung. Sicher, wir wollen schon Intelligenz in den Edge Gateways vor Ort haben, etwa für die Datenvorverarbeitung. Dafür haben wir den HMS Sequenzer mit einer grafischen Programmierober­fläche entwickelt. Hierüber kann aus einer Vielzahl von Funk­tionsblöcken die Datenvorverarbeitung definiert werden und direkt an der Edge erfolgen.

Also ließe sich ihr Stück Software in eine Rechnerplattform implementieren, etwa eine ARM-CPU, auf der ein Kern dann für IoT reserviert sein könnte?

Thilo Döring: Wir haben heute schon Pro­jekte realisiert, bei denen Kunden unser Kolibri-Protokoll beispielsweise in Bediengeräte integriert haben und so die Möglichkeit haben, die Prozessdaten direkt in unsere Plattform zu übertragen.

Sind die Funktionen des Sequenzers mit Node-RED vergleichbar?

Thilo Döring: Nicht ganz. Node-RED nutzen wir auf einer anderen Ebene, dem HMS Hub. Dort, also auf Cloud-Ebene, lassen sich dann Abläufe und Aktionen programmieren.

Also der Sequenzer läuft im Edge Gateway, Node-RED in der Cloud?

Thilo Döring: Richtig, mit dem Sequenzer wird im Edge Gateway die Vorverarbeitung realisiert. Und über Node-RED steht eine offene Programmiermöglichkeit auf Cloud-Ebene zur Verfügung.

Wie ist denn die Anbindung konkret realisiert? Was muss ein Anwender machen, um sein Edge Device oder Datenpunkte in der Cloud anzumelden?

Thilo Döring: Die Konfiguration der zu übertragenden Daten, also welche Tags der Cloud überhaupt zur Verfügung gestellt werden sollen, erfolgt im Edge Device. Zudem überlegen wir, bereits existierende Daten- und Tag­räume aus 3rd-Party-Tools wie einem TIA-Portal einzulesen, im Gateway zu konsolidieren und danach in die Cloud zu senden.

Wie sieht es mit einer Importschnittstelle für Codesys-basierte Steuerungen aus?

Thilo Döring: Das müssten wir im Detail klären, ob und wie sich auch für dieses Eco-System ein Interface realisieren ließe.

Wer administriert und programmiert letztendlich die Gateways und den Hub, der klassische Programmierer oder die IT-ler?

Thilo Döring: Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, dass das die IT-Fachleute sind und gar nicht mehr die SPS-Programmierer als OT-Spezialisten. Für einen SPS-Programmierer den grafischen Editor des Sequenzers zu nutzen und darüber Daten zu verdichten, wäre sicher kein Problem.

Welches sind denn die Kernfunktionen des HMS Hubs?

Thilo Döring: Neben der Visualisierung, der Speicherung und ­Auswertung der Daten ist das Device Management eine weitere wichtige Aufgabe. Denn in Zukunft werden hunderte oder tausende von Geräten am Hub angebunden sein. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, ist ein zentrales Gerätemanagement zwingend erforderlich. Über den HMS Hub lassen sich auch Firm­ware-Updates verteilen, um bei Bedarf weitere Funktionen hinzuzufügen oder Security-Patches in den Gateways zu installieren. Das funktioniert über das Portal und den Edge-Broker praktisch auf Knopfdruck. Das sind wichtige Unterscheidungsmerkmale, die es in anderen Lösungen so in der Form nicht gibt.

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Wer Cloud nutzt, darf die Geräteadministration nicht vergessen. Redaktion IEE

Und wer sagt dem IT-ler, welche Daten er braucht wie sie zu verknüpfen sind, um die gewünschte Auswertung zu erhalten?

Thilo Döring: Die Definition der relevanten Daten sollte natürlich im Vorfeld erfolgen. Anders verhält es sich, wenn man etwa Arti­ficial Intelligence betreiben will und mit Statistik nach Optimierungsfeldern und Abhängigkeiten sucht. Dann muss eigentlich alles in die Cloud – zumindest anfangs.

Warum anfangs?

Thilo Döring: Der Sequenzer, den wir jetzt implementiert haben, ist nur der erste Schritt. Wir haben uns vorgenommen, auf Edge-Ebene auch künstliche Intelligenz zu implementieren. Vor Ort laufen dann Algorithmen, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten transparent machen.

Und das KI-Know-how kaufen Sie sich ein, wie zuletzt die Firma Webfactory?

