Ein widerstandsfähiges Gehäuse mit Sperrluftfunktion schützt das empfindliche Mikroskop.

Ein widerstandsfähiges Gehäuse mit Sperrluftfunktion schützt das empfindliche Mikroskop. (Bild: Fraunhofer IPT)

In der spanenden Fertigung ist es bisher nicht möglich, den Werkzeugverschleiß während des laufenden Fräsprozesses systematisch zu erfassen. Da defekte Werkzeuge jedoch zu Qualitätseinbußen, erhöhtem Ausschuss und hohen Nacharbeitskosten führen, hat sich das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT dieser Aufgabe angenommen: Gemeinsam mit Partnern entwickelten die Aachener Forscherinnen und Forscher im Projekt "CAMWear 2.0" ein System aus Kameras und Bildverarbeitung mit künstlicher Intelligenz, das den Werkzeugverschleiß bereits in der Werkzeugmaschine erfassen und auswerten kann.

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Warum ist das wichtig?

Bis heute wird der Verschleißzustand von Zerspanungswerkzeugen außerhalb der Maschine mit Standmessmikroskopen, Taschenlupen und Werkzeugeinstellgeräten aufwendig überprüft. Alle diese Verfahren erfordern manuelle Eingriffe. Mikroskope sind zudem teuer, Taschenlupen erlauben keine Verschleißmessung und Werkzeugeinstellgeräte erfassen zwar die Schneidenkontur, können aber die Verschleißart nicht identifizieren. In all diesen Fällen können die Messungen erst nach Abschluss der Fertigung durchgeführt werden, wenn es für korrigierende Eingriffe in den Prozess zu spät ist.

Wie funktioniert das System zur Erfassung des Werkzeugverschleißes während des Fräsprozesses?

Die ForscherInnen integrieren ein Mikroskop in die Fräsmaschine, das während der Bearbeitung, zwischen den einzelnen Bearbeitungsschritten, automatisiert Bilder des Fräswerkzeugs aufnimmt. Inspiriert von medizintechnischen Verfahren entwickelten sie Techniken zur Bildsegmentation, auf deren Basis industrietypische Bewertungskenngrößen des Werkzeugzustands abgeleitet werden können. Um das empfindliche Mikroskop in der rauen Umgebung der Werkzeugmaschine zu schützen, konstruierten die Forschenden ein widerstandsfähiges Gehäuse mit Sperrluftfunktion, das Kühlschmierstofftropfen von der Kamera fernhält.

Welche Rolle spielt die KI dabei?

Die KI der Bildverarbeitungssoftware identifiziert präzise die visuell erfassbaren Verschleißformen.
Die KI der Bildverarbeitungssoftware identifiziert präzise die visuell erfassbaren Verschleißformen. (Bild: Fraunhofer IPT)

Die erfassten Bilder dienen als Trainingsdaten für das KI-gestützte Bildverarbeitungsprogramm, das die Partner im Laufe des Projekts entwickelten. Das Programm ist in der Lage, Werkzeugtypen zu klassifizieren, verschlissene Bereiche zu aufzuzeigen und Verschleißmetriken zu berechnen. Um den manuellen Aufwand im Vorfeld für das Training der künstlichen Intelligenz zu reduzieren, nutzen die Forschenden einen neuen Ansatz: Sie erzeugen mit Hilfe von generativen Algorithmen und neuronalen Netzen synthetische Bilddaten, um die Datenbasis künstlich zu vergrößern. Zusätzlich werden die realen Bilder durch einfache Vergrößerungstechniken wie Spiegeln oder Drehen verändert und vervielfältigt.

Praxistest übertrifft Erwartungen

Das Kamerasystem und die Bildverarbeitungssoftware haben in der letzten Projektphase den ersten Praxistest unter realen Bedingungen bestanden: Die Automatisierung der Bildaufnahme und die hervorragende Qualität der aufgenommenen Bilder übertrafen die Erwartungen des Projektteams. Das Kameragehäuse erwies sich als robust genug, um die Mikroskopieeinheit zuverlässig zu schützen. Die KI der Bildverarbeitungssoftware identifizierte die visuell erkennbaren Verschleißformen äußerst zuverlässig und präzise.

Die Anwendung wird nun gezielt für den industriellen Einsatz weiter optimiert: Ziel ist es, die KI-Modelle weiter zu verfeinern, um Verschleißerscheinungen noch genauer zu erkennen und zu analysieren. In enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Hardware-Lieferanten soll die neue KI-Anwendung nun schnellstmöglich in die industrielle Praxis überführt werden.

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