Thilo Döring: Das machen wir über Kooperationspartner. Hier gibt es erste Initiativen. Aber wir stehen hier noch ganz am Anfang. Da der Markt gerade erst beginnt, damit Erfahrungen zu sammeln, haben wir hier schon noch etwas Zeit. Die Akquisition von Webfactory zielt in eine andere Richtung. Das Unternehmen ist ein weiterer Baustein, um eine Gesamt­lösung auf dem HMS Hub zu realisieren ‒ eine leistungsfähige HMI/Scada Software für Prozessvisualisierung.

Mit ihren Kopplungen zu MindSphere und Azure unterstützt HMS die Geschäftsmodelle der Unternehmen. Umgekehrt bietet zumindest Siemens kompetitive Produkte zu ihren Gateways an. Aber diese Konkurrenzsituation ist ihnen sicher bewusst.

Thilo Döring: In einigen Regionen ist das sicherlich Konkurrenz. Andererseits wollen wir uns wie bei den Kommunikationsprotokollen wieder breit aufstellen. Denn viele Maschinenbauer müssen nach wie vor ihre Maschinen mit verschiedenen Steuerungen und Bussystemen ausrüsten, je nach dem in welcher Region sie aufgestellt werden. Die Firmen begrüßen mit Sicherheit eine Plattform, mit der sie alles erschlagen können – auf der Steuerungsseite Mitsubishi, Rockwell und Siemens; Cloudseitig eigene Lösungen mit unserem HMS Hub realisieren können oder die Maschinendaten kontrolliert über unseren Hub an Mind­sphere, Azure, Bluemix, SAP und Co. senden.

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Viele brauchen einen flexiblen Ansatz, weil ihre Digitalisierungs-Roadmap noch gar nicht steht. Redaktion IEE

In dieser Flexibilität sehen Sie ihr Businessmodell?

Thilo Döring: Man kann das vergleichen mit dem Thema Anybus. Mit den Modulen haben wir die Möglichkeit geschaffen, Geräte und Steuerungen in die verschiedensten Kommunikationssysteme zu integrieren. Diese Flexibilität und Offenheit übertragen wir jetzt auf die Themen IIoT und Cloud – kurz: AnyConnect.

Wie sehen denn Ihre Lizenzmodelle aus?

Thilo Döring: Für jedes Gerät oder Gateway mit einer Anbindung an eine Cloud verlangen wir einen Abonnementpreis, vergleichbar mit einem Mobilfunkvertrag. Darin enthalten ist ein gewisses Datenvolumen, das sich um zusätzliche Datenpakete erweitern lässt, wenn mehr Volumen gebraucht wird.

Kann ich mich denn als Nutzer ihres HMS Hubs von anderen Unternehmen unterscheiden, abgesehen von einem anderen Logo oder der Farbgestaltung des Portals. Kann ich als Maschinenbauer meine eigenen Dashboards und speziellen Auswertungen definieren?

Thilo Döring: Was die Dashboards betrifft, da gibt es eine Toolbox mit der jeder seine individuellen Inhalte kreieren kann. Das gehört aus unserer Sicht zu einer praktikablen Lösung einfach dazu.Darüber hinaus kann jeder mittels Node-RED seine Cloud-Dienste individuell programmieren. So bieten wir für alle
Szenarien eine Lösung ‒ für denjenigen der tief programmieren will oder muss wie auch für diejenigen, die einfach nur schnell Ergebnisse sehen wollen.

Bieten Sie die Kategorisierungsmöglichkeiten auch in Ihrer Middleware an, wer wie detailliert Zugriff auf die Daten erhält?

Thilo Döring: Das sind Überlegungen, die wir im Moment verfolgen. Implementiert ist diese Funktion noch nicht. Aber diese Rollen- oder Dienstleister-basierten Zugriffsrechte werden in Zukunft sehr wichtig sein.

Welche Rolle spielen eigentlich Ihre Solution Partner wie Rilheva, Katana oder Scante bei ihrer Strategie?

Thilo Döring: Diese Solution Partner bieten Software an, zum Beispiel Scada-Systeme, Analytics-Tools, die teils weit über das hinausgehen, was wir auf dem HMS Hub letztendlich zur Verfügung haben. Unsere Partner können ihre Lösungen on Top auf dem HMS Hub realisieren und nach Authentifizierung dann direkt auf die Daten zugreifen, beispielsweise für Datenanalytik, Predictive Maintenance oder für eine größere Visualisierung. In Summe haben wir bereits zehn Solution Partner.

Das Interview führte IEE-Chefredakteur Stefan Kuppinger.

(sk)

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